Im November fand die 14. Abu Dhabi Art wieder im Kulturzentrum Manarat Al Saadiyat statt. Heuer erstmals mit kostenlosem Eintritt, hat sich die Kunstmesse zu einer zentralen Veranstaltung in dem Emirat entwickelt, die zunehmend von spannenden bis hochkarätigen Ausstellungen und über die Messelaufzeit hinausgehenden Projekten flankiert wird. Verantwortlich für das Konzept der im staatlichen Besitz befindlichen Messe ist Dyala Nusseibeh. Sie studierte an der Glasgow University, arbeitete bei der Saatchi Gallery in London als Head of Education und wurde 2013 erste Direktorin der türkischen Kunstmesse Art International in Istanbul. 2016 wechselte sie zum Ministerium für Kultur und Tourismus Abu Dhabi. Nusseibeh lebt in London.
SBV: Sie kamen 2016 zu der Abu Dhabi Art – welche entscheidenden Veränderungen haben Sie in den vergangenen sechs Jahren vorgenommen?
Dyala Nusseibeh: Wir haben die Sektion „Beyond“ für junge Kunst aus den Emiraten eingeführt. Dafür wählen wir drei Künstler:innen aus der Region aus, die eine neue Installation auf der Abu Dhabi Art zeigen, dieses Jahr sind es Majd Alloush, Sarah Al Mehairi und Mohamed Khalid. Während der Pandemie haben wir die Künstler:innen der letzten Edition in London und auch zur Biennale Venedig ausgestellt, um ein größeres Publikum über die Messe hinaus zu erreichen. Meine zweite Initiative sind die Auftragsarbeiten außerhalb der Messe, letztes Jahr in der Wüste, dieses Jahr die Installationen von Shilpa Gupta und Abdullah Al Saadi in dem historischen Fort von Al Ain, Conrad Shawcross in der seit Jahrhunderten für den Dattelanbau betriebenen Oase Al Ain. Wir möchten Besucher ermuntern, die schönen Kulturstätten der Emirate kennenzulernen. Darum sind die Beyond: Artist Commissions auch bis zum 22. Januar zu sehen. Während der Abu Dhabi Art steht vor dem Messeeingang ein Pavillon, für den wir jedes Jahr Architekturstudierende der Emirate einladen, um das Gewinnerprojekt als Informations- und Willkommensort umzusetzen. Erstmals haben wir dieses Jahr den kostenlosen Eintritt eingeführt.
SBV: Ist die Ausschreibung für den Pavillon von der CHART Artfair in Kopenhagen inspiriert, die jedes Jahr drei Pavillons von jungen Architekten im Innenhof der Kunsthalle Charlottenburg aufstellen?
Dyala Nusseibeh: Es ist eher von dem Serpentine Pavillon in London inspiriert, für den aufstrebende Architekten seit 2000 jedes Jahr von Juni bis Oktober eine temporäre Konstruktion für den Außenraum der Serpentine Gallery entwerfen.
SBV: Sie arbeiten auch mit einem Team externer Kurator:innen?
Dyala Nusseibeh: Wir laden jedes Jahr Kurator:innen für die Galerien ein, dazu aber auch für die nicht-kommerzielle Kategorie „Gateway“, eine Galerien-unabhängige Ausstellung auf der Messe. Maya Allison etwa stellte ihren Beitrag unter das Thema „Linie“, dieses Jahr ist es „My Life in the Metaverse“ von Omar Kholeif.
SBV: Wählen die Kurator:innen die Künstler:innen bzw. Galerien nur aus oder müssen sie auch die Überzeugungsarbeit leisten? Diskutieren Sie die Positionen vorher?
Dyala Nusseibeh: Das ist ihre Aufgabe, aber wir machen es meist gemeinsam. Zur Auswahl: Riccarda Mandrini aus Italien schlug Marinella Senatore vor, die ich vorher kaum kannte, dann aber in London sah – und absolut überzeugt war! Rachida Triki aus Tunis recherchierte junge Positionen aus Nordafrika – eine Region, die wir noch mehr in den Fokus nehmen wollen, weil es zu unserer Region passt. Die Galeristin Jade Yesim Turanli, deren Galerie Pi Artworks in Istanbul und London arbeitet, war verantwortlich für den Türkei-Schwerpunkt. In diesen Kooperationen geht es uns um kulturellen Austausch.
SBV: An der 14. Abu Dhabi Art nehmen heuer 80 Galerien teil, 33 erstmals – war das Ihr Ziel?
Dyala Nusseibeh: Um ehrlich zu sein: gar nicht! Ich war sehr erstaunt! Während der Pandemie haben wir uns sehr um unsere Stammgalerien gekümmert, mit der online-Galerie und virtuellen Auftritten, die von den Sammlern auch intensiv genutzt wurden. Ein weiterer Teil des diesjährigen Erfolgs mag mit der Ankündigung zusammenhängen, dass das Guggenheim Abu Dhabi in drei Jahren eröffnen soll, auch mit dem Erfolg des Louvre Abu Dhabi- beide Museen etablieren Abu Dhabi noch stärker als kulturellen Hub. Vielleicht kommt es auch daher, dass ich dieses Jahr gezielt junge Sammler ansprechen will und dafür günstigere, 24 Quadratmeter große Stände angeboten habe, die entweder Solopräsentationen oder Werke unter dem Preislimit von 5000 Euro anbieten. Damit reagieren wir auf einen sich verjüngenden Kunstmarkt.
SBV: Gehörten früher nicht auch einige Mega-Galerien zum Stamm der Abu Dhabi Art?
Dyala Nusseibeh: Die Galerien Continua mit acht Standorten nimmt teil, und auch Perrotin mit sechs Standorten. Aber beide haben einen Raum in Dubai. Wir wollen unseren Markt in den Emiraten ansprechen, und das sind Sammler, die nicht dieselben hochpreisigen Werke suchen, die auf den anderen Messen zu sehen sind. Wir wollen eine eigene, klare Identität aufbauen. Dafür adressieren wir Galerien, deren Werke den Interessen der Sammler hier entsprechen. Hier werden vor allem Werke gekauft, mit denen die Käufer leben wollen, die sie lieben.
Abu Dhabi Art, 17.-20.11.2022
Kostenlose Eintritt ist gesponsert von dem Genfer Uhrenhersteller Charles Zuber, Genf