Jetzt hat er es geschafft! Begonnen hatte die Contemporary Istanbul (CI) 2006 als einzige Messe in Istanbul, damals noch zum unchristlichen Termin zu Weihnachten. Dann kam 2013 eine international angelegte Konkurrenz hinzu, die aber nach nur drei Ausgaben aufgeben musste. Auch die CI hatte damit zu kämpfen, dass die Galerien den Standort am Bosperus aufgrund der Terroranschläge, des gescheiterten Putschversuchs im Juli 2016 und der instabilen innenpolitischen Situation scheuten. „Wir verloren letztes Jahr 25 Verträge“, erzählte CI-Gründer Ali Güreli zur Eröffnung der diesjährigen Ausgabe. Alle wären pessimistisch über die Zukunft des Kunststandortes Istanbul gewesen, aber die CI habe „eine optimistische Stimmung“ ausgestrahlt und die Verkäufe seien „wunderbar“ gewesen. So konnte die CI für die diesjährige 12. Ausgabe jetzt ganz konkurrenzlos 73 Galerien aus 20 Ländern gewinnen, darunter 44, die zurückkehrten und 29 Neuzugänge, darunter zwei aus Afrika und zwei aus Israel.
Wohl um die optimistische Stimmung zu unterstützen, wurden in den beiden Etagen des Kongresszentrums 6000 qm Kunstrasen auf den Gängen ausgelegt, Güreli spricht von einem „Park“ – dem allerdings die Bäume fehlen. Erstmals expandiert die Messe auch in den Außenraum, im kleinen Macka Sanatcilar Park stehen recht wahllos neun Skulpturen aus einer Privatsammlung.
Vor allem aber findet die CI heuer erstmals zum freigewordenen Termin Anfang September parallel zur renommierten Istanbul Biennale statt. Vor zwei Jahren von der Biennale noch als Tabu bekämpft, geht es jetzt um Solidarität: „Alle rücken zusammen wegen der Situation“, beschreibt es Güreli. Der Tourismus ist massiv eingebrochen, selbst die globale Kunstkarawane reist heuer nicht nach Istanbul an. Für die CI ist das allerdings nebensächlich, denn trotz des neuen Termins bleibt es eine vornehmlich türkische Messe. Darauf reagieren auch die renommierten Neuzugänge wie Leila Heller, Victoria Miro und Continua, deren Stände sich nahtlos in die vorherrschende Ästhetik grellbunter, schillernder Werke einreihen.
Aber man lasse sich nicht täuschen, denn im Dschungel dieser harmlos-poppigen Dekorationskunst findet man gerade bei den kleineren, türkischen Galerien immer wieder tiefsinnige, formal spannend umgesetzte, düstere, kritische, politische Werke. Damit spiegelt die Contemporary Istanbul trotz des ostentativen Optimismus´ die Stimmung der Stadt wider, in der neben all dem Zweckoptimismus eine massive Verunsicherung allgegenwärtig ist.
- Contemporary Istanbul, 14.-17.September
veröffentlicht in: NZZ, 16.9.2017