Artforum Berlin + Preview
Braucht Berlin eine Kunstmesse? Diese Frage hört man immer wieder. Reicht nicht das Gallery Weekend und ähnliche, über das Jahr verteilte Anlässe, um den Kunstmarkt der bundesdeutschen Hauptstadt anzukurbeln? Mit der Eröffnung der diesjährigen „artforum berlin“ ist die Antwort jetzt klar: Ja. Diese Messe ist wichtig. Denn so überzeugend die gemeinsamen Wochenenden der Galerien sind, so wenig können sie doch diese bunte Schar von Gästen anlocken, die jetzt durch die Messe-Gänge schlendern. 40.000 Besucher werden erwartet, darunter das geladene Eröffnungspublikum, aber auch täglich mehrere Schulklassen – der Schritt in eine Messe fällt noch immer leichter als in die stillen white cube-Räume der Galerien.
Und was geboten wird, bestätigt die Entscheidung einer Kunstmesse für Berlin noch weiter. Denn die „artforum berlin“ setzt auf Konzentration. Nur mehr 110 statt vorher 130 Galerien sind zugelassen, verteilt auf nur noch zwei statt drei Hallen. Dafür ist der Sektor Focus jetzt dank der unkonventionellen Standarchitektur des britischen Büros Spread Design perfekt als Inseln mitten in die Hallen integriert. Leicht schräg gestellt und ohne Teppichboden, zeigen die 26 Galerien ein durchwegs überzeugendes, junges Programm, lassen auch mal Wände unbenutzt und geben den erfreulich vielen Skulpturen großzügig Raum. Neu ist auch die – günstigere – Variante der Einzelpräsentationen. 17 Galerien entschieden sich dafür, darunter auch drei aus Wien, Nächst St. Stephan mit Isa Melsheimer, Krinzinger mit Martin Walde und Insam mit Peter Weibel. Yvon Lamberts Installation von Douglas Gordon aus Videos, sechs Vitrinen und Feuerzeichnungen konnte sofort für 500.000,- Euro an einen Schweizer Sammler verkauft werden.
Aber solche hochpreisigen Verkäufe sind die Ausnahme. Die meisten Werke gingen in der Spanne zwischen 5000-50.000,- Euro weg, Ralf Ziervogels filigranen Zeichnungen für 3000,- Euro (Galerie Arndt) oder auch alle drei Editionen von Jeppe Heins „Dreidimensionalen Kreis“ für je 50.000,- (Johann König). Zu entdecken gibt es immer etwas, aber Trends können keine abgelesen werden, denn: „Der Trend ist, dass es keinen Trend gibt,“ erklärt Peter Vetsch, seit 2009 zusammen mit Eva-Maria Häusler Messeleiter der artforum berlin. Das bestätigt sich auch auf der kleinen Satellitenmesse „Preview“. Schön übersichtlich zeigen 60 Galerien in der Halle 2 des aufgelassenen Flughafen Tempelhof ihr Programm, das von kleinen Farbflächen des legendären Popliteraten William S. Burroughs (Galerie Riflemaker, London, für 4.000,- Euro) bis zu den verblüffend realistisch aussehenden, gesprayten Häusern auf Pappkartons von Evol (Wilde Gallery, Berlin, ab 7000,-) reicht.
Was auf beiden Messen allerdings noch fehlt, ist die geballte und einzigartige globale Breite von Berlins Kunstszene. Warum dominieren noch immer die deutschsprachigen Ländern statt das gerade in Berlin die Messe(n) die rasanten Entwicklungen lateinamerikanischer, arabischer, asiatischer Kunst widerspiegeln? Die artforum sei „zu klein für exotische Galerien“, erklärt das Leitungs-Duo. Schaut man sich allerdings nicht das elitäre geladene, sondern das junge Messe-Publikum an, so kann schon längst nicht mehr von ´exotisch´ gesprochen werden. Da ist der Mut der Galerien gefragt. Und auch dafür braucht es eine Kunstmesse in Berlin.
Artforum Berlin, 7.-10.2010, Palais am Funkturm, Messegelände Berlin; tägl. 12-19 Uhr
veröffentlicht in: Die Presse, 9.10.2010