Scheitern in China –
7. Shanghai Biennale + Kunstmesse ShContemporary
Früher rannten hier Pferde im Kreis. Jetzt sitzen alte Männer unter Bäumen und spielen Karten, am Seerosenteich werden die täglichen Gymnastikübungen praktiziert und für ein paar Tage hastet dazwischen das westliche Kunstpublikum durch den Park. „People´s Square“ heißt die grüne Oase im Zentrum Shanghais und eigentlich sollte hier ein Teil der 7. Shanghai Biennale stattfinden. Aber der öffentliche Raum wird in China ausschließlich politisch genutzt, Kunstprojekte sind hier nicht erwünscht – die erste Hürde der diesjährigen Shanghai Biennale.
Die „große Welt“ wird Shanghai in China genannt. 85 % der 20 Millionen Einwohner kommen aus dem ländlichen China, Tendenz rapide steigend. So ist das Thema dieser 7. Shanghai Biennale Migration und Urbanisierung, zusammengefasst in der Wortschöpfung „Translocalmotion“. Dafür luden der künstlerische Leiter Zhang Qing zusammen mit den beiden Kuratoren Julian Heynen, Museumsdirektor in Düsseldorf, und Henk Slager, Professor in Holland, insgesamt 60 KünstlerInnen und Künstlergruppen ein. 25 Ausgewählte sollten den ´Volksplatz´ als Mikrokosmos Shanghais thematisieren. Gelandet sind die Beiträge dann vor und im Museum, dem 1930 gebauten, ehemaligen Clubhaus des früheren Shanghai Race Club: Glänzende Pferde (Yu Fan) in Anspielung an den Rennclub, ein trauriger Taubenhaus-Turm (Zhang Qing) und schrecklich bunte Ameisen (Chen Zhiguang) als Metapher für Migration.
Chen Zhiguang, Shanghai 2008
Zwar sind nicht alle Werke inhaltlich so unterkomplex. Aber die laute, plakative Ästhetik solcher Werke dominiert massiv die 7. Shanghai Biennale. Die chinesische Kunst durfte übrigens – zweite Hürde – explizit nur von Zhang Qing ausgewählt werden, der offenbar diese visuelle Überwältigung bewusst inszeniert. Herzstück dieser Strategie ist Yue Minjuns Kolonne von 40 grinsenden Dinosauriern.
Gegen solche Pop-Gewalt kommt gerade noch Mike Kelleys raumgreifende Installation rund um die utopische Architektur in den Superman-Comics an, vielleicht noch Klaus Mettigs Fotografien nicht-westlicher Straßenszenen, kaum mehr aber Hito Steyerls optimistische Recherche von kopierten Videos, die sie am People´s Square kaufte und auf Sprachfehler in Untertiteln und Abspann untersuchte – die Filme selbst durften nicht verwendet werden. Andere Werke wie Roman Ondaks großartiges „Vermessen des Universums“ verloren sich in – dritte Hürde – organisatorischem Scheitern: Eigentlich sollte ein Mitarbeiter die Körpergröße der Besucher mit einem Strich auf der Wand markieren, ergänzt durch Vornamen und Datum. Aber die Biennale wollte kein Personal stellen und so missverstanden die ersten Besucher das Angebot und schreiben fröhlich irgendwas auf die Wände. Jetzt ist der Raum wieder weiß – und leer.
Im Gespräch stellt Julian Heynen sarkastisch die Frage, ob nicht Kunstmessen die besseren Biennalen seien. Woran kann das gemessen werden? Während der Biennale-Konferenz im Goethe-Institut mit Teilnehmern aus Sao Paulo, Jakarta und Iasci wurde immer wieder über das Scheitern einer Biennale gesprochen – sind dafür Besucherzahlen ausschlaggebend? Die 7. Shanghai Biennale erwartet eine halbe Millionen Interessierte. Trotzdem gilt die Biennale jetzt schon als gescheitert: zu viel war nicht möglich, die Qualität überzeugt nicht, das Thema wird zwar konsequent aufgegriffen, aber ohne Überraschungen abgehandelt.
Kunstmessen in Singapur und Shanghai
Mit solchen Problemen haben die Kunstmessen nicht zu kämpfen. Sowohl in Shanghai als auch in Singapur eröffneten parallel internationale Kunstmessen, beidesmal war die Qualität der Kunst zumindest unter unseren westlichen Kriterien auf der Messe konsequenter, die Präsentation perfekter und die Informationen gezielter. Auf der „Showcase Singapore“ zeigen 23 Galerien, darunter Sperone Westwater (New York), The Third Line (Dubai) oder auch Thaddaeus Ropac (Salzburg) ein facettenreiches Programm von Picasso bis Jeppe Hein. Auf der wesentlich größeren ShContemporary in Shanghai präsentierten 130 Galerien ein noch größeres Spektrum neuer Tendenzen und globaler Höhepunkte (aus Österreich: Hilger, Insam, Krinzinger, Feichtner). „Showcase“ ist als allererster Schritt in Richtung eines Kunstmarktes geplant und ob der niedrigen Erwartungen erfolgreich. „ShContemporary“ dagegen ist ob des wenigen Publikums, das zudem mehr fotografiert als schaut, und nahezu überhaupt keiner Verkäufe der westlichen Galerien zum Desaster geworden, dessen Fortsetzung mehr als fraglich ist. Ob Messe oder Biennale, in Shanghai ist dieses Jahr beides gescheitert.
7.Shanghai Biennale, Shanghai Fine Arts Museum, 9.9.-16.11.2008
ShContemporary, Messezentrum Shanghai, 10.-13.9.2008
Showcase Singapore, Town Hall, Singapur, 9.-12.9.2008
publiziert in: Die Presse, 19.9.2008