Die 8. Sharjah Biennale 2007 eröffnet unter dem Titel Still Life. Kunst, Ökologie und die Politk des Wandels – und: Es regnet. Das Wasser steht auf den Strassen, die wenigen Abflüsse reichen nicht aus – denn Regen ist in den Vereinigten Emiraten nicht eingeplant. Extreme Ausnahme oder Folge des globalen Klimawandels? Vielleicht wird sich ja die Wüste radikaler verändern als es die künstlichen Inseln, höchsten Hochhäuser und die neuen U- und Hochbahnen in Dubai, die Inselbesiedlungen in Abu Dhabi und die Strandanschüttungen in Sharjah ahnen lassen. Die Region ist jedenfalls massiv im Umruch: Gerade wurden die Museen Abu Dhabi Guggenheim und das Louvre Abu Dhabi für die Saadiyat Island verkündet, da eröffnet auch schon die Kunstmesse Art Dubai im Touristenparadies Dubai. Zwar noch bescheiden in Ausmaß und Verkaufserfolg, sind die Zeichen der Wüstenstaaten damit doch klar: Neben Luxus ohne Ende, den höchsten Hochhäusern und den künstlichsten Inseln setzen die Emirate jetzt auf Kunst und Kultur als neues Konsumgut. Dubai soll eine Oper und ein Museum für Zeitgenössische Kunst erhalten, seine Kunstmesse vergrößern und entwickelt gerade ein engagiertes Galerienviertel. In Abu Dhabi sollen bis 2012 fünf Museen und 19 Biennale-Pavillons fertig gebaut sein, noch dieses Jahr beginnt auch hier eine Kunstmesse. Neben all dem auftrumpfenden Kulturspektakel ist die 8. Sharjah Biennale nahezu bescheiden. Dabei ist es die bislang einzige, älteste und wichtigste Ausstellung in dieser Region.
Sharjah Art Museum 2008
Sharjah ist das drittreichste und mit 750.000 Einwohnern das drittgrößte Emirat, das in den späten 70er Jahren als Tourismusparadies entdeckt und bald darauf wieder durch das strenge Alkoholverbot von den Sonnensuchenden aufgegeben wurde – und das sieht man den betagten Hotels und Häusern auch an. Eine Zahl machte die Runde: Letztes Jahr kamen hierher nur 60.000 Gäste. Da hilft es offenbar nur wenig, dass Sharjah mit dem rekonstruierten Altstadtviertel, den 32 Museen und der 1993 gegründeten Biennale zur UNESCO-Kulturhauptstadt der arabischen Welt erklärt wurde.
Zumindest die Sharjah Biennale jedoch sorgt für eine zunehmende, internationale Aufmerksamkeit. Anfangs auf lokale Kunst konzentriert, brachte die junge Tochter des Herrschers, Sheikha Hoor Al-Qasimi, die in London Kunstgeschichte studiert, die Biennale 2003 erstmals auf internationales Niveau. Die folgende und jetzt die aktuelle stehen unter der Leitung des Palästinensers Jack Persekian. Die 7. Sharjah Biennale 2007 betitelte er mit „Belonging – Dislokation, Diaspora, Emigration, Dazugehörigkeit bzw. Ausgeschlossensein“. Jetzt zur 8. Sharjah Biennale ist die Selbstreflexion auf globale Dimension ausgeweitet: 79 KünstlerInnen produzierten großteils eigens für die Biennale Werke zu „Kunst, Ökologie und die Politik des Wandels.“
„Kunst, die berührt“ betitelte die Tageszeitung „Time Out“ ihren Bericht über die Biennale, und trifft damit den Tenor der Veranstaltung: Was geboten wird, sind keine Analysen, sondern eindrückliche Bilder. Zentraler Fokus: Zerstörung. Peter Fend thematisiert die Verschmutzung des Persischen Golfs, in Michael Rakowitz´ Wanddiagramm erfahren wir, dass von 30 Millionen nach zwei Golfkriegen nur 3 Millionen Dattelpalmen die militärischen Attacken der USA überlebt haben. In seinem zweiten, sehr bemerkenswerten Beitrag stehen viele kleine Objekte aus Pappe auf einem langen Tisch. Es sind Nachbauten von insgesamt über 7000 im Irakkrieg gestohlenen, zerstörten und verloren gegangenen Kunstschätzen aus dem Irakischen Nationalmuseum.
Huda Saeed Saif dokumentiert eine Bergregion in Sharjah, die als Stein- und Schuttmaterial abgeflacht wird, Lida Abdul erzählt mit poetischen Bildern von Zerstörung und Wiederaufbau in Afghanistan und Maha Mustafa präsentiert eine große, gefrorene Fläche, „Landscape Minus 37“, wo jede Berührung Spuren hinterlässt. Humorvoll greift Leopold Kessler die Vorgabe mit seinem Video eines Tauchers auf, der langsam über den Meeresboden schwimmt, bis er vor dem Fenster eines Unterwasserrestaurants endet – ein treffendes Bild für die menschengeformten Eingriffe in dieser Region. Auf das Dilemma, dass Biennalen als elitärer Kunsttourismus keineswegs ein ökologisches Vorbild sind, reagiert die mit Bus, Bahn und Schiff angereiste Tea Mäkipää mit ihren „10 Regeln für das 21. Jahrhundert“, die sich gegen Auto- und Flugverkehr, Plastikprodukte, Verschwendung und air condition aussprechen.
Aber an wen sind diese Regeln adressiert, wer besucht diese Biennale in der Wüste? Die Biennale ist Anschauungsunterricht für Schüler und Studenten, damit wird eine Kunstgeschichte begründet, eine Kunstszene geschaffen – denn hier wird nicht auf Kunst als Wirtschaftszweig gesetzt, sondern als Ausbildung und Potential für Veränderungen. Anders als in Dubai mit der Kunstmesse Art Dubai und Abu Dhabi mit dem ehrgeizigen Projekt von 5 großen Museen, geplant auf der Insel Saadiyat Island, zielen die Initiativen rund um Kunst und Kultur in Sharjah gleichermaßen auf die Bevölkerung und die Außenwahrnehmung. Was aber passiert, wenn die Nachbaremirate mit ihren Mega-Projekten die internationale und nationale Aufmerksamkeit abziehen? So einfach wäre es nicht, „man kann Kultur nicht kaufen“ antwortet die Prinzessin stolz darauf.
Sharjah Biennale, Expo-Center und Sharjah Arts Museum, 4.4.-4.6.2007