General Idea – ein Kunstgriff

12. Dez. 1990 in Ausstellungen

General Idea ist im Wesentliches dies: ein Kunstgriff, mit dem wir den Rahmen bestimmen, innerhalb dessen wir die Rolle des Künstlers einnehmen. Wir sehen uns als lebende Legende.“ So beschreiben die Kanadier A.A. Bronson, Felix Partz und Jorge Zontal ihr Projekt, daß sie Ende der 60er Jahre gründeten.

Die entscheidenste Strategie zur Legendenbildung ist die Entpersonifizierung. Während Andy Warhol Ausstellungen und  Verkäufe ohne Nennung seiner Factory-Mitarbeiter zum Starkult ausbaute, verweigert sich das Trio dem komplett. Jener, unter dessen Namen ausgestellt, signiert und verkauft wird, ist eine Erfindung, die ´generelle Idee´ oder auch der ´General Idee´. Die Idee ist der Künstler. Von hieraus können Produktionsmethoden, Vertriebssysteme und Medienbenutzungen in einer Weise organisiert werden, die die Grenze zwischen Hoch- und Trivialkultur, zwischen Avantgarde und Kitsch verunklärt bis aufhebt.

„Da wir ein Trio waren, waren wir vom individuellen Genius befreit. Wir waren frei, Einflüsse von unserer direkten kulturellen Umgebung aufzunehmen, zusammenzufügen und in einen Zusammenhang zu bringen.“ Ihr erstes Projekt ist die auf 13 Jahre angelegte Planung und theoretische Konstruktion des „1984 Miss General Idea Pavillon“. „Miss General Idea“ ist ihre Kunst, der Pavillon ihr Museum, und das von ihnen herausgegebene Magazin FILE war (denn es ist dieses Jahr leider eingestellt worden) ihr Publikumsorgan. In der Boutique des Pavillons und alljährlich auf der Baseler Kunstmesse verkauft das Trio seine Produkte: die Zeitschrift und andere Publikationen, z.B. das „Cocktail“-Buch, eine Reihe unlimitierter Multiples wie der „TV Teller“ oder die Stoffwappen. Diese Produkte entsprechen von der Produktion und dem Vetrieb her jenen Objekten der Konsumkultur, deren Form sie gleichzeitig adaptieren. Der Unterschied und der neue Zusammenhang liegt in der Anwendung: Die Objekte dienen nicht nur der Befriedigung des Wunsches nach Fetischen, sondern sind mit amüsanten und mehr noch kulturkritischen Inhalten aufgefüllt.

Bis 1977 arbeitet General Idea am Aufbau ihrer Pavillons. In der anschließenden Phase folgte die metaphorische Destruktion, die Zerstörung durch Brand, der durch Fotografien dokumentiert wird. Einige Zeit später präsentiert „General Idea“ die Relikte und Spuren des Brandes in einer Ausstellung: Bruchstücke, Ruinenteile und zerbrochene Cocktailgläser. Ein Teil des Pavillons war die „Cocktail-Bar“, die die 1980 als Buch publizieren. „Wir verstehen die Colour Bar als eine Art von kulturellem Laboratorium, in dem wir euch servieren können, unseren Freunden … Die Cocktails sind das Medium, in dem eine Kultur heranwächst und dem Gast dargeboten wird.“

Für die Installation „Nightschool“, 1989 parallel zur Art Basel in der Luzerner Galerie „Mai 36“ präsentiert, wird die „Academy of the Miss General Idea Pavillon“ gegründet. Das Trio repräsentiert die Gelehrten, das Mobiliara besteht aus unbenutzbaren Büchern mit ihrem Konterfei auf dem Rücken und einer Tafel, die den Sternenhimmel zeigt. Unbenutzbares Inventar, angesiedelt in der Nacht – der Traumzeit.

