Bad Gastein: 14. Sommer.Frische.Kunst

26. Jul. 2024 in Kunstmarkt

Erwin Wurms Fahnen vor dem Wasserfall in Bad Gastein, 14.Sommer.Frische.Kunst. Foto: Erwin K. Bauer

Zur 14.Ausgabe der Sommer.Frische.Kunst in Bad Gastein wehen am berühmten Wasserfall die Fahnen.

Zur Belle Epoque am Ende des 19. Jahrhunderts zog es die Städter hinaus aufs Land. Vor allem Adelige und Künstler verbrachten gleich mehrere Monate in ihren Landhäusern. Und das gesellschaftliche Leben zog mit ihnen. Das war der Beginn der Sommerfrische. Zwei Weltkriege später verfielen viele noble Domizile, wichen Ferienhäusern und ließen verödete Dorfkerne zurück. Nur wenige prächtige Villen oder Grand Hotels erinnern noch heute daran. Seit einigen Jahren aber entdecken engagierte Kuratoren den Reiz der Sommerfrische neu. Das alte Konzept zum Titel erhoben hat die „Sommer.Frische.Kunst“ in Bad Gastein, die heuer zum vierzehnten Mal stattfindet.

Bad Gastein als Zentrum der Kunst?

Der Name stammt vom lokalen Tourismusamt, die damit an die Tradition anknüpfen. Berühmt ist der Kurort südlich von Salzburg für seine Heilquellen, von den 23 bekannten sind derzeit 13 genutzt. Einst weilte hier Kaiser Wilhelm und Kaiserin Elisabeth, heute kommen vor allem Tagestouristen. Darum schließt auch das Cafehaus vom legendären Staubinger Hotel am viel zu stark befahrenen Hauptplatz schon um 18 Uhr. Aber sechs Wochen im Sommer ist der kleine Ort lang ein Zentrum der Kunst – inklusive einer Boutique-Kunstmesse. Organisatorin ist Andrea von Goetz. „Als ich angesprochen wurde, hier ein Kunstprojekt zu starten, gab es noch extrem viel Leerstand“, erinnert sie sich. Sie lebt in Hamburg und kommt seit 2007 zum Skifahren hierher.

Schräge Charme von Bad Gastein

Der „schräge Charme“ des Ortes habe sie begeistert, erzählt sie im Gespräch. Sie beschloss, den Leerstand zum Konzept zu erheben. Aufgelassenen Ladenlokalen dienten die letzten Jahre als Ausstellungsräume. Das ehemalige, fast verfallene Kraftwerk gleich neben dem berühmten Wasserfall wurde für Residenz-Aufenthalte renoviert. Bis heute seien 200 Künstler hier gewesen, darunter viele Junge, aber auch Arrivierte wie Jonathan Meese oder Jorinde Voigt, betont sie stolz.

Mini-Boutique-Kunstmesse

Schon von Beginn an habe sie auch eine Kunstmesse veranstalten wollen. Heuer findet art:badgastein zum dritten Mal wieder in dem Kraftwerk statt. Acht Galerien nehmen teil, darunter der Berliner Kai Erdmann: „Wir verbinden Kunst und Wandern“, erklärt er seine Motivation. Die Hamburger Galeristin Carolyn Heinz ist seit Beginn dabei und hat immer gut verkauft, auch an das Grand Hotel Straubinger. Auch der Wiener Cornelis Zeller van Almsick ist Stammkunde und mit den Verkäufen bisher zufrieden. Die Preise sind auch kundenfreundlich niedrig. Eine Woche lang ab dem 13. Juli läuft die Messe. Die Besucher kommen meist gezielt, zum Festival-Eröffnungswochenende reisen laut von Goetz rund 400 Gäste an. Tagestouristen verirren sich nur selten auf die Messe.

