Auktionshäuser sind ein äußerst einträgliches Geschäft – für die Unternehmer. Sowohl Käufer als auch Verkäufer zahlen den Häusern vorab vereinbarte Prozentsätze der Verkaufspreise. Und dank des weitverbreiteten Glaubens an Kunst als Investitionsobjekt florieren die Versteigerungen prächtig.
Gerade wurde sogar ein Auktionshaus in Qatar gegründet. „AlBahie“ steht unter der Schirmherrschaft der herrschenden Al-Thani Familie und gehört den beiden Qatar-Sammlern Khalid Al Sulaiti und Sheikh Faisal AlThani. Geleitet wird es zwar von der französischen Kunsthistorikerin Corinne Lefebrve, aber „Albahie“ ist trotzdem das allererste im Nahen Osten gegründete, in dortigem Besitz befindliche Auktionshaus.
Am 5.4. kamen 238 Lots islamischer und orientalischer Kunst unter den Hammer, historische Manuskripte, arabische Bücher und Filmposter aus dem 20. Jahrhundert, aber auch Bilder und kleine Skulpturen von westlichen Künstlern, die wie eine eigenartige Selbstexotisierung erscheinen, etwa Georg Geyers Ansicht einer nordafrikanischen Stadt. Dazu historische Waffen, Gefäße, Schmuck oder viele syrische Möbel – eine Provenienz wird nirgendwo angegeben. Die Ergebnisliste ist auch nicht online.
Aber auch in Wien ist diese Woche ein neues Angebot am Auktionsmarkt hinzugekommen. Am 9.4. fand die erste „Art Modern“-Auktion der „Austria Auction Company“ (AAC) statt. Bekannt ist AAC für Teppichauktionen, denn Inhaber und Auktionator des 2013 gegründeten Hauses ist Udo Langauer, Teppichspezialist in dritter Generation. Der Käuferkreis für geknüpfte Kunstgegenstände sei international, aber überschaubar, erklärt er im Gespräch. Zwar galt ein ´echter Perser´ im Wohnzimmer lange als perfektes Zeichen für bürgerlichen Wohlstand. Zudem waren Teppiche ein lohnendes Investment, denn die Preise stiegen kontinuierlich. Aber Anfang der 1990er Jahre änderten sich die Voraussetzungen, seither verfallen die Preise drastisch, der Handel ist eingebrochen. Ware aus dem 20. Jahrhundert ist heute fast wertlos. Lukrativ sind nur noch historische Stücke in höchster Qualität.
Das Geschäft mit den antiken Stücken laufe zwar noch gut, er plane weiterhin zwei Teppichauktionen im Jahr, betont Langauer. Aber er habe im September letzten Jahres beschlossen, sein Geschäftsfeld auszuweiten – und was liegt da näher als die bildende Kunst, die dank der medialen Berichterstattung ja so wundersame Renditen verspricht? „Die Menschen haben Geld, wollen es anlegen – da ist Kunst vielversprechend,“ unterstreicht Langauer diese Ansicht. „Im Teppichhandel braucht es sehr viel Erfahrung, um die Preise für hohe Qualität einschätzen zu können,“ aber in der Kunst sei es dank des Internets und solcher Preisdatenbank wie die von Artnet oder Artprice viel leichter, sich einen Überblick zu verschaffen, bekennt Langauer freimütig. Außerdem sei das Feld der Auktionshäuser in Wien noch „krass unterbesetzt, auch wenn es schon einige gibt“: „In Frankreich sind es 2000 Auktionshäuser, in England ebenfalls rund 2000, in Deutschland um die 300, und in Österreich nur ganz wenige,“ erklärt er. Es sieht hier noch ein großes Potential für weit mehr Versteigerungen, da der Trend weltweit in diese Richtung zeige. Aber gilt das auch für das Feld der Kunst? Obwohl in Österreich in jedem Haus und auf jeder Kunstmesse Werke der immer gleichen Künstler angeboten werden? Auch in der ersten Auktion von AAC sind unter den 156 Losen natürlich Bilder von Arnulf Rainer, Hermann Nitsch, Hans Staudinger, Gunter Damisch, Herbert Brandl, Otto Mühl, Günther Brus – gibt es dafür überhaupt genügend Nachfrage? „Für Damischs Werke habe ich schon feste Angebote“, betont Langauer, „die sind nahezu verkauft“.
