Interview mit VIENNAFAIR-Investor Sergey Skaterschikov, 2012

05. Apr. 2012 in Interview

Sergey Skaterschikov // Foto: Teresa Zötl

Sergey Skaterschikov // Foto: Teresa Zötl

„Wir reden hier über Kunst ab 2 Millionen Dollar“

Der russischen Investment-Spezialisten Sergey Skaterschikov übernahm heuer die Mehrheit an der Wiener Kunstmesse Viennafair. Skaterschikovs Interesse gilt der Kunst als Geldanlage. Das ist eine Perspektive, die einem Kunstkenner der alten Schule den Boden unter den Füßen wegreißt, aber auch vieles erklärt, etwa den Erfolg von Koons und Konsorten. Denn wer Kunst als Investment kauft, der benötigt kein Wissen über Kunstgeschichte, keine Werkinterpretationen und auch keinen Blick für künstlerische Innovationen oder Qualitäten. Stattdessen zählen „no-nonsense“ Diskussionen über Risiko und Rendite, Transaktions-Transparenz und Besitzer-Kosten, erklärt Skaterschikov im Gespräch mit artnet.

Sie sind an mehreren Unternehmen beteiligt, haben sich mit Risikokapital-Geschäften beschäftigt und jetzt die Wiener Kunstmesse Viennafair übernommen – wie kamen Sie zur Kunst?

Das war 2004. Mit Picassos „Junge mit Pfeife“ (1905) wurde in dem Jahr erstmals ein Kunstwerk auf über 100 Mill. Dollar gesteigert und mich interessierte Kunst als Investment. Aber es gab dafür keinerlei analytisch gewonnenen Grundlagen. Nur zwei Unternehmen boten Datenbanken an, Artprice und Artnet, die aber Künstler-orientiert aufgebaut waren. Damals schien das nahe liegend, kam mir aber ohne jegliche Markt-relevanten Informationen esoterisch vor. Mit dem Aufbau einer auf Faktenanalysen und Statistiken basierenden Datenbank begann ich dann 2004 mein neues Unternehmen „Skate´s Art Investment“. Heute beraten wir Sammler und Betriebe in der Kunstindustrie.

Wie also entstehen diese Preisdifferenzen?

Ich betrachte das aus einer statistischen Perspektive. Erstens muss Liquidität vorherrschen. Ein Künstler muss viel produzieren und braucht ein großes Distributionssystems, viele Händler, viele Sammler an verschiedenen Orten – wie im Aktienmarkt muss es einen großen Streubesitz geben.

Zweitens muss die Kunst vom Establishment unterstützt werden – es gibt keine Wunder. Kontinuität ist entscheidend. Jean-Michel Basquiat ist hochpreisig, weil er mit Warhol befreundet war – von einer Marke zur anderen. Künstler müssen aus einem bestimmten kulturellen Erbe und einer Schule kommen. Darum ist auch das China-Phänomen so interessant, denn dahinter steht der Glaube, dass die chinesische Kultur stark genug ist, um unbekannte Künstler zu Berühmtheiten werden zu lassen.

Es ist einigermaßen erschreckend, wenn Kunst nur noch als Aktie betrachtet wird …

Als ich 2004 begann, konnte man über Kunst als Investment nicht sprechen. Als unser „Skate´s Art Investments Handbook“ herauskam, war es Anfangs auf der Schwarzen Liste von Museumsshops. Diese Reaktion dominierte so lange, wie Kunst vor allem von jenen gekauft, die durch ihre Familientradition tief in der Kultur verankert sind. Das Publikum für das Buch und für Kunst als Investment dagegen ist durch den medial erzeugten Hype über Preisrekorde befördert worden. Heute besteht ein großer Teil des Kunstmarktes aus Cash, ist zu Louise Vuitton geworden, eine neue Collection und los geht´s. Ich finde das auch deprimierend, weil viele Künstler nur noch neue Produkte kreieren. Aber diese Richtung ist nicht mehr umkehrbar – was nicht heißt, dass wir die Viennafair so ausrichten wollen.

Haben Galerien darin noch eine Funktion?