Kunstfahnen

Insgesamt kommen rund 4000 Besucher zu den verschiedenen Veranstaltungen des Festivals, sagt die Organisatorin. Ende Juli wird noch ein „Masterclass Weekend“ in Kooperationen mit Kunsthochschulen stattfinden. Da es kaum mehr Leerstände gibt, verlagern sich die Projekte heuer zunehmend in den öffentlichen Raum. Schon früher konnten verstreut einige Werke installieren werden, wie Kazunori Kuras bootsähnliche Skulpturen in Sportgastein auf 1590 Meter Seehöhe, oder Olaf Holzapfels monumentale Skulptur „Harfen“, die von den zum Heutrocknen gebauten Heuharfen inspiriert ist – und heuer leider nach drei Jahren wieder abgebaut wird. Herzstück der 14. Ausgabe sind jetzt 40 Kunst-Fahnen, die im Ort bis hinauf in die Berge flattern. „Die sind einfach zu montieren und wir können bestehende Holzmasten nutzen“, erklärt von Goetz. Dafür arbeitet sie mit dem Wiener „museum in progress“ zusammen, die seit 1990 ungewöhnliche Orte für Kunst adaptieren, darunter den Eisernen Vorhang in der Wiener Oper. Auf der beliebten Brücke über dem tosenden Wasserfall mitten im Ort wehen gleich vier Fahren von Erwin Wurm. Bei viel Wind kann man darauf vier Worte entziffern: Deep, Life, Hope und Dope. Bei genügend Wind, der hier neben der Kirche eher selten weht, kann man Olaf Nicolais Fahnen Streichhölzer erkennen.

Hyland Mathers Holzcollage im Zaun vor dem Abbruchgelände neben dem Hotel Mirabell. 14. Sommer.Frische.Kunst 2024. Foto: Erwin K. Bauer

Gleich dahinter klafft eine große Lücke im Stadtbild. Lange standen hier Häuser, die eine Investorengemeinschaft schnell und vorsorglich abreissen ließ. Das Abbruchgelände gehört zum ehemaligen Hotel Mirabell – eines der letzten Leerstände. Die meisten Hotels wurden in den letzten Jahren wieder in Stand gesetzt, manchein neue Fünf-Sterne-Hotels verwandelt. Nur weniges erinnert wie das heruntergekommene, teilweise verfallene Mirabell an den früheren morbiden Charakter des Kurorts. Die Investorengemeinschaft wollte es revitalisieren, was sich offenbar verzögert.

Anne Schneiders Liegende in Bad Gastein 2024. Foto: Andreas Reiter-Raabe

Das Abbruchgelände ist durch einen groben Holzverschlag geschützt. Ein Stück dieses Zauns hat der US-amerikanische Künstler Hyland Mather in Kooperation mit dem niederländischen Street Art-Museum STRAAT in eine geometrische Holz-Collage aus „verlorenen Objekten“ verwandelt. So nennt er die gefundenen Reststücke. Dahinter, fast versteckt in den Ruinen, stehen acht Skulpturen, Anne Schneiders schwarze „Liegende“ oder Andreas Reiter-Raabes „Pipes“. Es sind industrielle Kunststoffröhren, die er gruppiert und bemalt – eine „konzeptuelle Malerei“. „Sculptura due“ betitelt Reiter-Raabe die Ausstellung mit insgesamt neun Künstlern, die er als Ableger seines Wiener Ausstellungsraum „Gesso“ organisiert hat. Die Ausstellung gehört nicht zur „Sommer:Frische:Kunst“, erklärt von Goetz. Aber solche Initiativen könnten die Zukunft des Festival werden, überlegt sie – wenn „Sommer:Frisch:Kunst“ als Schirm weitere Aktivitäten bündelt – sie denkt dabei auch an eine temporäre Akademie. „Ich will aber auf die Qualität achten“, betont sie – und eines sei dabei immer wichtig: „Wir sind ein touristisches Projekt!“

Info-Box: „Sommer.Frische.Kunst“ läuft vom 12.7.-31.8. in Bad Gastein. In 13 Orte von der Südoststeiermark über das Burgenland bis Slowenien führt das „HochSommer“-Festival vom 1.-11.August, mit 16 offenen Ateliers und 13 Ausstellungen. Vom 13.7.-4.8. findet zum 14. Mal das Festival „Perspektiven Attersee“ statt, mit Kunst, Musik, Mode bis zu Schlaf-Veranstaltungen in leerstehenden Ladenlokalen.

veröffentlicht in: Die Presse, 21.7.2024