Gerade meldet Artnet, dass der holländische Kunstinvestor Bert Kreuk den dänisch-vietnamesischen Jungstarkünstler Danh Vo auf 898.000 Euro verklagt. Vo hätte ein Werk zu der Ausstellung seiner Sammlung „Transforming the Known“ beisteuern sollen, die im September 2013 im niederländischen Hague´s Gemeentemuseum zu sehen war.
Der Wert des nicht gelieferten Werkes: 270.000 Dollar. Aber zusammen mit der Wertsteigerung und noch dazu der Schaden an seinem eigenen Ruf macht in Kreuks Rechnung mehr als den doppelten Wert aus. Vo könne ihm auch einfach das Werk liefern, sagte er – aber der Künstler will nicht. Zu Recht: 11 Werke wanderten zwei Wochen nach Ausstellungsende gleich ins Auktionshaus zu Sotheby´s.
Was ist passiert, dass ein Kunstkäufer einen Künstler verklagt – ist die klassische Rolle nicht eher die eines Unterstützers? Der belgische Sammler Alain Servais kategorisierte Kreuk einmal als einen „Artflipper, giftiger noch als Stefan Simchowitz“. Artflipper sind eine noch junge Erscheinung des Kunstmarktes, die Kunst als Spekulationsobjekte kaufen und verkaufen. Der in den USA lebende Simchowitz, Hollywoodproduzent und Mitbegründer einer Firma für Bildlizenzen, gilt als der „Inbegriff des Spekulanten-Sammlers“, wie es Jerry Saltz in der deutschen Kunstzeitung Monopol schrieb – wobei ´Sammler´ nicht mehr passt. Denn Simchowitz sammelt nicht, sondern investiert. Und verkauft. Er habe ungefähr 100 Kunden, behauptete er einmal, darunter Filmstar Orlando Bloom oder Internetunternehmer Sean Parker. Jerry Saltz, einer der bekanntesten und einflußreichsten Kritiker New Yorks, zitiert Simchowitz: „Es gibt viele Galerien, die nicht gerne an mich verkaufen, aber im Moment haben sie kaum eine andere Wahl. Mein Umsatz ist einfach zu groß … Jeder Versuch, sich in diesem System gegen mich durchsetzen zu wollen, würde sowohl sie als auch die Künstler ersticken, weil sich durch die derzeitige Dynamik neue Mitspieler im Netzwerk tummeln – und ich manage das Netzwerk.” Saltzs Beschreibung von Simchowitz´ Kunstgeschmack: „Wie jeder andere mittelmäßige Sammler mag Simchowitz Kunst, die wie andere Kunst aussieht. Hier also wie leichtverdauliche akademische Abstraktion.“
Tatsächlich ist der Einfluss der Spekulanten immer größer im Kunstmarkt, denn die „neuen Mitspieler“ bringen neue Methoden mit. Lange basierten die Verkaufsargumente auf einer ausgewogenen Mischung von formalen und inhaltlichen Aspekten der Werke, dem Glauben an Entwicklungspotential und Innovationskraft. Investoren dagegen glauben an die Kraft der Zahlen – woraus wohl auch die verrückte Klage Kreuks resultiert. Die quantifizierbare Einschätzung von Kunst ist noch jung und erst durch die Kombination von Auktionshäusern mit dem Internet möglich. Denn erst durch die transparenten und einfach zu erhaltenden Daten über Auktionsergebnisse sind Gewinnrechnungen möglich. Die „Art Media Agency“ – kurz AMA – verschickt jeden Monat ein pdf mit solchen Daten zu einzelnen Künstlern, wozu Verteilungen der Werke in Ausstellungen, Erwähnungen in der Presse, je Sprache, vor allem natürlich Diagramme zu Auktionslosen und Preisentwicklung gehören. Dieser Glaube an eine Quantifizierung von Kunst wird auf der Internet-Seite artrank.com auf die Spitze getrieben. Sechs Reihen mit je 10 Künstlern sind da aufgelistet: „kauf jetzt für weniger als 10.000 $“, „weniger als 30.000“, „weniger als 100.000 $“, „frühe Blue Chips“, „jetzt verkaufen“, „liquidieren“. In der dritten Kategorie ist der in Österreich lebende Christian Rosa gelistet, wie viele andere dieser Liste ebenfalls zugehörig zur Kategorie ´leichtverdauliche Abstraktion´. „Liquidiert“ werden soll laut dieser Empfehlungen Oscar Murillo, der nach nicht einmal fünf Jahren als Investorenliebling offenbar den Höhepunkt als Gewinnbringer überschritten hat. „Geld frisst Kunst. Kunst frisst Geld“ betiteln Markus Metz und Georg Seeßlen ihr Buch (Suhrkamp), in dem sie diese Entwicklung von Kunst als Asset beschreiben. Wohin diese Entwicklung führt, ist noch nicht abzusehen. Die „private sales“ von Sotheby´s gingen jedenfalls heuer im ersten Halbjahr um die Hälfte zurück: Waren es 2013 noch $ 561 Mio., sank die Summe 2014 auf $ 294. Der Kommentar von William Ruprecht, CEO von Sotheby´s dazu: “It’s a chunky and unpredictable business” – und das gilt offenbar ganz besonders für Geschäfte mit Artflippern.
veröffentlicht in: Die Presse, 14.9.2014