Seit Anfang 2012 finden im Kunsthistorischen Museum Wien (KHM) öffentliche Dialoge statt, moderiert von Jasper Sharp. Erster Gast war Jeff Koos, später kamen Nan Goldin, John Currin oder auch der Kurtor Hoppe Kingsley. Im September war Tobias Meyer zu Besuch in Wien und beantwortete offen Sharps kritische Fragen.
Meyer war der Starauktionator von Sotheby´s. Unter seinem Vorsitz gingen manche Kunstwerke in zuvor nie dagewesene Höhen, Picassos „Junge mit Pfeife“ 2004 für 104,2 Mio. Dollar, Edvard Munchs „Der Schrei“ 2012 für 119,9 Mio. Dollar. Zwanzig Jahre blieb Tobias Meyer bei Sotheby´s, setzte bahnbrechende Neuerungen durch wie 1994 die Entscheidung, erstmals Nachkriegskunst in einer Abendauktion zu versteigern. So wollte er mehr Glamour erreichen – und es ging auf: Mit 7,5 Mio. Dollar schaffte er damals das beste Ergebnis seit dem Markteinbruch Anfang der 1990er Jahre. Sein Ruf entwickelte sich so rapide, dass manche Kunden sich den Chefauktionator in den Vertrag schreiben ließen. Vor knapp einem Jahr verließ der 1963 in Frankfurt geborene Kunsthistoriker, der mit 14 Jahren nach Wien zog, überraschend das Auktionshaus und machte sich selbstständig. Seither ist es ruhig geworden um Tobias Meyer, er verkauft jetzt als Privathändler teure Kunst.
Im KHM sprach er mit Jasper Sharp, Kurator am KHM, in entspannter Offenheit über Kunstsammeln, Geschmack und den konsumgetriebenen Markt und verriet einige Hintergrundgeschichten. Während sich Sharp über manche schnelle Karriere von Künstlern wie Alex Israel wunderte, der mit banalen, pastellfarbig-bunten Abstrakten ohne eine einzige nennenswerte Ausstellung bereits auf 1 Mio. Dollar hochgesteigert worden ist, erklärte Meyer die Strategie dahinter: Er habe Israel geraten, sich nicht vom Publikum abzuwenden – das sei ein gestriges Konzept. Erfolgreich sind also die netten Kerle?
Offenbar: „Die Kunstwelt von heute hat die rebellischen Künstler verschluckt.“ Die Zeit der Avantgarde ist vorbei, Kunst sei heute nicht mehr „dubios“, Schock und Provokation seien passé. Stattdessen können Künstler heute Teil „der machtvollen Elite“ sein und „denselben Star-Status erreichen wie Schauspieler“ – und genau das suche das Publikum: Die „Menschen in der Selfie-Welt“ wollen Stars. Zählen dann überhaupt noch die Empfehlungen von Museumskuratoren und Kunstkritiker? Der Markt achtet zwar noch auf Expertenurteile, aber wir leben in einer „post-taste world“, fasst es Meyer zusammen. Dazu passt auch die Beobachtung beider Diskutanten, dass neben großartigen Sammlungen oft erschreckend miserable Möbel stehen. Meyer erklärte es mit dem Hinweis auf die nachgereihte Bedeutung von Handwerk und der Suche der Käufer nach Dingen mit „existentiellem Ausdruck“.
Wie aber ging er damit um, wenn er weniger relevante Werke versteigerte? „Es war mein Job, Kunst so teuer wie möglich zu versteigern – und es war immer auch ein Schauspiel. Ich war ja kein Kurator.“ Hinter die Kulissen blicken ließ Meyer auch zur Vorgeschichte seiner spektakulären Versteigerung von Mark Rothkos „White Center (Yellow, Pink and Lavender on Rose)“ (1950). Das Bild stammt aus der Sammlung David Rockefellers, wurde auf 40 Mio geschätzt und von der Königlichen Familie von Qatar für 72,48 Mio. Dollar gekauft. Er habe die anderen Auktionshäuser mit einer doppelten Garantie überboten, denn er habe nicht nur die Qualität erkannt sondern auch, wie gut das Werk auf Abbildungen wirkt. Das ist ein starkes Statement! Erfolg am Kunstmarkt ist heute also untrennbar verbunden mit massenmedialer Attraktivität. Neben Marketing und Service – Top-Lose werden durch die Welt geschickt und auch einmal in Privatsammlungen probegehängt – basieren Rekordpreise also auf Internet-tauglichen Farben und einem fotogenen Auftritt des Kunstwerks! Vorbei die Zeit der Connoisseure. Im 19. Jahrhundert bezeichnete man damit jene Experten, die ihre Kenntnisse dem Studium an Originalen verdankten – in Zeiten des Internets eine zunehmend verschwindende Methode, wie auch Meyer bestätigt. Es gebe zu viel visuelle Informationen und zu wenig Zeit. Heute schauen potentielle Käufer zunächst Reproduktionen an – weswegen es auch in den großen Galerien bereits Spezialisten für die mediale Auswahl und Aufarbeitung gibt. Zudem werde ein Viertel aller Werke im Bereich der zeitgenössischen Kunst an Erstkäufer versteigert. Die Kunst ist zu einer „Industrie im goldenen Zeitalter“ geworden, wie Sharp den New Yorker Kunsthändler David Zwirner zitiert – was Meyer nur bestätigen kann: „Der Markt ist sehr hungrig, die Menschen wollen kaufen.“ Der Markt wächst zwar enorm, fügt er an, aber es brauche im Grunde nur zwei Bieter auf einer Auktion – es sei nur eine sehr kleine Zahl, die die Dynamik ändere, also die Preise hochtreibt. Wo sieht er heute seine Position darin? Er mache noch immer dasselbe wie zu Sotheby´s Zeiten, erklärt Meyer: „Ich jage Bilder“. Und sein Geheimrezept für seinen Erfolg: Er könne die Energie von jemanden spüren.