Traditionell endet die Voreröffnungswoche der Biennale Venedig mit der Goldene Löwen – Verleihung. Dieses Jahr gab es eine große Überraschung: Vor drei Jahren teilten sich drei Künstlerinnen ein Stipendium an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart: Theater- und Filmregisseurin Rugilė Barzdžiukaitė, Autorin Vaiva Grainytė und Komponistin und Performancekünstlerin Lina Lapelytė. Während ihres Aufenthalts entwickelten sie ihre Opern-Performances „Sun and Sea“, die 2016 in Stuttgart Premiere hatte und 2017 in Braunschweig in voller Länge im Staatstheater aufgeführt wurde.
Jetzt ist „Sun and Sea (Marina)“ in Venedig zu sehen, denn die Drei vertreten Litauen auf der 58. Biennale Venedig – und haben damit auch gleich den Goldenen Löwen für den besten Länderpavillon geholt: Im Arsenale ist ein künstlicher Strand angelegt, Frauen liegen in Liegestühlen, Kinder spielen im Sand, Großmütter hocken auf Decken. Plötzlich beginnen sie zu singen, über Sonnenbrand und Urlaub, aber auch über Klimawandel oder Artensterben. Bisher wurden immer eigens für Venedig entworfene, neue Werke prämiert, diese Juryentscheidung irritiert daher sehr.
In den tagelangen Spekulationen über mögliche Preisträger galten Frankreich und Ghana als Favoriten – die allerdings leer ausgingen. Stattdessen erhielt Joos de Gruyter und Harald Thys´ Kabinett der mechanischen Puppen, die von hinter Gittern ausgesperrten Figuren beobachtet werden, im Belgischen Pavillon eine spezielle Erwähnung ob des „alternativen Blicks auf unterrepräsentierte Aspekte sozialer Beziehungen in Europa“, wie die Jury auf der knapp einstündigen Verleihungszeremonie für Goldene Löwen erklärte.
Erwartbar war die Entscheidung für Arthur Jaffa (USA), dessen Video „The White Album“ in der Hauptausstellung Rassismus thematisiert. Jaffa trat mit Sonnenbrille auf und war derartig gerührt, dass er die Bühne erst einmal fluchtartig wieder verließ, bevor er sich den Fotografen stellte.
Der Silberne Löwe für eine vielversprechende, junge Position ging an die in Berlin lebende Haris Epaminonda (1980, Zypern) – die zur 52. Biennale Venedig 2007 den Pavillon ihres Landes bespielt hatte und jetzt in der Hauptausstellung ein dreidimensionales Bild zeigt.
Zwei spezielle Erwähnungen vergab die Jury an Teresa Margolles (1963, Mexiko), die in ihrer Dankesrede einmal mehr die Banden- und Drogenkriminalität in Mexiko anprangerte, und Otobong Nkanga (1974, Nigeria) für ihre „fortwährenden und inspirierenden Erkundungen“ in „Land, Körper und Zeit“.
Schon zuvor hatte die Biennale bekannt gegeben, das Jimmie Durham zur 58. Biennale Venedig einen Goldenen Löwen für sein Lebenswerk erhält, wofür er sich auf der Bühne mit einem kurzen Song bedankte. Er habe es in der Früh vorbereitet, erklärte er auf Rückfrage, es seien die Worte „good morning, good morning sun“ in verschiedenen Sprachen.
Während der Voreröffnungstage finden in Venedig zahlreiche Parallelveranstaltungen statt, die die große Menge des versammelten Fachpublikums adressieren – 5232 Journalisten akkreditierten sich dieses Jahr (davon 3242 internationale, 1993 aus Italien). So luden die neugegründete Helsinki Biennale und die 2. Riga Biennale (RIBOCA) zu einem Aperitif, um die Ausgaben 2020 anzukündigen. Beim Dinner der Gwangju Biennale im Hotel Monaco stellten die Kuratorinnen Natasha Ginwala und Defne Ayas ihr Programm vor, und die Lyon Biennale lud zum Frühstück in das Hotel Metropole, bei dem das sechsköpfige Kuratorenteam im Schnelldurchgang die gut 50 KünstlerInnen erklärten.
Allen kommenden Biennalen ist gemeinsam, dass die Themen hoch politisch angelegt sind, Migration, Indigenität, Rassismus, aber auch Mystik und Natur darin einbindend – eine Mischung, die sich auch in den Preisvergaben in Venedig widerspiegelt.