Gerhard Richter: Verborgene Schätze im Rheinland

17. Dez. 2024 in Ausstellungen

Gerhard Richter, Blumen, 1977. Privatsammlung. Courtesy Kunstpalast, Düsseldorf

Eine Ausstellung von Gerhard Richter mit Werken nur aus Privatbesitz im Kunstpalast in Düsseldorf lässt erahnen, warum der deutsche Maler so berühmt ist.

Es ist Samstag früh, in einer halben Stunde wird die Ausstellung „Verborgene Schätze“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast aufsperren. Schon jetzt bildet sich eine lange Warteschlange vor der Tür. Denn gezeigt wird hier Gerhard Richter – ein Liebling im Rheinland. Vor allem aber einer der berühmtesten und teuersten lebenden Maler der Welt. Diese Superlative prägen die Wahrnehmung des deutschen Malers wie kaum etwas anderes und sorgen verlässlich für Besucherrekorde.

Die Beschreibungen errechnen sich aus seinen Ausstellungen, in den 2010er Jahren waren es allein im Rheinland 116 Beteiligungen. Und aus Auktionsergebnissen, seine Werke erzielen Rekordpreise. 2015 brachte sein „Abstraktes Bild 599“ 41 Millionen Euro. Geschätzt worden war es auf 27 Millionen. Wie aber kommt es dazu, dass ein Künstlers derartige Superlative vereint und die Menschen im Rheinland ihren Samstag mit einem Ausstellungsbesuch beginnen?

Gerhard Richter, Schärzler, 1964. Privatsammlung Essen. Courtesy Kunstpalast, Düsseldorf

Keine Gerhard Richter-Retrospektive

Rund 120 Werke sind zu sehen, darunter 80 Gemälde. Das ist an sich keine große Summe, umfasst Richters Oeuvre immerhin stolze 4100 Werke. Die nummeriert er übrigens seit den 1960er Jahren akribisch, daher auch der Zusatz ´599´ in dem Rekordpreis-Bild. Weitere Gemälde werden nicht mehr dazu kommen, seit 2017 malt der 1932 Geborene nicht mehr. „Verborgene Schätze“ ist bewusst keine Retrospektive, das betont Kurator Markus Heinzelmann. Er nennt es eine „Bestandsaufnahme“. Denn das Besondere der Ausstellung ist die Provenienz: Sämtliche Werke stammen aus Privatsammlungen des Rheinlands.

Alles dabei

Die Idee zu dieser Ausstellung entstand in der Coronazeit, um lange und teure Transportwege zu vermeiden. Aber das Konzept geht weit über solche ökonomischen Erwägungen hinaus. Denn die Werke in Düsseldorf lassen ahnen, warum Richter so außergewöhnlich erfolgreich geworden ist. Motivisch entspricht die Auswahl einem Querschnitt seines OEuvres: Seine typischen, nach Fotografien gemalten, verwischten Menschen, Landschaften, Portraits, Städte, Wolken, Kerzen, Berge. „Fotovermalungen“ nennt er es und erklärte einmal: „Ich verwische, um alles gleich zu machen, alles gleich wichtig und gleich unwichtig.“ Auch seine berühmten Farbfelder sind ausgestellt, die den ersten Schritt weg vom Gegenständlichen markieren. Dazu die besonders im Rheinland beliebten abstrakten Grauen, die in der Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer 1970 erstmals ausgestellt wurden. Auch wenige der großen, mit dem Spachtel bearbeiteten Abstrakten aus den 1980er Jahren. Sogar ein skulpturales Experiment ist dabei: eine schmale Röhre, eine Art Skulptur gewordenes Gemälde von 1965. Vieles stammt aus der Sammlung Olbricht, die „Weinernte“ (1968) hat der bekannte Düsseldorfer Fotokünstler Andreas Gursky ausgeliehen. Die meisten der rund 40 Leihgeber allerdings bleiben anonym.

Gerhard Richter, Wolke, 1976. Privatsammlung. Courtesy Kunstpalast, Düsseldorf

Private Schätze

So viele „Schätze“ aus dieser Region kommen nicht von ungefähr. In Dresden geboren, übersiedelte Richter 1961 in den Westen. Ursprünglich wollte er nach München, entschied sich dann für Düsseldorf. Hier studierte er an der Kunstakademie, wo er später jahrelang unterrichtete. In der Region hatte er seine ersten Ausstellungen, in denen ein kaufkräftiges Publikum des bürgerlichen Mittelstands schon früh eine Richter-Vorliebe entwickelte. Ärzte bis Akademiker, aber auch Friseure von Aachen bis Köln gehören zu den ersten Käufern. Die Provenienz unterstreicht auch ein kleines Detail der Präsentation im Kunstpalast. Denn anders als in den meisten Museumsausstellungen wird hier auf eine Vereinheitlichung der Leihgaben verzichtet. So kann man anhand der krass unterschiedlichen, bisweilen allzu üppigen Rahmen ahnen, dass viele Werke von Connaisseuren gekauft wurden, die mit den Werken leben.

Gerhard Richter, Geseke, 1987. Privatsammlung. Courtesy Kunstpalast, Düsseldorf

Sprung in den US-Markt

Begann Richters Erfolg zunächst in dem noch jungen Kunstmarkt auf lokaler Ebene. Das änderte sich Ende der 1980er Jahre. Damals nahm die New Yorker Galerie Marian Goodman den deutschen Maler ins Programm. Mit seinen immer größer werdenden Abstrakten gelang ihm der Sprung auf den US-Kunstmarkt. Das bedeutete einen signifikanten Preisanstieg für seine Bilder – und damit den Ausstieg vieler rheinischer Sammler, was die „Verborgenen Schätze“ auch widerspiegeln. Statt Privatsammlern folgten Aufträge für große Unternehmen im Rheinland, seine beiden Monumentalbilder „Victoria“ I und II hängen bis heute im Foyer einer Versicherung gleich neben dem Kunstpalast und können als Teil der Schau besucht werden.

Mal-Ende

Von den Riesenformaten hat sich Richter schon lange verabschiedet. Seit seinem deklarierten Mal-Ende entstehen nur noch Öl-auf-Fotografie-Blätter und Zeichnungen. Damit ist er heute wieder an dem Punkt, an dem seine Beliebtheit für Privatsammler in den 1960er Jahren begann: Seine Werke sind motivisch harmlos, malerisch meisterhaft, im Format Wohnzimmertauglich. Der Verkaufspreis hat sich allerdings unterdessen mehrfach multipliziert.

Kunstpalast im Ehrenhof, Düsseldorf, bis 2.2.2025
veröffentlicht in: Die Presse, 14.12.2024