Frank Bowling + Jack Whitten bei Hauser & Wirth

24. Jun. 2022 in Ausstellungen

Installation view, ‘Frank Bowling. Penumbral Light’, Hauser & Wirth Zurich, Limmatstrasse, until 20 August 2022 © Frank Bowling. All Rights Reserved, DACS 2022. Courtesy the artist and Hauser & Wirth. Photo: Jon Etter

Installation view, ‘Frank Bowling. Penumbral Light’, Hauser & Wirth Zurich, Limmatstrasse © Frank Bowling. All Rights Reserved, DACS 2022. Courtesy the artist and Hauser & Wirth. Photo: Jon Etter

Mit Frank Bowling und Jack Whitten zeigen Hauser & Wirth Black Power – und zwei Höhepunkte des Zürich Gallery Weekened.
Ob auf der aktuellen Biennale Venedig oder im globalen Kunstmarkt – die Kunst von Schwarzen ist so gefragt wie nie zuvor. Seit zwei Jahren gibt es mit Black Art Auction sogar ein darauf spezialisiertes Auktionshaus in den USA. Auch beim Zürich Art Weekend war dieser Trend gerade zu beobachten. Der Wochenend-Parcours durch die besten Galerien der Stadt eröffnete perfekt terminiert drei Tage vor Beginn der Art Basel. Diesen prominenten Zeitpunkt nutzen zwei Galerien für Künstler, die erst seit wenigen Jahren wieder aus der Vergessenheit zurückgeholt werden. Gerade erst wiederentdeckt wird das Werk des Afroamerikaners Darrel Ellis, den die Galerie Bernhard zeigt. Ellis´ konzeptuelle Fotografie stand am Beginn, als der 1958 in der New Yorker Bronx Geborene mit nur 33 Jahren 1992 an Aids starb.

Installation view, ‘Jack Whitten’, Hauser & Wirth Zurich, Limmatstrasse, until 20 August © Jack Whitten Estate. Courtesy the Estate and Hauser & Wirth. Photo: Stefan Altenburger Photographer Zürich

Installation view, ‘Jack Whitten’, Hauser & Wirth Zurich, Limmatstrasse © Jack Whitten Estate. Courtesy the Estate and Hauser & Wirth. Photo: Stefan Altenburger Photographer Zürich

Bereits in einigen Sammlungen großer Museen angekommen und doch noch längst nicht berühmt sind die beiden schwarzen Maler Jack Whitten und Frank Bowling, die Hauser & Wirth mit großen Personalen vorstellt (bis 20. August). Das Schweizer Kunstimperium unterhält Räume in den USA, England, Hongkong, Spanien, Monaco und in der Schweiz. Allein in Zürich sind es drei Orte, zwei davon im Löwenbräu-Areal, einem Kunstzentrum nahe des Bahnhofs – und dort beeindrucken die Werke des afrikanisch-britischen Malers Frank Bowling (1934) und des Afroamerikaners Jack Whitten (1939-2018). Beide waren stark vom Abstrakten Expressionismus beeinflusst, gingen aber radikal eigene Wege – und blieben jahrzehntelang nahezu unbekannt.
Erst in den letzten Jahren wird ihr Werk gewürdigt, seither klettern die Preise im atemberaubenden Tempo hoch. Whitten war in der Bürgerrechtsbewegung aktiv, bevor er in den frühen 196ß0er Jahren nach New York zog und dort Kunst studierte. In Zürich sind jetzt 18 Frühwerk aus den späten 1960er Jahren zu sehen, etwa die Kleinformate mit pastos aufgetragenen Farben. Darin erkennt man kleine, spukhafte Köpfe, die aus irgendwelchen Untiefen aufzutauchen scheinen – er habe 1968 eine mentale Krise gehabt, wird uns zu diesen „Ghost Paintings“ erklärt. In den beiden abstrakten Großformaten deutet sich seine faszinierende Technik der Fragmentierungen und Überlagerungen von Bildschichten an, die in den 1970ern zu seinen „Skin Painting“ und zuletzt zu seinem ganz eigenen Mosaik-Stil führt: Gemälde, die aus Mengen kleiner Plättchen aus eingetrockneter Acrylfarbe oder von Alltagsobjekten abgegossenen Pigmentflächen bestehen. Dadurch wirken die Bilder weniger malerisch als objekthaft. Es sei lächerlich, Malerei als etwas statisches zu sehen, sagte er einmal, „wie alle organischen Strukturen ist auch Malerei in konstanter Bewegung“. Zwar sind die Mosaikbilder hier in dieser ersten Präsentation Whittens in der Schweiz – leider – ausgespart. Aber auch seine Frühwerke faszinieren mit ihren experimentellen Elemente wie den verschieden geformten Leinwänden. Nur die Hälfte der Werke steht zum Verkauf, die Preise liegen zwischen 300.000 bis 2 Millionen Euro.