Seit Beginn arbeitet „General Idea“ in und mit den verschiedenen Medien: Skulptur, Video, Performances, Fotografie, Malerei und Publikationen. Keinem gilt der Vorzug, keine Hierarchie bestimmt die Einsatzgelegenheiten, auf keines der Verfahren kann „General Idea“ reduziert werden. Entsprechend der Konsumkultur wird das Medium der Verbreitungseffizienz, entsprechend der Kunst-Kultur der größtmöglichen Übereinstimmung von Form und Inhalt ausgewählt. Ihre Position ist dabei von der Assimilierung, Synthetisierung und Kontextualisierung kultureller Einflüsse bestimmt: „Wir sind von der verfügbaren Form besessen. Das unbestrittene Feld der vergessenen Kultur-Hülsen erobernd, manipulieren wir gierig Dinge wie Schönheitswettbewerbe, Pavillons, Bild-Zeitschriften (Live, AdV) und andere zeitgenössische Leichen. Wie Parasiten beleben wir diese toten Körper und sprechen in fremden Zugen.“

„General Idea“ ist ein Grenzgänger im stetigen Hin und Her zwischen einer ironischen und einer kritischen, sozio-kulturellen Haltung, zwischen Mythos- und Theoriebildung. Was in dem visuellen Bereich leicht wie aus dem Alltäglichen entnommen und in den Kunstbereich transformiert, ästhetisch aufbereitet und amüsiert präsentiert wirkt, entspricht derselben Doppelbödigkeit, die den sprachlichen Äußerungen zueigen ist: „Verantwortlich für was? Verantwortlich für das, was sie am besten können: Meinungen verschütten, ohne das Glas zu zerbrechen, Zugänge eröffnen, ohnen den Schlüssel sichtbar zu machen, mit anderen Worten, sie besetzen Bedeutungsfelder, die sie ihrer Bedeutung entleeren, um sie mit neuen Sensibilitäten, angereichert mit verfeinerter Sexualität, mit kämpferischen Haltungen, die wie Tanzschritte daherkommen, mit kodifizierten Cocktails und gestutzten Schwänzen zu füllen. In dieser Zeit, wo die Wirklichkeit knapp wird, wissen die Trendsetter, daß jeder Kontext eine Vielzahl von Bedeutungen beinhalten kann. Ihrer Absicht bewußt, werden sie zu einer kulturellen Armee, die die Randzonen unserer Gesellschaft in das Zentrum zurückdrängt und eine andauernde kulturelle Bewegung erzeugt.“

Was in den meisten Arbeiten von „General Idea“ zweideutig-humorvoll klingt, in in der Serie ihrer AIDS-Bilder von der geballten Ernsthaftigkeit des Themas verdrängt. Der kulturelle Übergriff bedient sich hier Robert Indianas „Love“-Bild, jener wohlbekannten 60er Jahre Pop-Ikone, die als Poster und T-Shirt-Aufdruck allgegenwärtig war. Dieses eine ganze Kultur bestimmende Wort, damals synonym mit gesetzt für ´sexuelle Freiheit´, ist durch sein Antonym, einen ebenso zeittypischen Begriff ersetzt: AIDS. „General Ideas“ AIDS-Bilder werden als Plakate im öffentlichen Raum präsentiert, als Bilder in Galerien und Museen ausgestellt und in Form von imitierten Briefmarken eingesetzt. „General Idea“ schenkte der Deutschen Aidshilfe ein schwarz-rot-goldenes Aidsbild, das als Motiv auf Plakaten und als Signet der Briefbögen die aktuelle Verlosungsaktion der Aidshilfe begleitet. Erste Verhandlungen mit der Deutschen Bundespost werden geführt, um dieses Aids-Bild als Sonderbriefmarke herauszugeben. Diese Bilder sind gänzlich in die bestehenden Produktions- und Vertriebssysteme eingetaucht, die verfügbaren Medien und Strukturen sind dem eigenen Anliegen nutzbar gemacht. Sowohl der Wechsel von Love zu Aids, die Präsentationsformen und -orte der Bilder, die thematik als auch die Methode dieser Serie lassen diese Bilder zum deutichsten Zeichen der generellen idee des kanadischen Trios werden. Denn angesichts der AIDS-Bilder werden jegliche Unterschiedungskriterien zwischen Avantgarde und Kitsch hinfällig. Inhaltlich, formal und methodisch ist der Zusammenhang hergestellt, die kulturelle Bewegung in Gang gesetzt.

(sämtliche Zitate stammen von General Idea)

veröffentlicht in: Kunstbulletin, April 1990