Schon seit Jahren sei es ihr ein Anliegen gewesen, den Kärntner Maler Hans Bischoffshausen zu zeigen, sagt Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco: „Es hat mich wahnsinnig geärgert, dass seine Bilder nicht in den großen, internationalen ZERO-Ausstellungen in New York und Paris zu sehen waren.“
Denn der 1927 geborene Maler gehört mit seinen radikal reduzierten Werken in die erste Reihe dieser Bewegung – und genau das will das Belvedere mit der großen Personale in der Orangerie im Unteren Belvedere beweisen. 92 Arbeiten sind zu sehen, dazu 20 Werke seiner berühmten Zeitgenossen, mit denen ihn mehr als nur eine lange Freundschaft verband.
Zur Malerei kam Bischoffshausen über einen Umweg. Er begann zunächst ein Architekturstudium in Graz, wandte sich nach einem Jahr ab und ab 1947 ausschließlich der Malerei zu. Im Belvedere sieht man in den frühen Bildern mit den filigranen, schwebenden Formen deutlich den Einfluss von Paul Klee.
Mitte der 1950er Jahre lernte er das Werk des italienischen Meisters Lucio Fontana (1899-1968) kennen – eine zentrale Begegnung, die zu einer maßgeblichen künstlerischen Wende, zu einer lebenslangen Freundschaft und gemeinsamen Ausstellungen führte. Sind Sturz´ – so nannte ihn seine Frau Helene – frühen Bilder eher dunkel und eine „Materialschlacht in Asphalt, Asche, Firnis und Blech“, wie er einmal erklärt, so „ergibt sich der Durchstoß 1956/57 zur eigenen Formsprache“. 1959 erfüllt sich dann sein Traum: Er übersiedelt nach Paris, damals noch die Hauptstadt der Avantgarde. Dort lebt er in einem aufgelassenen Kühlhaus mit seiner Familie in überaus ärmlichen Verhältnissen, „mit Ratten und Flöhen“, wie seine Frau später erzählte. Dort entstanden einige seiner eindringlichsten Werke, weiße Leinwände, durchlöchert, gebrannt, mit nahezu farblosem Seidenpapier, aber auch mit Goldlack.
Schon bald gehörte der Maler zu der weltweiten Bewegung der ZERO-Künstler – ein Begriff, den die Düsseldorfer Otto Piene und Heinz Mack 1958 geprägt hatten. Die Grenze zwischen Bild und Skulptur sollte aufgehoben, Bewegung integriert, Farbe reduziert, Figürliches ausgeschlossen werden. Sie sahen Fontana als ihren geistigen Vater, bald breitete sich ZERO als Netzwerk von Kollaborationen und Austausch weltweit aus. Yves Klein in Paris, Piero Manzoni in Italien, Antoni Tapies in Spanien gehörten dazu, mit vielen stellte Bischoffshausen ab 1961 in der Klagenfurter Galerie von Heide und Ernst Hildebrand aus. 1972 zog er zurück nach Kärnten, erste Erblindungserscheinungen begannen, 1987 starb er.
Wie sehr Bischoffshausen von Anfang an mit der ZERO-Gruppe verbunden war, hat das Belvedere dank des Archivs mit über 150 Dokumenten, Briefen und Zeitungsausschnitten der Galerie Hildebrandt aufgearbeitet. In der Ausstellung helfen direkte Vergleiche mit Werken der Zeitgenossen aber auch, die feinen Unterschiede zu betonen: Anders als Fontanas räumlich-dynamische Lochmuster verfolgte Bischoffshausen eine „strukturelle Malerei,“ betont Kurator Harald Krejci. Anders als Manzoni arbeitete er gerne in Serien, die Löcher folgten einer strengen Rasterung. In dieser Phase ging Bischoffshausen bis an den Rand des Sichtbaren, „das Malen ist ein Scheitern,“ hatte er einmal gesagt – nicht an der Kunst, sondern an der künstlerische Annäherung an die Wirklichkeit. Aber vielleicht war es auch auf seine Erfolge als Künstler gemünzt, denn eine große Anerkennung blieb ihm zu Lebzeiten verwehrt – was vielleicht auch an den späteren Stichmännchen-Werken ab Mitte der 1970er Jahre liegen mag. Das Werk der ZERO-Zeit dagegen ist ohne jeglichen Zweifel auf höchstem internationalen Niveau und lässt einen wundern, wieso dieser Künstler nahezu vergessen wurde. Zugleich erstaunt die Ausstellung auch. Denn was uns gestern noch muffig und passé erschien, entdecken wir zunehmend begeistert wieder – liegt das vielleicht daran, dass in der zeitgenössischen Kunst solche radikale, reduziert-dynamische Kunst kaum noch zu finden ist?
Hans Bischoffshausen, Mehr als Zero, Orangerie im Unteren Belvedere, bis 14.2.2016