Installation view, ‘Frank Bowling. Penumbral Light’, Hauser & Wirth Zurich, Limmatstrasse, until 20 August 2022 © Frank Bowling. All Rights Reserved, DACS 2022. Courtesy the artist and Hauser & Wirth. Photo: Jon Etter

Installation view, ‘Frank Bowling. Penumbral Light’, Hauser & Wirth Zurich, Limmatstrasse, until 20 August 2022 © Frank Bowling. All Rights Reserved, DACS 2022. Courtesy the artist and Hauser & Wirth. Photo: Jon Etter

Keinen Rückblick, sondern eine brandneue Serie zeigt Frank Bowling:  acht farbgewaltige, drei Meter hohe Bilder, bei denen das Licht aus der Leinwand heraus zu kommen scheint, so intensiv wirkt hier die Malerei. 1934 in Britisch-Guiana geboren, kam Bowling als 19jähriger nach London und wurde beim zweiten Versuch ins Royal College of Art aufgenommen. Zum Abschluss erhielt er die Silbermedaille für Malerei – Gold ging an David Hockney. 1962 zog er nach New York, dort kuratierte Bowlen 1969 die legendäre Ausstellung „5+1“ an der State University mit fünf abstrakten afroamerikanischen Malern, darunter auch Whitten. Aber sie vertieften den Kontakt offenbar nicht. Lange pendelte Bowling zwischen den beiden Städten hin und her. Migration und Geschichte werden immer wieder als zentrale Themen seines umfangreichen Werks genannt. Aber sein eigentliches Thema sei die Malerei, erklärte uns sein Sohn Ben bei der Führung in Zürich. Der hauptberufliche Kriminologe unterstützt seinen Vater in administrativen Aufgaben und zunehmend im Atelier. Denn Bowlings Malprozess ist aufwendig: Zunächst wird die Leinwand auf dem Boden liegend mit heißem Wasser durchtränkt, „um die Spannung zu brechen“, wie Ben erklärt. Dann wird Acrylfarbe, manchmal auch Metall-Pigmente aufgetragen, immer weitere Schichten folgen, bis die Leinwand langsam die Wand hochgezogen wird, wodurch die herabfließenden Verläufe entstehen. Hauptwerkzeug seines Vaters sei eine Wassersprayer, mit dem er vom Rollstuhl aus immer wieder an den Verläufen arbeite, betont Ben. Manchmal schleudere er Acrylgel auf die Leinwand, sogar Plastikspinnen oder Austernschalen klebt er auf. Immer geht es dabei um Malerei, die „Möglichkeiten der Farbe sind unendlich“, erklärte Frank Bowling seine Überzeugung einmal.
Bei beiden Künstlern fragt man sich, wieso ihr faszinierendes Werk erst jetzt, nach einem halben Jahrhundert intensiven künstlerischen Arbeitens, in Galerien und namhaften Museen gezeigt wird. War es Ignoranz, Überheblichkeit oder sogar eine bewusste Ausgrenzung von schwarzen Künstlern aus einem von Weißen dominierten Kunstmarkt? Oder waren die beiden Maler im Kunstbetrieb nicht aktiv genug vernetzt? Die Antworten darauf sind noch offen, aber ihre Position in der Kunstgeschichte ist mittlerweile fix – was sich auch im Kunstmarkt widerspiegelt: 900.000 Pfund pro Bild, waren Bowlings Werke in Zürich sofort verkauft.

veröffentlicht in: Die Presse, 19.6.2022