7. curated by

22. Sep. 2015 in Kunstmarkt

KAYA V

KAYA V

Die Wände sind mit schwarzem Graffiti besprüht. Davor stehen merkwürdige Operationstische, dicke, schwarze Vinylseile und Elektrokabel ragen herunter, oben liegen bunte Abgüsse von allerlei Zeugs. Darüber breiten sich harte Plastikdecken aus, die mit grünen Nähten zusammengehalten werden.

KAYA V (Kerstin Brätsch/Debo Eilers)

KAYA V (Kerstin Brätsch/Debo Eilers)

Diese brodelnde Bildwelt haben KAYA V (Kerstin Brätsch/Debo Eilers) in der Galerie Meyer-Kainer inszeniert. Die Schau ist Teil von „curated by“. Dieses Format findet heuer zum siebten Mal statt. Gegründet 2009, um die Wiener Kunstszene international zu vernetzen, finden heuer in zwanzig Galerien unter dem Titel „Tomorrow Today“ Ausstellungen zur Schnittstelle zwischen Kunst und Kapital statt.

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Damit greift „curated by“ ein heißes Eisen an. Denn in der Moderne distanzierten sich die Künstler vom Markt, Verkaufbarkeit war zweitrangig und Galeristen galten ihnen eher als Freunde denn als Händler. Spätestens seit der Jahrtausendwende ist dieses Familienmodell passé, Kunst ist heute eine Ware wie jede andere, an der Händler oft mehr verdienen als die Künstler. Aber hat der Markt die Kunst tatsächlich gänzlich geschluckt, ist Verkaufbarkeit alles und Gefälligkeit die oberste Maxim? Kann diese Schnittstelle überhaupt mit Kunst, noch dazu in Galerien nüchtern betrachtet werden? Im Vorfeld gab es dazu heftige Diskussionen. Der Berliner Theoretiker Armen Avanessian schrieb vorab einen Impulstext, in dem er vorschlägt, die Kunst solle nach alternativen ökonomischen Strategien suchen – nicht alle Galerien waren glücklich damit. Nicht nur die Schau bei Meyer-Kainer, nahezu jede Galerie zeigt jetzt Ausstellungen, die spannende Werke versammeln, dabei aber fröhlich den Aspekt der Schnittstelle ignorieren.

Kerstin Brätsch

Kerstin Brätsch

Kurator bei Meyer-Kainer ist N.O.Madski, ein berühmter Graffitikünstler (und Bruder der Künstlerin), der seinen Ausflug in die Welt der Galerien auch gleich für jede Menge Stylewriting in Wien nutzte. In der Galerie erzeugen seine Tags eine unerwartete Aggressivität, die sich auf die „Bodybags“ genannten Objekte überträgt. Man kann vielleicht in den überall auf den Tischen verteilten, auch von der Decke hängenden Münzen eine Nähe zum Begriff des Kapitals hineinlesen, die Kombination von Street Art und Galerie-Kunst als eine marktirritierende Utopie erwägen – oder gleich die Werke ganz kunstimmanent als radikale Weiterentwicklung von Malerei betrachten.

Ference Grof, I (after Barbara Kruger), 2015. Galerie Kargl

Ference Grof, I (after Barbara Kruger), 2015. Galerie Kargl

In freier Assoziation hat auch Chris Fitzpatrick seinen Beitrag für die Kerstin Engholm Galerie angelegt: Auf dem Boden stapeln sich 2000 alphabetisch geordnete SF-Taschenbücher – eine Landschaft aus Utopien. Auf der Scheibe zur Straße kriechen Weinbergschnecken und hinterlassen ihre schleimigen Spuren, weiter hinten vergleicht ein TV-Sprecher die Welt der Kredit- und Anlagespekulation mit einem aufgemalten Loch. Der Leitfaden ´Kapital´ entschlüsselt sich zwar kaum, aber es ist eine erfrischend andere Rauminszenierung – und darin liegt auch eine große Qualität des Formats „curated by“: Die Gastkuratoren definieren die Räume neu, nutzen Orte und Ecken, die die Galeristen bisher nicht bespielten.

