Ana Mendieta, Museum der Moderne, Salzburg

01. Apr. 2014 in Ausstellungen

Ana Mendieta mit Ohne Titel, Holzskulptur  1984-85, © The Estate of Ana Mendieta Collection, L.L.C., c: Galerie Lelong, Alison Jacques Gallery

Kunst mag zeitlos sein. Unsere Wahrnehmung von Kunst allerdings ist von der Zeit geprägt. Lange galt Ana Mendieta zwar als außergewöhnliche Künstlerin, aber ihr Werk wurde als esoterisch abgetan. Solange unsere ästhetischen Vorlieben von Reduktion und Rationalismus geprägt waren und Minimalismus die dominante Formensprache war, blieb eine intensive Beschäftigung mit Mendietas verstörendem Werk aus.

 

Ana Mendieta, Tree of Life, 1976, © The Estate of Ana Mendieta Collection, L.L.C.. c: Galerie Lelong, Alison Jacques Gallery

Wie auch sollte man eine Künstlerin einordnen, die ihre Körpersilhouette mit schwarzen Vodoo-Kerzen nachstellte und abbrennen ließ, oder die sich in Mexiko in ein offenes Grab legte und ihren Körper mit Blumen bedeckte, als würden die Pflanzen aus ihr herauswachsen?

Ana Mendieta, Bild von Yágul, 1973, Glenstone, © The Estate of Ana Mendieta Collection, L.L.C.. C: Galerie Lelong, Alison Jacques Gallery

Und die sich vorstellte, „dass die Natur meinen Körper in sich aufnehmen sollte, so wie sie dies auch mit den Symbolen vergangener Kulturen getan hatte.“ Aber es war nicht nur ihr Werk, auch ihr Tod war problematisch: Am 9. September 1985, kurz nach der Hochzeit mit Carl Andre, dem Meister des Minimalismus, starb sie durch einen Fenstersturz: gefallen, gesprungen, gestoßen – das konnte nie endgültig geklärt werden. Carl Andre wurde freigesprochen.

Ana Mendieta, Blut und Federn (#2), 1974, © The Estate of Ana Mendieta Collection, L.L.C., Courtesy Galerie Lelong, Alison Jacques Gallery

Lange polarisierte nicht nur ihr Werk, sondern auch ihr Tod. Mittlerweile sind aber der Markt und die Museen offen für diese außergewöhnliche Künstlerin und so beginnt Sabine Breitwieser ihre Amtszeit als neue Direktorin des MdM Salzburg jetzt mit einer großen Ausstellung dieser magisch-erotischen Werke – und wagt einen heiklen Dialog: Neben 150 Werken der kubanischen Künstlerin werden 300 hauseigene Arbeiten des Wiener Aktionismus präsentiert.

Ana Mendieta, Körperspuren, 1974, © The Estate of Ana Mendieta Collection, L.L.C., Courtesy Galerie Lelong, Alison Jacques Gallery

Aktionen ohne Publikum, obsessiver Körpereinsatz und Materialien wie Blut und Wasser mögen diesen Dialog nahelegen – aber liegen nicht Welten zwischen beiden Werken? Mendietas Kunst ist stark von ihrer Biographie geprägt: 1948 in Havanna geboren, musste sie mit 12 Jahren zusammen mit ihrer Schwester ihre Heimat verlassen. Ihr Vater war als Spion verhaftet worden, die Töchter sollten in den USA in Sicherheit leben – was für sie Waisenhäuser und Pflegefamilien bedeutete. „Meine Kunst kommt aus der Wut und der Entwurzelung“, erklärte sie einmal. Den Leuten im Mittleren Westen sei sie als „Mythos der heißen Latina, aggressiv und irgendwie böse“ erschienen, was sie „rebellisch“ werden ließ, erinnerte sie sich. An der Hochschule in Iowa lernte sie Arbeiten von Vito Acconci, Allan Kaprow und Bruce Nauman kennen. Aber „die Männer standen alle auf Konzeptkunst und machten Sachen, die sehr clean waren.“ Sie dagegen setzte ihren nackten Körper ein, benutzte Blut, beschäftigt sich mit indigenen Kulturen und spirituellen Traditionen, spielte mit Magie, „Eros, Vergnügen, Leben und Todessehnsucht“. Meist sind es flüchtige Werke, in nassen Sand gezeichnete Abdrücke ihres Körpers, in weichen Kalkstein geritzte oder mit Feuer gebrannte schematische Formen, die an archaische Götterstatuen erinnern. Von Anfang an dokumentierte sie jede ihrer faszinierenden „Tableaus“ oder „body sculptures“, schoss eine ganze Filmrolle und wählte dann präzise eine Fotografie für die Ausstellungen aus.

Ana Mendieta, Mit Blut bedeckte Urmutter, 1981, (Felsgravierungen, © The Estate of Ana Mendieta Collection, L.L.C., Courtesy Galerie Lelong, Alison Jacques Gallery

Lässt sich diese magisch-poetische Selbstsuche, die Sehnsucht nach einer Unmittelbarkeit des Lebens bruchlos mit den Inszenierungen der chauvinistischen, männlichkeitsverliebten Wiener Aktionisten vergleichen? Wie problematisch die Nähe ist, war Breitwieser wohl bewusst, weswegen sie eine Puffer-Zone einfügt. Werke von Friederike Pezold, Valie Export, Renate Bertlmann mildern das Aufeinanderprallen und versuchen, die Gemeinsamkeit auf den Aspekt der körperbezogenen Kunst herunter zu brechen und „ein neues Frauenbild“ dazwischen zu stellen. Aber darum ging es Mendieta nicht, was Breitwieser sehr wohl weiß, zeigte sie die Künstlerin doch bereit im Jahr 2000 in einer Gruppenausstellung in der Wiener Generali Foundation. Nicht Lust und Schmerz wie die Aktionisten, nicht feministische Befreiungsversuche wie in der Pufferzone sind Mendietas Themen, sondern Bilder, „die Kraft ausstrahlen“ und „magisch“ sein sollten, Bilder voller Leidenschaft, Unmittelbarkeit, Todessehnsucht – Themen, die übrigens im Prozess gegen Carl Andre zu seinem Freispruch führte.

Ana Mendieta, oT, 1982, Bleistift auf Blatt des Balsamapfelbaumes (Clusia major), © The Estate of Ana Mendieta Collection, L.L.C., Courtesy Galerie Lelong, Alison Jacques Gallery

Museum der Moderne Salzburg, Ana Mendieta, Im Dialog: Wiener Aktionismus, 29. März – 6. Juli 2014