Christian Rosa – Fakten & Kritik

25. Jan. 2016 in Kunstmarkt

Christian Rosa

Christian Rosa

Christian Rosa ist einer der begabtesten Studenten, die an der Bildenden studierten,“ sagte Galerist Christian Meyer bei einer Podiumsdiskussion. Das löste eine spannende Diskussion aus. Denn das Werk des jungen Künstlers polarisiert. Die einen sehen seine Bilder als Beispiel von ´crapstraction´ – ein Neologismus, gebildet aus ´crap´(Mist) und ´abstraction´. Die anderen loben ihn als neuen Star in den Spekulationshimmel der Art Industrie hoch. Namhafte Galerien in Berlin und London zeigten sein Werk schon, jetzt eröffnete Rosa seine erste Ausstellung in Wien. „Now it´s over“ nennt er seine Personale in der Galerie Meyer Kainer.
Bekannt wurde der junge Künstler auf der Viennafair 2013. Eine ehemalige künstlerische Leiterin, die gleichzeitig als Galeristin arbeitete, pries ihn als große Entdeckung an. Bald galt Rosa als heißer Investitionstipp. Sein Name tauchte auf der artrank.com-webside auf. Dieser Service listet auf Algorithmen basierende Kauf- und Verkauf-Empfehlungen für Artflipper auf, also jene, die Kunst nur als Spekulationsobjekt kaufen. Betreiber dieses ´Art Ranking´ ist Carlos Rivera, Sitz ist in den USA – und das zeigt ein  Kuriosum von Rosas kometenhaften Aufstieg auf: Bei dieser Liste galt er als in Brasilien geborener Künstler mit Wohnsitz in Los Angeles – wo er tatsächlich, aber nur zeitweise lebt. Los Angeles: Das ist ein wichtiges Detail, denn Werke von in den USA lebenden Künstlern sind dort steuerlich absetzbar. Und die Kunden kauften. Denn schnell hatte sich der Mythos verfestigt, Rosa könnte ein zweiter Jean Michel Basquiat werden – jener schwarzamerikanische Künstler, der mit Andy Warhol befreundet war, 1988 mit 28 Jahren verstarb, zeitlebens nie eine institutionelle Ausstellung hatte und dessen Bilder heute auf Auktionen Millionenpreise erzielen.

Jean Michel Basquiat

Jean Michel Basquiat

Anders als Jean Michel Basquiat ist Rosa allerdings weder Andy Warhol begegnet noch ein berühmter Street Artist gewesen. Aber es ist ein Phänomen, denn nahezu nichts an seiner offiziellen Bioraphie entspricht den Fakten: Geboren ist er in Rio de Janeiro, allerdings nicht 1982, sondern Ende der 1970er. Er wuchs  in Wien als Christian Weinberger auf, studierte an der Universität für Bildende Kunst bei Daniel Richter – und wird an der Bildenden noch heute als Student geführt.
Und wie schaut´s aus mit den kunsthistorischen Analogien, die so gerne angeführt werden – erinnert seine Bildsprache an Basquiats expressiv-naive, oft collagenartige Werke mit einem oft übervollen Bildraum? Nein. Noch kurioser ist der bisweilen gezogene Vergleich mit den bahnbrechenden Bildern von Wassily Kandinsky, der die Idee eines „inneren Klangs“ in die Malerei brachte. Nicht einmal die gern bemühte Nähe zu Joan Miro hält, denn der spanische Künstler verzichtete nie gänzlich auf figurative Elemente, etwa die Symbole für Mond, Sterne, Vögel, Frauen. Rosas Leinwände dagegen sind großformatige Zeichnungen ohne jegliche Narration oder Figuration: In einem kalten, leeren Bildraum treffen Linien aufeinander, dazu ein farbiges Rechteck, ein paar Punkte, ein Farbfläche. Abstraktion halt, und die steht hoch im Kurs.

