Frieze + 1:54 Contemporary African Art, London 2015

24. Okt. 2015 in Kunstmarkt, Kunstmesse

Ndidi Emefiele, Omeka Gallery, 1:54, London 2015 // SBV

Ndidi Emefiele, Omeka Gallery, 1:54, London 2015 // SBV

Oktober ist Messezeit in London. Spannend ist dann nicht nur die Frieze mit 165 Galerien, sondern auch die Satellitenmesse 1:54, spezialisiert auf zeitgenössische afrikanische Kunst. Gemeinsam ist allen Veranstaltung das Versprechen auf Kunst als Investition: Im November 2014 brachte ein Werk von Martin Kippenberger in der Auktion des Wiener Dorotheums 873.000,- Euro inklusiv Aufpreise. Geschätzt war es auf 280.000-350.000,- Euro. Nicht einmal ein Jahr später hängt das Bild jetzt am Stand der New Yorker Galerie Skarstedt auf der Londoner Kunstmesse Frieze Masters. Aktueller Preis: 2.8 Millionen Dollar.

Phyllida Barlow, Hauser Wirth, Frieze Art Fair 2015

Phyllida Barlow, Hauser Wirth, Frieze Art Fair 2015

Solch eine Verdreifachung des Preises erzeugt jenes Versprechen, das den Handel mit zeitgenössischer Kunst so rasend schnell wachsen lässt – und das war heuer ganz besonders auf der Londoner Kunstmesse Frieze zu beobachten. 2003 von den Herausgebern der gleichnamigen Kunstzeitschrift gegründet, gilt die in einem Zelt untergebrachte Messe im Regent´s Park als wichtigster Herbsttermin und wird mittlerweile regelrecht gestürmt. Schon eine halbe Stunde vor Eröffnung bildeten sich lange Schlangen, obwohl zunächst nur die als besonders kauffreudig eingestuften Inhaber der begehrten rosa VIP-Karten eingelassen wurden. Die grünen Karten galten drei Stunden später, erst danach kam das gewöhnliche Voreröffnungspublikum. In kürzester Zeit war das Zelt übervoll, vor allem die für ihre Blueship-Künstler bekannten Galerien kamen mit dem Beantworten der Nachfragen kaum nach. Lisson Gallery (London) konnte den riesigen, lila Wurzelstock von Ai Weiwei für eine halbe Millionen Pfund vermitteln, bei Thaddaeus Ropac (Salzburg, Paris) fand schnell ein großes Diptychon von Robert Longo für 650.00,- Dollar eine Käufer und Hauser & Wirth verkaufte aus ihrem kleinen Skulpturenpark am Stand schon in den ersten beiden Stunden Werke von Isa Genzken, Martin Creed und eine nagelneues Objekt von Phyllida Barlow.

Performance Tunga, Frieze Art Fair 2015 // SBV

Performance Tunga, Frieze Art Fair 2015 // SBV

165 Galerien aus 30 Ländern nahmen heuer teil und auf keiner anderen Messe der Welt legen die Teilnehmer ihr Programm derartig international an wie in London. Das spiegelte sich auch am Stand der Wiener Galerie Krinzinger wider, wo Werke aus Pakistan (Waqas Khan), Saudi-Arabien (Abdulnassar Gharem), Libanon (Alfred Tarazi), England (Gavin Turk) und Österreich (Martha Jungwirth) bewiesen, wie global der Kunstbetrieb heute ist. In London seien die Besucher offener als auf jeder anderen Messe, erklärte Thomas Krinzinger das große Interesse. Das merkte auch Emanuel Layr (Wien), dessen ganz in Blau gehaltener Solostand mit Werken des slowakischen Konzeptkünstlers Stano Filko ein Besuchermagnet war.

Offen ist das Publikum nicht nur für Neues, sondern auch für Kurioses: Gebannt verfolgten viele die Performance des brasilianischen Künstlers Tunga: Ein Zwillingspaar schlendert über die Messe, ihre Haare scheinen zusammengewachsen. Und besonders gerne wurde das Angebot von Ken Kagami (Japan) angenommen, die Genitalien portraitieren zu lassen – nicht entblößt, sondern als Cartoon-Version nach einem sekundenkurzen Blick ins Gesicht der Auftraggeber.

