Auftragskunst: Danh Vo, Ibrahim Mahama, Anish Kapoor

28. Sep. 2015 in Kunstmarkt

Anish Kapoor, Dirty Corner. Foto Fabrice Seixas

Anish Kapoor, Dirty Corner. Foto Fabrice Seixas

Seit der Jahrtausendwende ist ein neues Phänomen auf dem Kunstmarkt zu beobachten: die Rückkehr der Auftragskunst. So alt diese Tradition ist, so unerwartet führt es zunehmend zu Konflikten. Früher suchten vor allem Päpste und Fürsten die Dienste von Malern, ein fixer Auftrag versprach die notwendige Sicherheit, um die Mitarbeiter im Atelier zu bezahlen und die oft Jahre dauernde Zeit bis zur Vollendung des Werkes zu finanzieren. Dann aber brachen die Künstler der Moderne mit diesem Prinzip. Aufträge galten mit den Avantgarde-Bewegungen als verpönt. Die Impressionisten malten nach eigenem Belieben Bilder direkt in der Landschaft und stellten manche dann in den Salon zum Verkauf aus; die Dadaisten und noch deutlicher die Künstler des Fluxus verweigerten mit ihren unkonventionellen Werken und Auflagenobjekten gänzlich den Markt. Sie waren ja Vorreiter, die weit entfernt vom Establishment neues Terrain erkundeten. Interessanterweise übernahm bald darauf der Kunstmarkt das Geschäft, mit Galerien und Kunstmessen.

Quelle: Aachener Zeitung

Quelle: Aachener Zeitung

Das konnte einige Jahrzehnte weitgehend unkompliziert praktiziert werden. Aber seit der Jahrtausendwende hat sich die Situation geändert. Der Markt wird immer globaler, immer mehr Geld fließt hinein, die Idee der Avantgarde ist von Kunst als Geschäft abgelöst. Damit gehen zunehmend Probleme einher, und dies vor allem, wenn es sich um konkrete Aufträge handelt. Als Gerhard Richter 2010 den Kölner Ex-Oberbürgermeister malte, argumentierte er, ein Auftrag sei „das Gegenteil von freiem, autonomen Künstlertum“ und würde ihn daher interessieren. Während das reibungslos verlief, endete ein anderer Auftrag vor Gericht. Wie bereits berichtet, wollte der Kunstinvestor Bert Kreuk von Danh Vo ein neues, großes Werk für eine „Sammlungsausstellung“, die er in einem Museum zeigte – und anschließend verkaufte. Danh Vo gab nur ein kleines Werk, Kreuk bestand auf einem Hochpreisigen, verklagte den Künstler und bekam vom Gericht Recht zugesprochen. Das Urteil sieht nun vor, dass Vo innerhalb eines Jahres ein Werk im Wert von 350.000,- Euro liefern muss. Aber die Geschichte geht weiter: Vo fand einen kreativen Ausweg. Er schlug eine Wandarbeit mit einem drastischen Zitat aus dem Film „Der Exorzist“ vor, „Shove it up your ass, you faggot“ (etwa: Schieb es dir in den Arsch, Du Schwuchtel). Der Artflipper lehnte den Vorschlag als „kindisch“ ab.

Ibrahim Mahama, 56. Biennale Venedig

Ibrahim Mahama, 56. Biennale Venedig

Konfliktreich endete auch eine andere Kooperation zwischen einem Artflipper und einem Künstler. Es geht um 294 signierte Jute-Säcke, mit denen Stefan Simchowitz den ghanaischen Künstler Ibrahim Mahama beauftragte – und der die Säcke nachträglich als „not my work“ ablehnte. Der in Los Angeles lebende Artflipper hatte damit das große Geschäft machen wollen, hatte Mahama 150.000 Dollar gegeben und erhielt Werke im Wert von 4.5 Millionen Dollar. Auch dies wurde vor ein Gericht getragen, diesmal gewann der Künstler. Denn nahezu nichts war von Mahama, nahezu alles von den Klägern ausgeführt worden. Interessant ist Simchowitz´ Reaktion: Kunst billig einkaufen und teuer weiterzuverkaufen ist in seinen Augen nicht amoralisch, denn Kunst sei ein Geschäft wie jedes andere auch.

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Trifft das zu? Nein. Kunst ist kein Handwerk, Kunstwerke keine Produkte, die in einem Service-Verhältnis zu liefern sind. Spätestens seit der Moderne sind es autonome Werke mit dem Recht der künstlerischen Freiheit – und genau das kollidiert zunehmend nicht nur mit Profitgier, sondern auch mit Fragen der Zuständigkeit. Das wurde gerade auch im französischen Schloss Versailles deutlich: Wie berichtet, wurde vor zwei Monaten Anish Kapoors Skulptur „Dirty Corner“ gleich nach der Eröffnung mit Farbe beschmiert. Der sechzig Meter lange Trichter liegt mitten in der zentralen Achse des Schlossparks in einem Bett aus 500 Tonnen Steinbrocken, ein Gegenstück zur Ordnung des Parks, eine Inszenierung der Unordnung, des Verborgenen, des Sexuellen. Die Franzosen nannten das Werk schnell die „Vagina der Königin“ und sahen es als Beleidigung an. Irgendwer drückte seinen Ärger mit einem Graffiti aus. Kapoor ließ die Beschmierung entfernen. Jetzt wurde die Skulptur erneut Ziel von Vandalismus, diesmal mit antisemitischen Aufschriften. Als Kapoor sich den Schaden ansah, beschloss er, die Skulptur diesmal „aus pädagogischen Gründen“ nicht zu reinigen.

Aber antisemitische Äußerungen im öffentlichen Raum sind in Frankreich per Gesetz verboten. Da Kapoor das Werk im Auftrag von Versailles schuf, gehört es nach wie vor ihm – daher forderte die Betreibergesellschaft des Schlosses vom Künstler die Entfernung, die ein Gericht jetzt bestätigte. Zwar richtet sich das Urteil nicht explizit an ihn, sondern an Catherine Pegard, Präsidentin des Schlosses. Aber die Situation ist verfahren genug, dass Kapoor einen Ausweg finden musste. Am 23.9., kurz nach Eröffnung seiner Ausstellung im Jüdischen Museum in Moskau, schrieb er ein Statement und entschied sich für eine kreative Antwort. Jetzt lässt er die „rassistischen Botschaften“, wie er es nennt, mit Blattgold überkleben. Das Gold auf Trichter und Steinen ist eine interessante Reminiszenz an den Prunk des königlichen Schlosses. Man erkennt darunter noch deutlich die Graffiti-Spuren, auch hier bricht offenbar eine ´dunkle Seite´ heraus – eine passende Verdoppelung der Grundidee von „Dirty Corner“!

Mit dieser Entscheidung übernehme er wieder die Kontrolle über sein Werk, erklärte er, und transformiere etwas Gewalttätiges in etwas Schönes. In seinem Statement formuliert er zudem unmissverständlich: „Kunst, Freiheit des Ausdrucks und öffentliche Debatten werden triumphieren; wir werden es nicht erlauben, dass Bigotterie sich breitmacht.“

veröffenticht in: Die Presse, 27.9.2015