8.Art Dubai 2014

22. Mrz. 2014 in Kunstmesse

 

8. Art Dubai 2014 at Madinat Jumeirah

Warum hat Ihre Regierung Panzer gekauft?Diese und weitere Fragen stellte eine ZDF-Reporterin Abdulnassar Gharem letztes Jahr in Venedig. Gharem ist Superstar der jungen Kunstszene am Golf, aber auch Lieutenant der saudi-arabischen Armee. In Venedig wollte er nur über seine Kunst reden. In Dubai jetzt erzählt er von dem Interview. Denn dort zeigt er in der Ayyam Gallery neue Werke und im zentralen Bild sind inmitten des bunten Ornaments eben diese Fragen versteckt, kombiniert mit einem Panzer, aus dem eine Sonnenblume erblüht. Klingt platt?

Abdulnasser Gharem, Ayyam Gallery, März 2014

Mag sein. Aber die Mengen von Menschen, die sich zu den Eröffnungen im Galerienzentrum DIFC drängelten, sollen diese Bildsprache verstehen, in der Gewalt durch Schönheit entschärft wird, in der Kunst von Aufbruch erzählt und ein neues Selbstverständnis aufbaut.

Dubai, Eröffnungsabend DIFC

Gharems Bilder sind aus Stempeln gefertigt, aus tausenden kleinen Teilen zusammengesetzt, die alle einen Abdruck hinterlassen können. „Awakeness“ nennt er seine Ausstellung und geht so weit, dass er mit seinen Bildern zur Wiederherstellung des „wirklichen Islam“ und gegen religiösen „Extremismus“ beitragen möchte.

Es sind solche Werke, die gesellschaftliche Veränderungen widerspiegeln, die den Kunststandort Dubai so spannend machen. Die Stadt am Golf hat sich zum Kunstzentrum der Region entwickelt, hier leben immer mehr Künstler, hier eröffnen immer mehr Galerien und hier findet eine der spannendsten Kunstmessen statt. Nirgendwo sonst konnte man sich in den letzten Jahren so umfassend über die radikalen Entwicklungen in der Kunst der arabischen Länder informieren und das atemberaubende Tempo der Veränderungen beobachten wie auf der Art Dubai.

 

Pressekonferenz Art Dubai 2014

Als die Messe 2007 begann, waren Galerien, Publikum und Kunst vorwiegend westlicher Herkunft. Kunst der Region? Unbekannt und ungefragt. Als die Galerie Athr aus Jeddah 2008 erstmals teilnahm, interessierte sich nahezu niemand für saudi-arabische Kunst. Nur sechs Jahre später ist es genau umgekehrt: Während Athr überrannt wird und nahezu ausverkaufen konnte, kann die New Yorker Galerien Barbara Gladstone mit Ugo Rondinone, Boetti und Shirin Neshat niemanden anlocken. Ohne junge Kunst der Region, das muss hier jede Galerie erfahren, geht nichts, denn die Sammler aus Kuwait, Irak, Iran und Indien interessieren sich nicht für Art Basel-Kunst. Werke von Ahmed Mater (Saudi Arabien; Athr Gallery), Hajra Waheed (Indien; Experimenter) oder Alfred Tarazin (Libanon; Galerie Krinzinger) dagegen sind sofort verkauft.

Haegue Yang at Art Dubai

Mit dem zunehmenden kommerziellen Erfolg der Kunst dieser Region geht aber leider auch Harmlosigkeit einher. Auf dieser 8. Ausgabe sind erstmals kaum Werke zu entdecken, die die herrschenden Zustände thematisieren, die auf die Konflikte reagieren oder so wie Gharem religiösen Fundamentalismus ansprechen. Manches mag kritisch sein wie die befremdlichen Skulpturen von Giorgi Khaniashvili im Länderschwerpunkt Zentralasien und Kaukasus – aber ohne ausführliche Informationen können wir den Ikonenhaften Kopf (Religion) und den Transgender-Körper (Homosexualität) kaum dechiffrieren. Ohne weitere ERklärung ersichtlich dagegen ist die erschreckende Hand des Vaters, die sich in der Holzskulptur einer trauten Familie in das Herz des Sohnes krallt.

Die Galerie in Georgiens Hauptstadt Tbilisi heißt „Windowproject“ und das ist zugleich Beschreibung: Statt eines Raumes dienen vier Schaufenster als Ausstellungraum.

Sektion Marker: Zentralasien und Kaukasus, kuratiert von Slavs & Tatar

Gut 500 Künstler stellen die insgesamt 85 Galerien heuer vor und eine auffallend große Anzahl kokettiert mit kulturell eindeutigen Bildelementen wie Arabesken und kalligraphische Zeichen. Diese bisweilen redundante Selbstvergewisserung entfaltet in der neu eingerichteten Sektion „Modern“ dann ganz unerwartete Aspekte.

Elf Galerien zeigen hier Werke aus der Zeit von 1940 bis 1980 – bzw. bis heute: die Galerie Albareh aus Bahrain präsentiert Rashid Al Khalifa. Der Minister für „Immigration and Passports“ ist Mitglied der königlichen Familie – und Maler, von Landschaften aus den 1960ern bis seinen aktuellen Abstraktionen. Aber diese farbenfrohen Werke sind die Ausnahme. Hier sind vor allem beeindruckende kunsthistorische Positionen zu entdecken: die Bilder von Zahoor ul Akhlaq (1941-´99), der aus der Miniaturmalerei das Element der Gitter isolierte und diese in strengen Verschachtelungen als Antwort auf die westliche Zentralperspektive entwickelte. Im Westen unbekannt, beeinflußt sein Werk bis heute maßgeblich die zeitgenössische pakistanische Kunst (ArtChowk, Karachi; ab 20.000,- $).

Sayed Sadequain, Gallery Aicon, New York

Oder Syed Sadequains (1930-´87) „Kalligraphischer Kubismus“, wie der pakistanische Maler seine frei über die Bilder tanzenden, zeichenhaften Formen in den 1960ern nannte (Aicon Gallery, New York; ab 220.000,- $). Vieles wirkt vertraut und fremd zugleich wie die poetischen Geometrien von Anwar Jalal Shemza (1928-´85)(Jhaveri Contemporary, Mumbai), der bereits in der Tate Sammlung vertreten ist. Allen Künstlern gemeinsam ist, dass sie Mitte des 20. Jahrhunderts zeitweise in Paris lebten. Aber der Westen als Mekka der Kunst, das spürt man hier auch heuer wieder deutlich, ist längst vorbei.

Antonia Carver, Direktorin Art Dubai

veröffentlicht in: FAZ, 22.3.2014