Gute Malerei

14. Jul. 2016 in Kunstmarkt

Jan Merta, The South-Moravian-Bavarian Spring, 2016. Galerie Martin Janda

Jan Merta, The South-Moravian-Bavarian Spring, 2016. Galerie Martin Janda

Schon so oft wurde sie totgesagt und lebt heute besser denn je: die Malerei. Es ist das schwierigste künstlerische Medium und zugleich das beliebteste. Galerien sind ständig auf der Suche danach, denn nichts ist auf dem Kunstmarkt so gefragt und so selten wie gute Malerei. Aber was sind die Kriterien dafür, wo beginnt das Spiel mit Formen und Farben von hübscher Dekoration in qualitätsvolle Kunst umzuschlagen? Gerade widmen zwei Wiener Galerien den Tafelbildern ihre Sommerausstellung – ob die Profis Gründe für gute Malerei nennen können?

Benjamin Butler Abstract Forest, 2013 Öl auf Leinen, Galerie Martin Janda

Benjamin Butler
Abstract Forest, 2013
Öl auf Leinen, Galerie Martin Janda

„Three path to the lake“ heißt die Schau in der Galerie Martin Janda frei nach einem Buch von Ingeborg Bachmann. Die Werke der sieben KünstlerInnen kreisen um die Frage, welche Rolle die sichtbare Welt in der Malerei spielt. Mit der westlichen Avantgarde wurden erst die akademischen Traditionen, dann der Gegenstand und zuletzt das Können gekippt. So steht für Maler heute alles offen, was umgekehrt bedeutet, erst einmal das Grundsätzliche zu klären: Was soll wie auf die Leinwand gebracht werden, in welcher Technik mit welchem Anspruch? Benjamin Butler hat eine konsequente Antwort gefunden: Er malt Äste, Bäume, Wälder – aber eigentlich ist das Sujet unwichtig. Es ist nur Anlass für Malerei, für einen wunderbaren Tanz aus Farben und Formen. Janda nennt es „ein enges Korsett, das Butler malerisch variiert, ohne erzählerisch zu werden“ (ab 4.900) – die Nähe zur Wirklichkeit ist hier nur eine Fußnote.
Ähnlich ist es bei Jan Merta. Auf einem Bild erkennen wir einen Fuß, der auf etwas tritt. Aber die raumlose, grüne Fläche davor zerbricht diesen Verweis auf eine außerbildnerische Wirklichkeit, auch wenn man noch immer „eine Gewalt in dem Bild spürt“, wie Janda erklärt (6.800).

Svenja Deininger Untitled, 2015 Öl auf Leinwand, Galerie Martin Janda

Svenja Deininger
Untitled, 2015
Öl auf Leinwand, Galerie Martin Janda

Sind es die Emotionen, die für gute Malerei sprechen? Auch in Svenja Deiningers Werk erleben wir eine enorme Kraft, die hier von einem ungegenständlichen Bild ausgeht: Die mit spitzen Ecken und weichen Kurven geformte Leinwand ist nur mit farbigen Streifen bemalt (15.9000). Und doch hat es in seiner reinen Abstraktion eine bemerkenswerte Aggressivität, die einen realen Freiraum um das Bild herum erzwingt.

Maja Vukoje, Kiwano, 2016. Acryl auf Jute, Galerie Martin Janda

Maja Vukoje, Kiwano, 2016. Acryl auf Jute, Galerie Martin Janda

Dezidiert im Bild bleibt Maja Vukoje, die in „Kiwano“ das Keilrahmen-Kreuz der Leinwand bildwirksam macht, indem sie die Schale der Frucht auf einer semitransparenten Leinwand malerisch um das Rahmenholz herumdreht (10.000). Zum Kriterium der Emotionen kommt also noch der Anspruch, die physische Wirklichkeit in den Bildraum zu flechten?

Sanam Khatibi, With tenderness and longing, 2016. Christine König Galerie

Sanam Khatibi, With tenderness and longing, 2016. Christine König Galerie

Auch in der Christine König Galerie ist die Spannbreite weit – treffen wir dort auf ähnliche Ansatzpunkte für Kriterien? Ausgangspunkt von „Summer in the city“ ist ein Zitat von Georg Baselitz, der 2010 behauptete: „Frauen malen nicht so gut. Das ist ein Fakt.“ Um den Gegenbeweis anzutreten, wählte König zusammen mit Robby Greif 13 Malerinnen aus, deren Bildsprachen in einer „seltsamen Uneinheitlichkeit“ (König) von figurativ bis abstrakt reichen. Gleich im Eingang prallen die akademische Malerei von Sanam Khatibi mit zwei Nackten in einer arkadischen Landschaft (9.000) auf Marlen Letetzkis asiatisch reduzierte Bilder mit feinen Farbnuancierungen (2.500) und das brachiale Motiv eines düsteren Stiegenabgangs von Lea Asja Pagenkamper (11.000).

Katherina Olschbaur, Reflections Distractions, Öl/Lw, 2015. Christine König Galerie

Katherina Olschbaur, Reflections Distractions, Öl/Lw, 2015. Christine König Galerie

Lea Asja Pagenkamper studierte bei Baselitz. Sie stellt ihre Sujets zwar nicht wie ihr Lehrer auf den Kopf, bedient sich aber auch der verlaufenden Farbspuren – hier wird die Diskrepanz zwischen physischer und Bildwirklichkeit betonen, die man bei gegenständlichen Sujets so leicht vergisst. Auch Khatibi sucht eine Brechung, wenn sie in die Idylle der Nackten mit aufgehängten Kaninchen kombiniert. Ohne jegliche Erzählung kommt Flora Hauser in ihren unglaublich filigranen Linienbildern aus (6.400). Und Katherina Olschbaur spielt mit den Lichtreflektionen auf einer Vitrine (4.500), um die vielen Ebenen der Wahrnehmung und Räume ins Bild zu holen.

Jan Merta, Výtvarná výchova I, 2011. Galerie Martin Janda

Jan Merta, Výtvarná výchova I, 2011. Galerie Martin Janda

Was also ist jetzt gute Malerei, wenn so viel möglich ist? „Das ist für jeden etwas anderes“, erklärt Greif, deswegen zeigen sie in der Galerie ja so ein breites Spektrum. Auch Janda kann keine klaren Kriterien nennen. „Inhalt, Form, Farbe – alles muss zusammenspielen. Es gibt keine Vorgaben, was erfüllt werden muss, um von guter Malerei zu sprechen.“ Schaut man sich die beiden Malereiausstellungen an, kann man zumindest zwei Kriterien aufstellen: Gute Malerei beginnt bei spannungsvollen Bildfindungen, die sich nicht mit einem 1:1-Abbilden der sichtbaren Wirklichkeit begnügen. Gute Malerei schafft einen (Bild-)Raum, den wir ähnlich intensiv erleben können wie unsere physische Wirklichkeit. Und dann ist es sicher noch hilfreich, wenn über die Werke mehr gesagt werden kann als nur, was in welcher Technik abgebildet ist. Das bestätigt auch Janda: „Der Druck für Maler ist heute sehr groß, sich in einen Diskurs einzubringen.“ Um von Kunden und Kuratoren geschätzt zu werden, müsse heute auch das, „was im Hintergrund des Malens stattfindet, thematisiert werden“.

veröffentllicht in: Die Presse, 10.7.2016
http://www.martinjanda.at/de/
http://www.christinekoeniggalerie.com/