Sicherlich, auch wenn sich da gerade einiges ändert. Noch ist der Kunstmarkt getragen von kleinen bis mittelgroßen Galerien, die von Einzelnen betrieben werden. Das kann wachsen bis zur Größe eines Gagosian, aber es bleiben kleine Geschäfte. Im Kunsthandel passieren gerade große Veränderungen, in Organisation und Professionalisierung – die Auktionshäuser Sotheby´s und Chriestie´s sind die größten Kunsthändler der Welt geworden. Das stellt die anderen Kunsthändler vor die Wahl, sich entweder zu konsolidieren, starke Nischen zu finden oder immer mehr marginalisiert zu werden.

Damit entfällt aber doch nicht die grundsätzliche Galerienarbeit, oder?

Unglücklicherweise ist es wahr, dass Händler zunächst die Künstler bewerben und eine Menge Geld investiert werden müssen, bevor ein vitaler Markt entsteht. Aber die Barriere, die für Erfolg überschritten werden muss, wird immer höher. Das erzwingt immer mehr Professionalisierung. Kaum eine Galerie ist bisher KPI-geführt, also von der Überprüfung von Erfolgsfaktoren gelenkt, sondern ein Lebensstil. Dazu kommt oft eine Art verborgene Arbeitslosigkeit, denn das laufende Budget kommt bei vielen Galerien von externen Partnern. Diese Galerien kaufen zwar auch Kunst, viel Kunst sogar, aber das ist nicht wirklich der Kunstmarkt, sondern eher ein Teil des Soziallebens. Wir reden hier über Kunst ab zwei Millionen Dollar.

Wieso ändert sich das?

Durch die Globalisierung des Kunstmarktes ist eine neue Armee von Kunstkäufern entstanden, und damit die Notwendigkeit zur Professionalisierung der Kunstindustrie: vom altmodischen Ein-Personen-Geschäft zu einem auf Untersuchungen aufgebauten Investmentmodell. Diese neuen Käufer sind zwar auch interessiert an der Kunst, aber genauso am Geld. Immer mehr Menschen suchen auf Kunstmessen Möglichkeiten des Investments. Darum braucht es heute finanzwirtschaftlich starke Argumente für Verkäufe.

Was bedeutet das für die Kunst, die verkauft wird?

Ein Beispiel: Abstrakte Kunst ist sehr marktgerecht. Sicherlich gibt es künstlerische Gründe für diesen Stil, man kann verschiedene Schulen unterscheiden und es ist ein Meilenstein der Kunstgeschichte. Aber vor allem ist abstrakte Kunst eine Währung, die man weltweit verkaufen kann. Ähnlich ist es bei Jeff Koons und Damien Hirst. Komplexere, kulturell mehr verwurzelte Werke sind im Investmentmarkt längst nicht so erfolgreich – und ein Grund dafür ist, dass dieser Markt Massenproduktion braucht. Ob man es mag oder nicht: Kunstkauf ist nicht mehr elitär, sondern Massenkonsum, nicht mehr für rund 50.000, sondern wahrscheinlich für eine halbe Millionen Käufer.

Sie sagen, der Kunstmarkt ist nicht mehr elitär – funktioniert dieser Bereich denn ohne den Hauch von Elite?

Das sag ich nicht. Elite ist weiterhin vorhanden und sogar noch verstärkt, bedenkt man die Unterschiede im eingebrachten Kapital für Kunst. Aber es gibt mittlerweile eine große Anzahl nicht-elitärer Kunstkäufer.

Auf der Art Dubai konnte ich gerade beobachten, dass mehr und mehr Kunst als Auflagenobjekte entsteht – ist das eine Reaktion auf die Unsicherheit der Käufer, die lieber als Herde denn als Individuum kaufen?

Das ist wohl eher ein Marktmechanismus. Auch wenn ein Original teurer wird, können einer limitierten Edition weit mehr folgen. Das ist wie bei einem Schauspieler: Je mehr er spielt, desto mehr sehen ihn und desto berühmter wird er.

Clare McAndrew schreibt in ihrer Kunstmarktanalyse von 46,1 Mrd Dollar als Gesamtumsatz im letzten Jahr, wovon 30% auf Antiquitäten und 70% auf Kunst entfallen. Analysieren Sie all diese Verkaufsaktionen.