Diese Zuversicht erstaunt in Wien. Alle Galerie klagen, wie schwierig bis verschwindend gering der österreichische Markt für zeitgenössische Kunst sei. Ohne internationale Sammler und weltweite Messebeteiligungen sei das Geschäft kaum tragfähig. Gleichzeitig eröffnen immer mehr Auktionshäuser in Wien. Ob Dorotheum, Im Kinsky, Ressler, Hassfurther, Lehner oder das auf Fotografie spezialisierte WestLicht, dazu die Vertretungen von Sotheby´s, Christie´s und seit 2014 auch Artcurial – alle haben moderne und zeitgenössische Kunst im Angebot. “Österreich hat ein gewaltiges Potential an Kunstgegenständen“, erklärt Langauer diese Ballung. Wie will sich da ein weiterer Mitspieler erfolgreich positionieren? Langauer argumentiert mit seinen fairen Konditionen: AAC verlangt von den Käufern 24 Prozent auf den Hammerpreis. Im Dorotheum sind es 25 Prozent, im Nachverkauf 27 Prozent (bis 100.000 Euro); im Kinsky werden bis 300.000 Euro 26 Prozent verrechnet, im Nachverkauf sind es 30 Prozent bei Angeboten unter dem Mindestverkaufspreis vom Meistbot. Zudem verlange AAC keine Extrakosten für Katalog, Versicherung oder Lager. Er habe einmal den Fall erlebt, dass er für zwei unverkauft gebliebene Teppiche in einem großen Londoner Auktionshaus 2.700 Euro Spesen zahlen musste – so etwas werde es bei AAC sicher nicht geben. Auch für Fotografien im Katalog wird nichts berechnet – während das Kinsky dafür 100 bis 600 Euro (doppelseitig) nimmt. Der AAC- Katalog ist allerdings auch nur eine reine Auflistung ohne jegliche Erklärungen, die Frage der Provenienz wird durchgehend lapidar mit „Privatbesitz“ oder „Privatsammlung“.
Das zweite Argument sind die verführerisch niedrig angesetzten Rufpreise. Ein buntes Schüttbild von Hermann Nitsch aus dem letzten Jahr ist auf 35.000 bis 45.000 Euro geschätzt und wird mit 22.000 Euro ausgerufen; das Vintage-Foto „Hochzeit“ von 1965 des Aktionisten-Meisters Rudolf Schwarzkogler wird mit 1.400 ausgerufen und ist auf 2500 bis 3000 geschätzt, ein frühes Silbergelatine-Foto von Günter Brus kommt sogar mit nur 1100 Euro zur Versteigerung. Denn darauf legt Langauer großen Wert: Seine Kunstauktionen sollen mit niedrigen Einstiegspreisen ein junges bzw. frisches Käuferpublikum anlocken. Obwohl ein Verkauf unter 1000 Euro eigentlich keinen Gewinn bringen kann, finden sich viele Lose weit darunter, etwa das kleine, auf „Anfang des 20. Jhdt.“ datierte Ölbild von Bertha Czegka. Es zeigt Männer und Frauen, die sich auf einer Parkbank ausruhen. Über Czegka ist außer ihrem Geburtsjahr 1880 in Feldkirch kaum etwas bekannt. Dementsprechend niedrig ist der Rufpreis: 300 Euro. Noch günstiger ist der durchaus renommierte deutsche Künstler Georg Karl Pfahler, dessen Serigrafien auf Karton von „ca. 1970“ mit 150 Euro ausgerufen werden.
Eine solche Preispolitik ist ein interessantes Argument. Aber wie kann ein im Teppichhandel geschulter Spezialist eine Auktion für zeitgenössische Kunst zusammenstellen? Dafür ist der Experte Erich Gabriel zuständig, Inhaber des Antiquitäten- und Kunsthandels Gabriel in der Singerstraße, gleich neben dem Standort von AAC im zweiten Stockwerk des prächtigen Palais Breuner. Unterstützt wird Gabriel von dem in Linz lebenden Künstler Lorenz Estermann, der als freier Mitarbeiter geführt ist und dessen Werke auch ab 1000 Euro in der Auktion zu erwerben sind. Aber birgt diese offensive Preispolitik nicht die Gefahr, den Markt für die Künstler zu zerstören? Diese Bedenken lässt Langauer nicht gelten: „Der Markt macht den Preis.“
veröffentlicht in: Die Presse, 10.4.2016