Dazzle & Kunst: Jeff Koons, Tobias Rehberger, Carlos Diaz

26. Aug. 2014 in Kunstmarkt

 

„Guilty“ mit Bemalung von Jeff Koons. Foto Andrea Ferrari

Ob das jemals funktioniert hat? Am Anfang des 1. Weltkriegs erfand ein britischer Zoologe Zebra-ähnliche Muster für Kriegsschiffe. Durch die starken Kontraste der Streifen könne man sich nicht mehr sicher sein, welche Form das Schiff habe – so seine Annahme. Größe, Geschwindigkeit und vor allem der eingeschlagene Kurs würden optisch irritiert – kurz: das zielgenaue Beschießen werde erschwert. Es blieb ein kurzes Experiment, das Militär traute einem Zoologen nicht.

1917 griff der Militär-Maler Norman Wilkinson die Idee wieder auf. Erfolgreich, denn bald wurde der britische Künstler Edward Wadsworth beauftragt, Entwürfe für die „Dazzle Camouflage“ zu entwerfen. Mit schwarzen und weißen Streifen verwandelte der Künstler mehr als 2000 britische Kriegsschiffe in schwimmende Kunstwerke. Die Muster wurden zunächst auf einem kleinen Holzmodell gestestet und durch ein Periskop betrachtet. Die Bemalung führten junge, englische Kunststudentinnen vor. Jedes Muster war einzigartig. Ein Hafen mit vielen dieser Dazzle-Schiffe muss fantastisch ausgesehen haben. Man ahnt es, wenn man Wadsworths Holzschnitte und Zeichnungen mit diesen kontrastreich bemalten Schiffen sieht –  die heute auf Auktionen für 30.000,- Euro aufwärts versteigert werden.

Edward Wadsworth

Ob der gewünschte Schutzeffekt eintrat und diese schwimmenden Zebras tatsächlich deutlich weniger getroffen wurden, konnte jedoch nie eindeutig nachgewiesen werden. Heute wird die Technik nicht mehr im Militär angewendet sondern ist zurück in der Kunst. Statt einer militärischen Camouflage dienen die Muster zur fröhlichen Behübschung und Aufmerksamkeitssteigerung.

Yacht Guilty mit Bemalung von Jeff Koons, 2008

2008 beauftragte der griechischen Multimillionär und Kunstsammler Dakis Joannou den US-amerikanischen Superstar Jeff Koons, seine 35 Meter lange Yacht „Guilty“ in ein schwimmendes Kunstwerk zu verwandeln. Koons variierte das Dazzle-Muster mit einem farbenfrohen Spiel aus gelben Romben, rosa Dreiecken und blauen Polygonen. Bei ruhiger See entstehe ein Spiel von „Reflexionen und Verdoppelungen“, erklärt er in einem Interview. Dann wird das schwimmende Bild eins mit der Umgebung. So ganz ungebrochen in der Tradition der Kriegsbemalungen beließ Koons es dann aber doch nicht: Auf dem Dach, nur vom Helikopter – und von Bergen – aus zu sehen, ist eine große Abbildung vom Iggy Pop aufgetragen. Der britische Musikstar sei für ihn der „zeitgenössische Dionysos“, erklärte Koons dazu.

 

10. Art Car BMW: Jeff Koons, 2010

Zwei Jahre später erhielt Koons den Auftrag, den BMW-Rennwagen M3 GT2 zu gestalten. Es ist das 10. „Art Car“ – eine Serie, für die BMW zuvor schon Roy Liechtenstein und Olafur Eliasson einlud. Koons bedeckte den Wagen mit einem Muster aus bunten Farbspuren, die wie nasse Farbe hinunterzulaufen scheinen – Dazzle-Muster kombiniert mit Pop-Art.

Auch der deutsche Künstler Tobias Rehberger treibt die ehemalige Kriegsbemalung weiter in postmoderne Vielfältigkeit. Rehberger, bekannt für seine Op-Art-ähnlichen Gestaltungen wie im Cafe des Italienischen Pavillon der Biennale Venedig, verpasste dem ehemaligen, heute musealen Kriegsschiff HMS President eine neue Dazzle-Bemalung. Es liegt in London auf der Themse und beeindruckt jetzt mit der Illusion eines schwarz-weiß-grauen Muster aus Rohren, Schläuchen, Leitungen – als wäre das innere des Maschinenraumes nach außen gekehrt. Eine erstaunlich harmlose Neuinterpretation pünktlich zum 100. Jahrestag des Beginns des 1. Weltkriegs.

Carlos Cruz-Diez, Edmund Gardner Pilotschiff im Canning Dock, Liverpool

Beim Behübschen von Objekten des Militärs geht Anish Kapoor noch einen Schritt weiter. Bekannt wurde der 1954 in Indien geborene Künstler mit seinen magisch wirkenden Objekten, die durch Form und Farbe endlos tiefe Räume suggerieren. Heute ist er einer der bekanntesten und teuersten Künstler Englands. Umso erstaunlicher ist die Ankündigung, dass er etwas für das Royal Air Force Aerobatic Team „The Red Arrows“ entwerfen wird. Gelüftet wird das Geheimnis allerdings erst 2016 auf der Farnborough International Art Show. Ob das funktioniert?

Tobias Rehberger, Dazzle Ship London, c David Kew

 veröffentlicht in: Die Presse, 26.8.2014