Wassily Kandinsky, 1923

Wassily Kandinsky, 1923

Joan Miro

Joan Miro

 

In kürzester Zeit zirkulierten Rosas Werke im Handel, gekauft für 20.000 bis 30.000 Dollar, schnell verkauft und versteigert für weit über 100.000,- Dollar. 2014 probierte Gagosian das Werk in der Filiale in Athen aus und 2015 folgte die erste Personale in der Londoner Galerie White Cube. Mittlerweile ist Rosas Name allerdings aus den ArtRank-Listen verschwunden, bei der Auktion im Juni 2015 im Dorotheum blieb sein auf 40.000 bis 60.000 Euro geschätztes Werk „Desert“ liegen. Warum zeigt die Galerie Meyer Kainer den Künstler jetzt, wo offensichtlich der Zenit überschritten ist? Es gebe keinen Zenit, Künstler können viele Karrieren haben, erwidert Christian Und außerdem: „Christian Rosa ist ein Star“. Er gehöre „zu den prominentesten Künstlern Österreichs“ und dies habe „als Nebeneffekt auch die internationale Wahrnehmung von Wien als Kunststandort verändert.“
Christian Rosa

Was also zeigt Österreichs Starkünstler in der Galerie? Eine nagelneue Bildserie: Die zeichenhaften Formen liegen jetzt manchmal auf ordentlichen Notenlinien, das kleine Rechteck ist bisweilen zum großformatigen, eigenständigen Bildteil geworden. Was fasziniert den Galeristen an diesem Werk, dieser puren, harmlosen Dekoration? Rosas Werk basiere auf keiner unmittelbaren kunsthistorischen Referenz, betont Meyer. Der Künstler „lässt es fließen, so, wie Musik fließt“. Daher müsse man das Werk auch wie Popkultur sehen, außerhalb jeder akademischen Tradition. Dazu passe auch Rosas Auftreten, gerne umringt von Freunden – und gerne aggressiv, muss man anfügen. In den Bildern ist von dieser Energie allerdings nichts zu sehen oder zu spüren. Alles wirkt wohl kalkuliert: Die kleinen Bilder für den schmalen Geldbeutel mit netten Kringeln und zwei Punkten darin (ab 7000,- Euro), die großen Bilder mit den Notenlinien und verteilten Formen darauf (ab 45.000- Euro). Schnell gemalt, mit einem beschränkten Formenvokabular, ohne Konzept, ohne emotionalen oder sinnstiftenden Gehalt, keine Bildtitel.

Christian Rosa, Diptychon

Christian Rosa, Diptychon

Galerist Meyer spricht von einer „Konzentration auf unwillkürliche Effekte, auf die Handschrift, auf eine Art Sound“ – aber so recht schwingen will in den Bildern nichts. Rosa selbst sagt übrigens gar nichts zu seinen Bildern. Die Bildelemente hat er sich nicht errungen wie Basquiat, Kandinsky und Miro, sondern wie in Eile zusammengetragen – immerhin begann seine Karriere ja auch erst vor zwei Jahren. In so kurzer Zeit entwickelte bisher kaum ein Künstler eine Bildsprache, die der Malereigeschichte etwas Namhaftes hinzufügen konnte – und Rosa gehört da definitiv nicht zu. Aber das stört Meyer keineswegs: „Rosa muss mit anderen Maßstäben gemessen werden,“ denn dieser Künstler sei „Pop-fähig“, sein Werk sei nicht von „seiner Ökonomie der Orientierung“ zu trennen: eine schöne Formulierung für die rund um Warhol erprobte Strategie, karrierefördernde Freundschaften zu betonen. Aber erklären diese „anderen Maßstäbe“ die irritierend hohen Verkaufspreise? Das ist ein reiner Markteffekt, Verdienst hat immer seltener etwas mit Leistung zu tun. Die Menschen würden schnell „hysterisch werden, wenn sie so hohe Preise zahlen,“ erklärt Meyer. Aber der Künstler habe nichts davon. Mit „Now it´s over“ meint Rosa übrigens einen „Neuanfang“, wie er sagt – wovon eigentlich?

Galerie Meyer Kainer, Wien, bis 27.2.2016

veröffentlicht in Die Presse, 24.1.2016