GCC Installation auf der FIAC 2014

GCC Installation auf der FIAC 2014

Auch in der Galerie Steinek kommt das Kapital nur über Umwege in den Blick. Sie luden die junge Kuratorin Myriam Ben Salah ein. Über dem Eingang der Galerie erlaubt sich die Gruppe GCC ein brisantes Gruppenbild: Drei Männer und eine Frau sind im Stil arabischer Herrscher fotografiert – ein deutlicher Verstoß gegen die strenge Kleiderordnung, denn nur Männer dürfen dieses Gewand tragen. Und das Kapital? Das ist die Grundlage jener Gesellschaft. In der Galerie Martin Janda übergeht der Künstlerkurator Joe Scanlan den zentralen Begriff komplett und setzt stattdessen auf Zeit bzw. den Aspekt ´Ausdauer´, der im Titel „Tomorrow Today“ anklingt. Er lud Künstlerinnen ein, die wie Geta Bratescu trotz geringes Markterfolgs unbeirrt weiterarbeiten, oder wie die junge Polly Korbel, die sich in der Performance vom Publikum ihre Haare an der Wand festnageln ließ – dem erschreckend viele nachkamen.

Polly Korbel, Nailed

Polly Korbel, Nailed

Aber später mischte sich ein ´Retter´ ein und befreite die Haare wieder – eine Situation, die häufiger vorkomme, erklärte die Künstlerin anschließend.

Auftakt der Ausstellung “Notes on Crises, Currency and Consumption” mit Gerd Arntz, “Krise”

Auftakt der Ausstellung “Notes on Crises, Currency and Consumption” mit Gerd Arntz, “Krise”

´Zeit´ ist auch der rote Faden in der Charim Galerie, wo Josef Bauer das Wort in eine strenge Form auflöst oder Dan Graham in einem Video von 1972 zwei Menschen sprechen lässt: einer erzählt, was er tat, der andere, was er tun wird („Past Future Split Attention“) – Zeit habe die Künstler schon immer interessiert, argumentieren die Kuratoren Martin Guttmann & Brigitte Huck. Sie sind die einzigen in Wien ansässigen Gäste, alle anderen Kuratoren wurden in die Stadt eingeladen. Man stelle sich diese Ignoranz dem Potential der eigenen Stadt gegenüber einmal in Berlin vor! Ehemalige Wienerin ist Ruth Noack, die den ´Raum mit Licht´ in der Kaiserstraße mit Vorhängen radikal umbaut. Es entstehen drei beruhigte Bereiche für die Aspekte ´Krise´, ´Währung´, ´Konsum´. Da sehen wir die „De Money – Ghana Gold“-Fotografien von George Osodi, der die Arbeitsbedingungen im Goldabbau in starken Bildern festhält, und Ines Doujaks Rucksäcke, die bedruckt sind mit Bildern von Lastenträgern – Kapital erzeugt Krisen.#

George Osodi

George Osodi

In einer Galerie kommt das Thema motivisch in den Blick – aber weder als Schnittstelle zur Kunst noch so, wie wir es gewöhnlich kennen. Für die Galerie Mauroner suchte Katerina Gregos Werke von zwölf KünstlerInnen aus, in denen Kapital als Kontext, als Versprechung, Anhäufung, als Konzept und als Grundlage des Scheiterns erscheint. Manche arbeiten mit Geld als Material, andere fragen nach der Funktion und seinen Formen. Im Untergeschoß der Galerie ist Lina Theodorous „Pawn Shop Board Game“ aufgebaut, ein Monopoly-ähnliches Spiel. Doch statt Immobilien langsam anzuhäufen, beginnt das Spiel mit einer Menge Besitz. Auf jedem Feld verlangt dann eine Karte das Zahlen von Krediten oder stürzt die Spieler in tiefe ökonomische Krisen. Sukzessive muss der Besitz verscherbelt werden. Während der Eröffnung spielten zwei Studenten, ihr Resümee: „Wenn du nicht sofort Geld machst, verlierst du alles.“ Die Texte der 378 Karten sind keine Erfindungen, sondern entstammen der jüngsten Geschichte Griechenlands. Nicht die Schnittstelle zur Kunst, sondern zur Realität interessiert hier.

Curated by, bis 17.10.2015

veröffentlicht in: Die Presse, 13.9.2015

Nachtrag: 20 Galerien nehmen bei curated by teil – liebe Galerien, es ist schlicht UNMÖGLICH, sämtiche Galerien in einem einzigen Text unterzubringen! Weder bin ich jemandem böse, noch finde ich alle übrigen nicht gelungen, es ist einfach NICHT MÖGLICH! Sicherlich haben sich einige Kuratoren mehr mit dem Text beschäftigt, einige sind einfallsreich auf das Thema eingegangen – aber mich interessieren nicht die Kuratoren-Statements, sondern die Werke.