Gold in der Kunst

11. Mrz. 2012 in Ausstellungen

Gold in der Kunst – das ist ein weites Feld: „Die nächste Dekade wird die erste Periode sein, in der die Märkte von Schwellenländern mehr zum Wachstum der globalen Ökonomie beitragen werden als die entwickelten Nationen. Die Vermögens-Effekte dieses Phänomens zeigen sich in den Umsatzverteilungen des Kunstmarktes,“ schreibt Clare McAndrew in ihrer gerade erschienenen Marktanalyse für das Jahr 2011 (S. 28). Das ist ein Knalleffekt. McAndrew zieht diese Schlussfolgerung aus ihrer Analyse der Umsatz-Steigerungen im Kunst- und Antiquitätenmarkt: Die größten Wachstumsraten sind nicht mehr in den USA und Europa zu beobachten, sondern in Brasilien, Indien und China. Seit letztem Jahr ist China mit 30 % Marktanteil Tabellenführer und hat die USA (29%) und England (22%) entthront.
Auf 99 Seiten zeigt dieser Report eine epochale Veränderung, die weit über das analysierte Kaufverhalten hinausgeht. Mit diesen Verschiebungen wird zugleich deutlich, dass der geopolitische Westen seine Vormachtstellung über ästhetische Parameter verliert. Wohin das bereits geführt hat, zeigt gerade eine Ausstellung in Wien. Unter dem schlichten Titel „Gold“ zeigt der Gastkurator Thomas Zaunschirm im Belvedere über 200 Arbeiten von 125 großteils zeitgenössischen, westlichen Künstlern, die allesamt das Material Gold verwenden. Echtes Gold, wohlgemerkt – das garantiert die Expertise von 10 Restauratoren, die jede Arbeit untersuchten.
Gerade im Barockschloss Belvedere ist das ein perfektes Thema, ist Gold hier doch sowohl in der Architektur als auch in der Sammlung vom Mittelalter bis zu Klimt ein „roter Faden“ (Agnes Husslein-Arco). Im Mittelalter diente das Material Gold der sakralen Erhöhung und flächigen Weltdarstellung. In der Renaissance ließ die Zentralperspektive keinen Platz mehr dafür, statt Heiligenbildern entstanden Landschaften und Portraits. Gold verschwand bis auf wenige, lange Zeit dafür auch stigmatisierte Werke aus der Kunst des Westens.
Das Thema Gold in der Kunst sei eine „Wüste der kunsthistorischen Forschung“, erklärt Zaunschirn sein Interesse am Thema. Kunsthistorisch gesehen ist ihm eine fantastische Ausstellung gelungen, die noch dazu hoch aktuelle Fragen eröffnet: Welche Rolle spielt Gold in unserer Gesellschaft? Nehmen wir es als Mittel der sakralen Erhöhung, als wohlgefälliges Material, als Garantie für Wert oder als transkulturelles Bildelement wahr? All dies trifft zu, zeigt uns die Ausstellung. Mehr und mehr Künstler benutzen Gold, wenn auch manchmal nur ein einziges Mal: Ian Anüll, Chris Burden, Helmut Federle, Nedko Solakov, Imi Knoebel, sogar Franz West und Gerhard Richter haben sich an dieses so lange tabuisierte Material herangetraut. Manche wie General Ideas goldene AIDS-Buchstaben und Robin Rhodes goldener Spaten im Kohlehaufen spielen mit dem Kontrast; andere wie Knoebel schätzen wohl die Flächigkeit, manche veredeln ihr Thema wie Abbas Akhavans Landschaften oder übertragen das Sakrale ins Profane wie Peter Murphys Jimi Hendrix- und Kurt Cobain-Portraits.
Mit solchen Werken überschreitet die Ausstellung allerdings schmerzhaft die Grenzen zum Kitschigen. Das bekannte Kuratorenproblem: thematisch passend, qualitativ durchwachsen. Aber gerade die unerbittlichen Qualitätsschwankungen zu Gold in der Kunst legen hier interessante Fragen nahe: Hängt die Rückkehr des Goldes in der Kunst vielleicht mit eben jener Entwicklung zusammen, die in McAndrews Analysen beschrieben wird? Entkräftigt der seit 1991 um 575% gewachsene Kunstmarkt und die darin enthaltene Gleichsetzung von Kunstkauf und Investment das Gold-Tabu? Das würde bedeuten, dass nicht nur der Markt, sondern auch die Künstler die Anlageformen Gold und Kunst schlicht gleichschalten würden. Verliert der Kitsch-Vorwurf in einer globalisierten Sammlerwelt seine Macht? Inwieweit beeinflusst der globalisierte Kunstmarkt die Werke westlicher Künstler? In anderen Kulturen gab es nie ein Gold-Tabu, die sakralen Assoziationen werden nicht gefürchtet, die glänzenden Flächen gelten nicht als Kitsch, Gold als Ausdruck von Reichtum ist nicht verpönt. Offensichtlich passen die westlichen Künstler die kunsthistorisch tabuisierte einer globalisierten, gesellschaftlich anerkannten Gold-Bewertung an. Ob wir dann auch unsere Qualitätskriterien globalisieren, ist angesichts der Kunstmarktentwicklung letztendlich unwichtig: In der nächsten Dekade werden wir eh kaum noch Vorgaben festlegen.

Gold, Unteres Belvedere, Orangerie und Prunkstall, 15.3.-17.6.2012
veröffentlicht in: www.artnet.de