The Fabric of India – V & A Museum, London

18. Okt. 2015 in Ausstellungen

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Wer vor zweihundert Jahren Kultiviertheit und Reichtum demonstrieren wollte, tat dies mit Kunstsammlungen im Verbund mit pompösen Innenausstattungen. So sammelte Prinz Eugen von Savoyen nicht nur Malerei, sondern auch Möbel aus exotischen Hölzern und asiatischem Lack, ließ seine Schlösser mit chinesischen Bambuspapiertapeten und handbedruckter Chintze aus Indien ausstaffieren.

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Jetzt ist ein besonderes Zimmer aus seinem Schloss Hof zu Gast im Victoria & Albert Museum in London. Denn dort ist parallel zur Kunstmesse Frieze eine außergewöhnliche Schau zu sehen: „Fabrics of India“ mit über 200 handgefertigten Textilien – der diesjährige Höhepunkt der „Frieze Week“.

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Gegründet wurde das Victoria & Albert Museum 1852 und beherbergt die größte Sammlung von Kunstgewerbe und Design der Welt. Schon seit Beginn des Museums liegt ein Schwerpunkt der Sammlung auf Textilien aus Indien, manche sind jetzt das erste Mal überhaupt ausgestellt. Die Ausstellung beginnt mit einem riesigen, überraschend gut erhaltenen Stoff aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. „Textilien sind Architektur“, erklärt Co-Kuratorin Divia Patel dazu. Denn in den Palästen gab es damals kaum Möbel, stattdessen definierten die Tücher auf dem Boden, an den Wänden, die Kissenbezüge und Markisen die Räume, gaben den Grad der Privatheit, der Wärme, der Gemütlichkeit vor.

Bett v. Prinz Eugen, Leihgabe des MAK, Wien, ausgestellt im V&A Museum, London

Bett v. Prinz Eugen, Leihgabe des MAK, Wien, ausgestellt im V&A Museum, London

Das gilt wohl auch für das Schlafgemach von Prinz Eugen, dass vom Bett bis zu den Wänden mit Stoffen ausgestattet ist. Aber anders als die meisten indischen Stoffe sind diese weder mit Gold bestickt, noch von Seidenfäden durchzogen oder in einer dieser typisch indischen, starken Farben gefärbt. Damals hatten die indischen Kunsthandwerker gelernt, genau auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen. Während die Thailänder besonders flammenähnliche Formen und abstrakte Muster bevorzugten, freuten sich die Europäer über großflächige Blumen und florale Formen. Vor allem mochten die Europäer einen hellen, monochromen Untergrund. Für die jagdliebenden Aristokraten fügten die indischen Meister dann noch europäisches Wild hinzu – und genau solch ein edler Stoff zierte Prinz Eugens Bett.

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Aber nicht nur einzelne Räume, ganze Paläste bestanden aus einem einzigen Stoff. Solch ein fantastisches, mit Blumen reich dekoriertes Zelt von Tipu Sultan, dem berühmten Herrscher des Königreichs von Mysore, aus dem 18. Jahrhundert ist im Museum aufgebaut – nach Tipus Niederlage gegen die Briten 1799 nahmen die Kolonialherren das Zelt an sich. Reichtum, Macht, Religion und Politik – die Stoffe erzählen viel von den Umständen der Entstehung, der Verwendung, der Veränderungen. Gerade während der zunehmend global angelegten Kunstmesse Frieze ist es spannend zu studieren, wie sehr politische Zusammenhänge die Entwicklungen beeinflussen.

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Mit dem Aufkommen der britischen Massenfertigung von Stoffen Ende des 18. Jahrhunderts verloren die indischen Kunsthandwerker zunehmend ihre Auftraggeber, die billigen Produkte fluteten sogar die indischen Märkte. Anfang des 20. Jahrhunderts rief Gandhi dann die „swadeshi“-Bewegung aus. In seinem Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft forderte er, keine ausländischen Erzeugnisse zu kaufen und stattdessen indische Produkte zu unterstützen. Dadurch wurde die Khadi genannte, handgesponnene Baumwolle Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem politischen Symbol der Freiheitsbewegung. Heute ist Khadi wieder hoch aktuell, „Fabrics of India“ zeigt mit großartigen, zeitgenössischen Kleidern, wie sehr das traditionelle indische Kunsthandwerk heute in Hochzeitskleidern, Filmkostümen und Haute Couture-Saris weiterlebt.

Sari von Abraham and Thakore, 2011

Sari von Abraham and Thakore, 2011

Designer wie Hermes und Isabel Marant, Manish Arora und Rajesh Pratap greifen wieder auf händisches Färben, Drucken und Besticken zu, kooperieren mit Künstlern für neue Muster und interpretieren alte Formen neu. Am Ende der Ausstellung stellt man erstaunt fest, dass sich das Formenrepertoire der wertvollen Stoffe heute kaum von jenen ältesten, erhaltenen Textilien aus dem 3. Jahrhundert n.Chr. unterscheidet.

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Schönheitsideale und die Kunst des Handwerks halten offenbar selbst die stürmischsten Veränderungen aus – eine Beobachtung, die man auch auf der Frieze, vor allem der afrikanischen Kunstmesse 1:54 machten kann: Der Blick zurück ist der neue Trend.

Victoria & Albert Museum, London, bis 10.1.2016

veröffentlicht in: Die Presse, 18.10.2015