E.A.T. in Salzburg – Kunst & Technologie

31. Jul. 2015 in Ausstellungen

Außenansicht des Pepsi Pavillon, Expo 1970. „Floats“ von Robert Breer, Nebelinstallation von Fujiko Nakaya

Im Salzburger Museum der Moderne wird erstmals die Gruppe ´Experimente von Kunst und Technologie´ mit viel Archivmaterial, Videos und einigen Objekten aufgearbeitet. E.A.T. schrieb Kunstgeschichte, obwohl es kaum gemeinsame Werke dieses losen Verbunds großer Enthusiasten gibt.

Jean Tinguely, Homage to New York, 1960. Foto David Gahr

In einem lauten Spektakel erzeugte die Maschine Dampf, setzte ein Klavier in Brand, stellte Zeichnungen her und zerstörte sich am Ende selbst. „Hommage to New York“ nannte Jean Tinguely seine Skulptur, die er 1960 für den Garten des MOMA entwarf. Es war ein bahnbrechendes Werk, aber weniger aufgrund der radikalen Performance als aufgrund der Vorbereitungen. Denn der Künstler erhielt maßgebliche Unterstützung durch einen visionären Ingenieur: Billy Klüver (1927-2004). Es war der Auftakt jener Zusammenarbeit, die sieben Jahre später zur Gründung von „Experiments in Art and Technology“ (E.A.T.) führte.


Nicola Del Roscio, Rauschenberg, Cy Twombly, and Robert Petersen working in Rauschenberg’s print shop, Captiva, Florida, 1971 (detail). Photo by Hans Namuth. © Hans Namuth Estate

Klüver, der damals bei Bell Telephone Laboratories arbeitete, erhielt nach dem Spektakel immer häufiger Anfragen von Künstlern. Jasper Johns suchte eine Lösung für ein Gemälde mit einem kabellosen Neonbuchstaben, Andy Warhol benötigte Hilfe für seine schwebenden Wolken aus silbern glänzendem Plastik („Silver Clouds“), Robert Rauschenberg wollte ohne Verkabelung Klänge erzeugen. Bald zog Klüver immer mehr Kollegen zu den Kollaborationen hinzu, die ihre Freizeit, aber auch die Ressourcen ihrer Firma zur Verfügung stellten – ob das heute noch irgendwo auf der Welt möglich wäre? Damals entwickelte sich in New York eine „gemeinschaftlich orientierte und kollaborativ arbeitende Kunstszene“, schreibt Kathy Battista im umfassenden Katalog. Sie erarbeitete zusammen mit Sabine Breitwieser, Direktorin im Museum der Moderne Salzburg, die weltweit erste Rückschau der Geschichte von E.A.T. Ausgestellt sind Schlüsselwerke, viele Filmdokumentationen der Performances und erstmals veröffentlichtes Archivmaterialien. Der fast anarchistische Geist von E.T.A. trifft hier auf die Ordnungsliebe des Museums, doch trotz der vielen Vitrinen ahnt man die enorme Aufbruchsstimmung jener Jahre.

 

Robert Rauschenberg, Money Thrower for Tinguely’s H.T.N.Y. (Homage to New York), 1960. Mitte und rechts: Jean Tinguely
Homage to New York, 1960. Foto Rainer Iglar

Was aber ist E.A.T.? Es ist weder eine Künstlergruppe noch eine inhaltlich oder formal fundierte Bewegung, eher eine Vision: Zusammenarbeit als Grundlage für Veränderungen. Es gibt keine stilistische Einheit, nicht einmal ein vorrangiges Medium. Offenheit war Programm. Als erste Aktivitäten in der Geschichte von E.A.T. gelten die Performanceabende „5 New York Evenings“ 1964 im Moderna Museet in Stockholm und die „9 Evenings: Theatre & Engineering“ 1966 in New York. Dort führte Rauschenberg seine legendäre Performances „Open Score“ auf: In diesem Tennismatch sorgte jede Berührung des Balls auf dem Schläger dafür, dass ein Licht in dem riesigen Saal ausging, bis zur völligen Dunkelheit. David Tudor setzte das Gebäude als Musikinstrument ein und Öyvind Fahlström suchte ein „Totales Theater“ mit Chemikalien, Fernsteuerungssystemen und Filmaufnahmen. In Salzburg sind Filmaufnahmen dieser Performances zu sehen, Objekte von Tinguely, kinetische Werke von Robert Rauschenberg – „nahezu alles hier bewegt sich“, wie Breitwieser es zusammenfasst. Jean Dupurys Skulptur übersetzt unseren Herzschlag in eine rote, vibrierende Membrane und Lucy Youngs Stoffband tanzt auf Knopfdruck wie magisch in der Luft.

Robert Rauschenberg, Revolver IV, 1965. Foto Rainer Iglar

 

Jean Dupuy, Heart Beats Dust, 1968. Ingenieur: Ralph Martel. Foto R Iglar

Offiziell gegründet wurde E.A.T. erst 1966 als loser Verbund von Künstlern und Techniker für Beratung, Austausch und Geräteverleih. Insgesamt gehörten bis zu 5000 Menschen dazu, erklärt Breitwieser. Nur weniges fand unter dem Namen E.A.T. statt, darunter die sozial engagierten „Projects Outside Art“ und jene zur Beschaffung von Geld, etwa „Artcash“: von Künstlern entworfene Geldscheine für einen Abend mit Glücks- und Gewinnspielen, bei denen gespendete Kunstdrucke und Multiples gewonnen werden konnten. Das spektakulärste gemeinsame Projekt war der Pepsi Pavillon 1970 für die Expo im japanischen Osaka. An der Gestaltung waren 63 KünstlerInnen, Ingenieure und Wissenschaftler beteiligt.

Robert Beer, Float, 1970/2000, Ausstellungsansicht. Foto R. Iglar

Merkwürdige Objekte von Robert Breer umkreisten den Pavillon außen, eine Nebelwolke umhüllte das Gebäude, das durch einen Tunnel betreten wurde.

Pepsi Pavillon, Expo 1970, Osaka, Japan. Innenraum der Kuppel, © J. Paul Getty Trust. Getty Research Institute, Los Angeles (2014.R.20). Foto: Shunk-Kender

Innen trugen vier Türme Rusty Myers Skulptur „Light Frame“, die Kuppel war verspiegelt und ein computergesteuertes Licht- und Soundsystem veränderte ständig den Raum. Leider entsprach das Projekt nicht den Marketing-Vorstellungen von Pepsi, die ihr Logo platzieren wollten und andere Veränderungen forderten. Kurz nach der Eröffnung übernahm Pepsi „die Kontrolle über den Pavillon“ (Katalog). In Salzburg sind Breers „Floats“ ausgestellt, dazu ausführliches Informationsmaterial in Vitrinen.

David Tudor & Composers Inside Electronics, Rainforest V, 1973/2015

Die wichtigsten Aktivitäten von E.A.T. fanden zwischen 1966 bis 1973 statt. Auch die Salzburger Ausstellung endet mit diesem Jahr, mit David Tudors „Rainforest“ (1973/2015). Wie am Anfang bei Tinguely so sind auch hier banale Dinge eingesetzt, die allerdings nicht zerstört werden, sondern aus einem Geräuscharchiv in Interaktion mit den Besuchern Klänge übertragen.

Museum der Moderne Salzburg, bis 1.11.2015

veröffentlicht in: Die Presse, 27.7.2015