Florian Pumhösl im MUMOK

05. Mrz. 2011 in Ausstellungen

678 ist ein karger Ausstellungstitel. Das verspricht keine bunten Bilder. Das ist die pure Verknappung auf das Wesentliche. Es sind die Nummern der Stockwerke im MUMOK, auf denen die Personale von Florian Pumhösl stattfindet.Ebene 6 und 7 für seine Werke, die dritte für seine Neuaufstellung der hauseigenen Sammlung. Reduziert ist auch die ausgestellte Menge seiner Werke: Zwei Filme und ein Glasbilderzyklus. Der eine Film ist ein „abstrakter Animationsfilm“, der zwischen farbigen Bildfeldern und schlichten Linien wechselt, der andere eine fast halbstündige Studie zu „Verwandtschaftsbeziehungen zwischen gestischer Abstraktion, Automatisierung und Trauma.“ Der 48teilige Bilderzyklus umkreist die Frage, ob es ein abstraktes Portrait geben kann.

Diese Ausstellung ist enorm anspruchsvoll, denn hier müssen die Betrachter genaues Schauen, jede Menge Vorwissen und eine große Bereitschaft mitbringen, permanent Querverbindungen zu denken. Schon seit seinem Studium umkreist das Werk des 1971 in Wien geborenen Künstlers die Epoche der Moderne und greift die Wanderwege der Abstraktion auf, isoliert einzelne Aspekte und lenkt unsere Aufmerksamkeit darauf, welche Bedeutungsveränderungen durch Medien- und Ortswechsel passieren und passierten. Vor allem stellt er Verbindungen her: zwischen verschiedenen geografischen und kulturellen Kontexten, zwischen abstraktem Formenvokabular und gesellschaftlichen Ereignissen.

Ihm MUMOK dient ihm dafür eine aufgeschlagene, stalinistische Zeitschrift, für die der russische Künstler Alexander Rodtschenko als Fotograf in den 1940er Jahren in Karelien den Bau des Weissmeer-Ostseekanals dokumentierte. 2.88 Mio Bäume wurden damals dafür gefällt, lesen wir. Damit rückt Pumhösl die raue Wirklichkeit in den Blick. <im nächsten Raum folgt der Film, der auf einem Bild von Rodtschenko basiert, in dem Pumhösl die „Vorwegnahme von Jackson Pollocks Malstil“ sieht. Dies Bild kommt aber nur im Filmtitel vor, „Expressiver Rhythmus“. Der Film selbst kombiniert Landschaftsaufnahmen aus Karelien mit Klavierstudien zu Charles Ives. ´Expressiv´ ist hier natürlich gar nichts.

 In jedem Detail steckt ein Bezug, jedes Element ist präzise durchdacht, jedes Werk perfekt präsentiert und alles zusammen ergibt ein Netz, das als verzweigte Sicht ein anderes Bild der Moderne anbietet. Aber Pumhösl betrachtet dabei die Moderne mit den Mitteln der Moderne, schaut mit Abstraktion auf Abstraktion. Ob sein Versuch eines ´abstrakten Portraits´ oder der „abstrakte Handlungs- oder Bewegungsraum“, den die Farben in dem Film „Track“ „markieren“ – Bezugspunkt all dieser Gedankenspiele ist nicht das Spannungsfeld zwischen Räumen und Zeiten, nicht das Leben, sondern nur das Museum. Anders als die von ihm zitierten Referenzen ist sein eigenes Werk, ist dieses Netz nicht sinnlich, sondern strengstens formal. Der Ausstellungstitel bringt es auf den Punkt: 678 – man kann es zählen. Aber nicht erleben. Man kann es denken, aber es bewegt nichts. In Gruppenausstellungen sind Pumhösls Werke in ihrer formalen Perfektion faszinierend, in der Neuaufstellung der Sammlung auf Ebene 8 gelingt es ihm hervorragend, das Feld der Abstraktion weit zu öffnen. Aber in seiner Einzelausstellung treibt er die Abstraktion so weit, dass sich nur mehr wenige Spezialisten daran begeistern können.

Florian Pumhösl, 678, MUMOK, 4.3.-29.5.2011, Mo-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr, Eintritt 9,-

 veröffentlicht in: Die Presse, 5.3.2011