Im Juni installierte Heimo Zobernig einen „Weißen Kubus“ mitten in den Luftschacht des Museums für Moderne Kunst in Wien. Dieser große, leere Luftschacht bildet zusammen mit dem Treppenhaus und der gläsernen Aufzuganlage den überproportional dominanten Kern des Museums. Waren die beiden Flügel bisher unverbunden, hat Zobernig jetzt einen Übergang geschaffen. Der Kubus ist zugleich eine Rückeroberung dieses Ortes für die Kunst und ein notwendiger architektonischer Eingriff. Denn der Kubus bildet auf der Ebene 6 den Übergang zwischen den Ausstellungsräumen, in denen jetzt Zobernigs sehr umfassende Einzelausstellung zu sehen ist.
FRÜHE WERKE
Es beginnt mit seinen frühesten Werken von 1978, Texten, Fotografie-Text-Kombinationen und seiner Abschlussarbeit des Bühnenbild-Studiums 1983. Diese kleinen Modelle waren als Grundtypen theatralischer Orte entworfen, Tore, Treppen oder Platzsituationen. Retrospektiv ausgestellt, lesen sich diese Werke als erste Formulierungen seiner späteren Skulpturen und Installationen. Auch die geometrischen Formen seiner frühen Gemälde Mitte der 80er Jahren, damals noch in konstruktivistischer Manier, bleiben als Grundvokabular bis zu den heutigen Werken gültig – den Rechtecken, Rastern und Gittermustern seiner jüngsten Gemälde.
Die Ausstellung beginnt streng chronologisch, um dann in eine beeindruckende, den Raum perfekt strukturierende Installation zu münden. Hier ist das gesamte Arrangement gleich bedeutsam wie jedes einzelne Werk. Hier verwandeln sich dann auch die frühen Modelle in eine Art Leitmotiv, denn jede Einzelpräsentation ist zugleich ein Ort, eine Situation: der Kubus mit abgehängter Decke, die farbigen Tücher, die an anderer Stelle als Netz um eine Säule geschlungen sind, die Raumecke mit Schalldämmplatten, das Oktagon – all diese Stationen sind Orte für mögliche Geschehnisse, funktionale Raumelemente und autonome Skulpturen. Die Gitterwand, auf der achtzehn Gemälde eng über- und nebeneinander präsentiert sind, funktioniert zugleich als Trennwand und wiederholt bildliche Motive. Die über den Raum verstreuten Monitore greifen die Form der Kuben auf und dienen der Präsentation von Zobernigs Videos – die in ihrer Emotionalität und Expressivität einen spannende Gegenpol zur Strenge der Bilder und Skulpturen bilden. Die Kuben der späten 80er Jahre sind zugleich autonome Skulpturen und als Sockel für ein Werk des österreichischen Bildhauers Fritz Wotruba (1907-1976) ausgestellt.
FUNKTION & AUTONOMIE
Funktion und Autonomie stehen dicht nebeneinander. Die Irritation, ob die Installation mit drei Tischen, leerem Zeitschriftenständer, kleiner Theke und einem Wandelement inklusiv Tür, als Skulptur oder als Möblierung zu verstehen ist, verliert ihre Widersprüchlichkeit. Auch die Frage, ob der gesonderte Raum auf Ebene 7 mit leeren Stuhlreihen, ausgerichtet auf einen leeren Tisch, als Raum für Diskussionen oder Videovorführungen benutzt werden soll, ist irrelevant. Bedeutung entsteht durch Kontext, Ambivalenzen sind per se enthalten, die Antwort ist die Frage. Das wird umso deutlicher bei der Überlegung, ob es sich hier um eine Retrospektive oder eine einzige, aktuelle Installation handelt – beides gilt gleichermaßen. Einseitige Klärungen sind nicht in Zobernigs Sinne, was sich auch in all den Titeln ablesen läßt: „o.T.“ – „um die Fülle ihrer Interpretationen nicht einzuschränken“, was Helmut Draxler in seinem Katalogbeitrag erwähnt. Der Katalog, „Austelung Katerlog“ betitelt, ist denn auch der dritte ´Raum´ dieser Ausstellung, geplant mit 480 Seiten, 600 Abbildungen und acht erklärenden Katalogtexten. „Das Werk generiert Interpretationen, serialisiert sie und macht sie damit gleichrangig, zum puren Diskurs“ formuliert es Draxler. „Die Fiktion einer eigenen Wahrheit schwindet.“
(Heimo Zobernig, Museum Moderner Kunst, Wien, bis 2.3.2003; anschließend Kunsthalle Basel, 4.4.-23.6.2003 und K21, Düsseldorf, 12.7.-9.11.2003)