Heimo Zobernig + Abdulnassar Gharem in Sharjah

09. Nov. 2018 in Ausstellungen

Abdulnasser Gharem, Foto SBV

Abdulnasser Gharem, Foto SBV

Heimo Zobernig und Abdulnasser Gharem – unterschiedlicher könnten Künstler kaum sein. Jetzt sind ihre Werke gemeinsam in Sharjah ausgestellt, gebündelt unter dem noch überraschenderen Attribut „subversive Skulptur“. Gharem, neulich noch Offizier in der saudi-arabischen Armee, gilt als ultimativer Superstar des jungen arabischen Kunstmarkts. In seiner nicht einmal zehnjährigen Künstlerkarriere sind seine Werke schon in den siebenstelligen Bereich gestiegen. Ausstellungsort ist ein Museum in Sharjah, dem kleinen Nachbaremirat von Dubai. Zwar verfügt Sharjah nicht über eine so atemberaubende Museumsarchitektur wie das Louvre Abu Dhabi, auch nicht über eine ausgeprägte Galerienszene wie Dubai. Aber hier findet seit 1993 die wichtigste Biennale des Nahen Osten statt. Dafür entstanden in den letzten Jahren perfekte Räume inmitten des historischen Altstadtviertels, die auch für programmatische Ausstellungen genutzt werden.

Frank Bowling, 
Dog Daze (A to A), 1971, 
Private Collection, Germany

Frank Bowling, 
Dog Daze (A to A), 1971, 
Private Collection, Germany

Gerade eröffnete hier die umfassende Einzelausstellungen des britischen, 1934 in der Karibik geborenen Malers Frank Bowling mit großartigen, abstrakt-expressionistischen Riesenformaten aus den 1960er Jahren. Aus den 1990er Jahren stammt das Sharjah Art Museums, in dem jetzt Zobernig und Gharem ausstellen. Im orientalistischen Stil mit langen Gängen angelegt, rechts und links von boxenartigen Räumen gesäumt, steht jedem ein eigener Flügel zur Verfügung. Es ist eine Gastausstellung, organisiert von der Kölner Galeristin Brigitte Schenk, die seit 17 Jahren mit Hoor Al Qasimi zusammenarbeitet – der Prinzessin von Sharjah, dem Mastermind des Kunst- und Kulturschwerpunkts. Als Kuratorin wurde Amira Gad von den Londoner Serpentine Galleries engagiert, die beide Künstler unter dem bedeutungsvollen Titel „Subversive Formen sozialer Skulptur“ bündelt.

Abdulnasser Gharem, courtesy artist u. Galerie Brigitte Schenk

Abdulnasser Gharem, courtesy artist u. Galerie Brigitte Schenk

Subversiv? Zobernig zeigt eine kleine Retrospektive, darunter teils nie zuvor ausgestellte „Schlüssel- und Lieblingswerke“, wie er im Gespräch sagt, etwa das kleine, pastose Bild in Form eines Ornaments.

Heimo Zobernig, untitled, 1982, 46 x 46 x 6 cm photo: archive HZ

Heimo Zobernig, untitled, 1982, 46 x 46 x 6 cm. photo: archive HZ

Die meisten Werke sind zwar streng minimalistisch, tragen aber trotzdem Bedeutung, wie er betont. Zobernig spricht von „Postformalismus“: „Die Formen sind ja nicht hohl, sind unvermeidlich immer mit Bedeutung aufgeladen und haben sich weiterentwickelt.“ Abdulnasser Gharem dagegen schert sich nicht um die Geschichte der künstlerischen Sprachen, sondern hat die Veränderung der Gesellschaft im Blick: Er thematisiert Restriktionen wie das Verbot von Aktmalerei, Separatismus, Probleme der Religionen. Mit hunderten kleiner Stempel setzt er Bilder zusammen, die etwa einen Panzer inmitten von Ornament zeigen oder Soldaten mit Gewehren in einer Moscheekuppel. Darin sind verborgene Botschaften in Spiegelschrift eingefügt, teilweise die Schlagzeilen von der 9/11-Attacke – dem zentralen Wendepunkt in der Geschichte der arabischen Nationen, wie er erklärt. „Seither ist alles anders.“