Sam Gilliam, David Kordansky Gallery // SBV

Sam Gilliam, David Kordansky Gallery // SBV

Während sich die Besucher im Zelt für Zeitgenössisches durch die Gänge drängelten auf der Jagd nach Investitionen und Sensationen, herrschte auf dem Ableger Frieze Masters konzentrierte Ruhe. 2012 eingeführt, ist das Zelt gut zwanzig Minuten Fußweg durch den Park entfernt. Als eine Art Mini-TEFAF angelegt, treffen hier an den Ständen von 131 Galerien Alte Meister, Kunst der Antike und des 20. Jahrhunderts aufeinander. Großes Interesse erweckten die Zeichnungen von Klimt, Kokoschka und Schiele bei Wienerroither & Kohlbacher (Wien) und die Reinzenierung des Zimmers eines Irrenhauses des 20. Jahrhunderts zum besseren Verständnis für die Bilder von Jean Dubuffet (Helly Nahmad Gallery), die zwischen 650.000,- bis 3 Millionen Dollar kosten. Der absolute Hit der diesjährigen Frieze Master waren die Gemeinschaftsstände, die Historisches neben Zeitgenössischem präsentierten. Manches war thematisch arrangiert wie die Renaissance-Madonna neben Marlene Dumas´ „Magdalena“ (Moretti Gallery; Hauser & Wirth), anders kontrastreich wie die abstrakten Linienbilder von Bridget Riley neben wunderbaren, antiken Büsten (Karsten Schubert; Tomasso Brothers Fine Art) – eine Chance, für beide Bereiche neue Käufer zu interessieren.

Victor Pasmore 1963. DAN Galeria Sao Paulo // SBV

Victor Pasmore 1963. DAN Galeria Sao Paulo // SBV

Zwischen all den Meistern der verschiedenen Zeiten kann man immer wieder auch ältere Positionen wiederentdecken wie der 1908 geborene, britische Reliefkünstler Victor Pasmore (Dan Galeria) oder der 1933 geborene Afroamerikaner Sam Gilliam mit seiner frühen, experimentellen Malerei und Objekten für stolze 2 Mio. Dollar  (David Kordansky Gallery).

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Paulo Kapela, 1:54 , 2015 // SBV

Paulo Kapela, 1:54 , 2015 // SBV

reislich liegen die meisten Werke auf in den Frieze Zelten im sechsstelligen Bereich. Wer bei dreistelligen Preisen einsteigen möchte, kommt auf den vielen Parallelmessen besser zurecht. Die Spannendste darunter ist die auf afrikanische Kunst spezialisierte 1:54 – der Name referiert auf die 54 Nationen auf dem Kontinent. An der dritten Ausgabe von 1:54 im Somerset House nehmen 38 Galerien mit über 150 KünstlerInnen teil – und es ist eine Reise in eine andere Bildwelt! Die Preise beginnen bei 500,- Euro für die grellbunten Schatten-Fotografien von Saidou Dicko aus Burkina Faso (ARTCO Gallery), der sich selbst den „Schattendieb“ nennt. Paulo Kapela (Angola) schafft ungewohnt detailreiche, wilde Collagen, Ndidi Emefiele (England) setzte kleine CD-Scheiben als Augen ein, manche nähen ihre Bilder aus Payetten oder basteln die Flächen aus Bananenschachteln. Immer wieder sieht man auf der 1:54 Wandtextilien, Handwerk kommt hier ein großer Stellenwert zu – eine Tendenz, die man auch in beiden Frieze-Zelten beobachten kann. Wer nach Entdeckungen sucht und eher langfristig investieren möchte, kommt auf 1:54 am besten zurecht, denn Afrika ist der nächste Hot Spot des Kunstbetriebs.

veröffentlicht in: Die Presse, 18.10.2015