Kaum ein Objekt wird derartig häufig für polemische Abgrenzungsdiskussionen verwendet wie das Kopftuch. Dabei ist es ein fixer Bestandteil aller drei abrahamitischen Religionen wie jetzt die kleine Ausstellung „Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch“ im Wiener Weltmuseum zeigt. Anhand von Tüchern wird eine knappe Kulturgeschichte aufgeblättert, die vor allem darauf zielt, uns an unsere eigenen Traditionen zu erinnern.
Ist Ihnen einmal aufgefallen, dass die Heilige Maria, unsere Madonna, ganz anders als die sündige Eva immer mit verhülltem Haar abgebildet ist? Nicht nur im religiösen Kontext, auch berühmte Schauspielerinnen wie Sophia Loren oder Audrey Hepburn trugen in den 1950er Jahren Kopftücher, allerdings nicht als Zeichen der Jungfräulichkeit, sondern weltmännischer Eleganz. Ganz anders übrigens die Frauen im Dorf meiner Tante, die noch in den 19070ern ein Tuch anlegten, sobald sie den Hof verließen. Auch meine Tante folgte dieser Tradition und grenzte sich gleichzeitig gegen die anderen Bäuerinnen ab. Denn ihr Tuch war aus Seite und stammte aus französischen Modehäusern. Ein Jahrzehnt später verschwanden die Kopftücher langsam aus dem Alltagsbild. Jenes meiner Tante rutschte bald auf die Schultern, wie es in den Metropolen schon länger Mode war.
Das Kopftuch habe seinen Ursprung in Mesopotamien, erklärte Kurator Axel Steinmann beim Presserundgang, und habe immer auch gesellschaftliche Unterschiede markiert. Das wird in Österreich ersichtlich, als 1697 der Schritt „von der Moral zur Ökonomie“ entschieden wurde, wie es Steinmann nennt: eine neue Luxussteuer löste die ständischen Vorschriften und Kleiderordnungen ab. Im Nationalsozialismus kam dem Kopftuch dann erneut Bedeutung zu, es galt als Sinnbild ländlich-sittlichen Kultur. Kein Dirndl ohne Kopftuch. Drei Monate nach dem Anschluss an Deutschland wurde den Frauen in Österreich gezeigt, wie genau das Tuch zu binden sei.
Diese Informationen sind höchst spannend und lassen uns viel über das Kopftuch verstehen lernen. Allerdings sehen wir vor allem wunderbar gemusterte, oft aus edlen Materialien gefertigte Stoffstücke, dazu einige Werke zeitgenössischer Künstlerinnen wie die Fotografien von Susanne Bisovsky, die ohne jegliche Brechung die Kopfbedeckung hemmungslos ästhetisiert. Überhaupt wird in der Ausstellung jegliche Problematik ausgeklammert, auf eine Abgrenzung zwischen Kopftücher und Ganz-Gesichts-Verhüllungen wird verzichtet, dazwischen sind noch von Männern getragene Kopfbedeckungen gemischt.
Ganz harmlos erscheinen die Tücher und wollen uns offenbar vergessen lassen, dass es sich dabei meist um klare Symbole der patriarchalen Unterdrückung handelt. Zwar können damit verschiedene Signale ausgesendet werden, wie es die Filme der 1950er Jahre zeigen. Aber auch Brigitte Bardot trug ihr Kopftuch als Zeichen von Sittlichkeit. Was also will uns Frauen diese Ausstellung nahelegen? Dass es sich um ein unschuldiges Mode-Accessoir handelt? Sicher nicht. Um eine Dekoration, ein Objekt „am Kreuzungspunkt der Kulturen“, wie es Museumsdirektor Christian Schicklgruber nannte? Kann tatsächlich irgendeine Art der Benutzung die „ursprüngliche, unterdrückende Bedeutung ins Gegenteil verkehren und somit zur Selbstermächtigung der Frau beitragen“, wie es KHM-Direktorin Sabine Haag schreibt? Meine Tante hätte damals gerne auf das Kopftuch verzichtet, die Veredelung durch die Modehäuser änderte nichts an dem Akt der normierten, wenig auf Haarschutz, stattdessen auf Züchtigkeit und Bodenständigkeit abzielenden Verhüllung. Ein unschuldiges rechteckiges Stück Stoff, wie es die Ausstellung uns vorschlägt, war das Kopftuch nie.
Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch, Weltmuseum Wien, 18. Oktober 2018 – 26. Februar 2019, Wien