Hermann Nitsch: Malerei als Wühlen in Gedärmen

30. Jun. 2020 in Ausstellungen

Hermann Nitsch - Neue Arbeiten © Hermann Nitsch, Fotos Manfred Thumberger

Hermann Nitsch – Neue Arbeiten © Hermann Nitsch, Fotos Manfred Thumberger

In den 1960er Jahren löste Hermann Nitsch mit seinem bluttriefenden Orgien-Mysterien-Theater Skandale aus. Heute ist er ein Kunstmarktstar, seine Schüttbilder fehlen in keiner wichtigen Sammlung. Seit 2007 gibt es sogar gut eine Autostunde von Wien entfernt ein Nitsch Museum. Zwar ist auf dem Gelände einer ehemaligen Fabrik in Mistelbach noch ein weiteres Museum untergebracht, aber die große Halle ist einzig Nitsch gewidmet, für eine permanente Historie und wechselnde Präsentationen.
img_1858Dort zeigt er jetzt „Neue Arbeiten“, die in der „81. und 82. Malaktion“ (Pressetext) zwischen Juli 2019 bis April 2020 entstanden: helle, farbenfrohe Tafelbilder, die nicht mehr geschüttet, sondern geknetet sind. Die Farbe ist dick aufgetragen und mit den Händen verteilt. Ausgestellt sind 80 neue Werke, dicht an dicht an den Wänden und dazwischen auf dem Fußboden, kombiniert mit historischen Messgewändern und davor opulente Sträuße voller Gladiolen – ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung: Wir sehen nicht „bemalte Bildtafeln, sondern es ist die Installation eines sakralen Raumes“, betont Nitsch im Gespräch.

Hermann Nitsch (c) nitsch museum_Renate Heger

Hermann Nitsch (c) nitsch museum_Renate Heger

Wie wichtig ist ihm die Malerei in dieser Installation? „Mein Hauptwerk ist mein Theater,“ stellt er erstmal klar. Die Aktionsmalerei sei nur eine Stufe davon. Ursprünglich sei es ihm um die Substanz der Farbe gegangen, kaum um den Farbklang, obwohl bei „Fleisch und Blut schon prächtige Farben auftauchten“. Jetzt ist die Farbmaterie farbig geworden: „Ich hoffe, dass sich mein Werk zu einer glühenden Farbmaterie entwickelt.“ Es mache ihm eine „große Freude“, sich „auf die blumenfarbige Leuchtkraft der geschmierten Farbsubstanz zu konzentrieren. Mehr denn je ist mir die Auferstehung ein Prinzip“, wird er im Pressetext zitiert. Und fügt im Gespräch hinzu: Seine Malerei habe mit „Wühlen in Gedärmen zu tun“, ein Tier ausweiden sei ein „Malakt“ – das sage er, damit seine Malerei „nicht zu gemütlich wirke“. (SBV)
Nitsch Museum, 1.7.2020-25.4.2021
veröffentlicht: Kunstforum online, 30.6.2020