Der Kunstmarkt ist eine enorme Herausforderung für uns Analysten. Rund 30% des Gesamtvolumens entfällt auf den Auktionsmarkt, die Preise der übrigen 70 % werden meist mündlich weitergegeben, der größte Teil des Handels findet im Verborgenen statt – wir haben darüber keine exakten Fakten.

Wie können diese Analysen dann stimmen? Werden die gemeldeten Rekordpreise später überhaupt bezahlt, wird nicht vor allem PR betrieben?

Clare stellt eine spezielle Wahrnehmung der aktuellen Situation vor und was immer sie schreibt, es wird zur Konvention. Was China betrifft, bin ich auch sehr argwöhnisch. Der chinesische Kunstmarkt ist fast ausschließlich von Spekulationen bestimmt, eine Blase und keine langfristig angelegte Strategie von einzelnen Individuen.

Wie beurteilen Sie Kunst-Funds?

Ich bin sehr skeptisch gegenüber diesen Funds – die haben sich bisher noch nicht bewiesen, und sind auch noch nicht so wichtig im gesamten Kunsthandel.

Die insgesamt 44 Art Funds weltweit ergeben laut McAndrew zusammen die Summe von $ 960 Mio, 320 Mio Dollar davon allein in 21 Funds in China.

Das ist nicht so viel Geld, denn davon sind wahrscheinlich 600 Mio $ in sehr merkwürdigen Funds angelegt. Wir verfolgen die Funds und ich möchte behaupten, dass höchsten fünf oder sechs davon gut sind.

Sie haben aber angekündet, für die Viennafair Funds zu gründen.

Wir werden vor allem Investment Partnership beginnen. Funds benötigen Investoren, die in Funds investieren, die dann in Kunst investieren – das klappt kaum. Ein auf wenige Menschen beschränktes Investment Partnership dagegen funktioniert sehr gut: mit dem in den Pool eingezahlten Geld wird eine Jury Werke auf der Viennafair Werke kaufen.

Werden diese Partnerships auch in österreichische und CEE-Kunst investieren?

Manche sicherlich. Aber es wird Verschiedene geben. Wir glauben, dass Käufer aus der ganzen Welt hier eine sehr persönliche, schön gebrandete Sammlung aufbauen können, denn Wien ist berühmt. Dafür braucht es nicht viele Millionen, hier ist die Kunst ziemlich erschwinglich.

Wieviele dieser Partnerships sind bereits fixiert?

Wir werden auf jeden Fall mit mindestens einem beginnen, wahrscheinlich kommt noch ein Zweites hinzu. Die Viennafair ist ein kleiner Markt, letztes Jahr gab es zwischen 2.4 bis 4 Mio. Euro Umsatz. Das werden wir sicherlich überschreiten. Aber wir können da nicht mit 10 Mio kommen, das könnte zerstörerisch wirken – und ich glaube auch, dass die Galerien noch nicht soweit sind, genügend hochqualitative Werke hier anzubieten. Aber wir werden ganz sicher im September neue Sammler, einiges Geld, interessante Initiativen und ein internationales Publikum bieten – wenn das die Galerien sehen, werden wir nächstes Jahr schon eine signifikantere Messe erleben.

Sehen Sie neue Trends im Kunstmarkt?

Im Geschäftlichen auf jeden Fall, im Sinne neuer Namen bin ich skeptisch. Es wird nicht plötzlich ein neuer Picasso geboren, es gibt immer Gründe für einen solchen Erfolg. In der Kunstindustrie gibt es aber einen ganz klaren Trend: Die Kommodifizierung des Kunstmarktes – wie im Luxusmarkt für Uhren oder Autos. Das wird definitiv passieren.

VIENNAFAIR 2012, Wien. Vom 20. bis 23. September 2012

veröffentlicht in: www.artnet.de, 5. April 2012

http://www.artnet.de/magazine/interview-mit-viennafairinvestor-sergey-skaterschikov/

http://www.artnet.de/content/DesktopModules/PackFlashPublish/ArticleDetail/ArticleDetailPrint.aspx?ArticleID=4365&Template=Article_Print.ascx&siteID=0