Abdulnasser Gharem, Hejamah, 2015, Video (4:52 min) Courtesy of the artist and Galerie Brigitte Schenk, Cologne

Abdulnasser Gharem, Hejamah, 2015, Video (4:52 min). Courtesy of the artist and Galerie Brigitte Schenk, Cologne

In einem Video wird er explizit: Auf den Rücken eines Mannes ist die Landkarte der Arabischen Welt tätowiert, darauf werden Schröpfkegel gesetzt und die Haut eingeritzt. „Das schlechte Blut muss ausgetauscht werden“, erklärt Gharem dazu. Er glaubt an eine Erneuerung der arabischen Gesellschaften, und die Künstler würden darin einen zentralen Teil übernehmen, betont er. Darum hat er auch in Riad sein Gharem Studio gegründet, wo er kostenlos junge Studierende ausbildet. Jüngst ging er mit deren Werken auf eine USA-Tournee, wo auch das Drahtgestell in Form einer Moschee zu sehen war – das deutlich an ein Gefängnis erinnert.

Abdulnasser Gharem, Hemisphere, (sculpture), 2016 Printed resin, CNC milled polyurethane, steel frame, graphite paint and enamel Courtesy of the artist and Galerie Brigitte Schenk, Cologne

Abdulnasser Gharem, Hemisphere, (sculpture), 2016
Printed resin, CNC milled polyurethane, steel frame, graphite paint and enamel
Courtesy of the artist and Galerie Brigitte Schenk, Cologne

Was aber ist subversiv in Zobernigs Werk, und was haben die Werke dieser beiden Künstler überhaupt gemeinsam? Zobernigs Antwort darauf: „Gemeinsam ist die Farbe Grün“ – also eigentlich nichts. Bei ihm als farbbasierte Bildfreistellungskulisse eingesetzt, ist Grün bei Gharem die Farbe des Islam. In seiner Skulptur einer Moschee-Kuppel thematisiert er den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, die goldene Seite ist mit schiitischem Ornament verziert – und zugleich erinnert es an einen Kampfhelm mit Nasenschutz. „Wir haben den radikalen Individualismus. Für die Kunst fragt sich da, was die Themen sind und wie sich die Kunst weiterentwickelt. Bei Gharem ist es eher die Frage, was die Kunst in der Gesellschaft darf“, erklärt Zobernig.

Heimo Zobernig, untitled, 1993. Greenbox Trevira Television CS. Foto: archive HZ

Heimo Zobernig, untitled, 1993. Greenbox Trevira Television CS. Foto: archive HZ

Und die Subversion? Bei Zobernig könne man von einer „subversiven Ästhetik, bei Gharem von einer subversiven Ethik“ sprechen, fasst es Schenk zusammen und betont, gerade die Unterschiede lassen die beiden Werke umso stärker wirken. Am Tag der Eröffnung war in der lokalen Zeitung zu lesen, dass Mohammed bin Zayed, Kronprinz von Abu Dhabi, gerade eine Neuausrichtung festgelegt: Investment, Gesellschaft, Wissen und Innovation, und als unerwartete vierte Säule Lifestyle. Kultur kommt nicht mehr – ein klarer Mangel, wie diese Doppelausstellung in Sharjah gerade eindrücklich beweist.

Al Mureijah Sqaure, 2017. Aerial View. Image courtesy of Sharjah Art Foundation

Al Mureijah Sqaure, 2017. Aerial View. Image courtesy of Sharjah Art Foundation

Sharjah Art Museum, Vereinigte Arabische Emriate, bis 17. November