Erste Ideen für eine Nachlassverwaltung hatte Maria Lassnig schon um 2000. Aber sie wollte auf keinen Fall die Kontrolle über ihr Werk abgeben. So war zwar alles vorbereitet, gegründet aber wurde die Stiftung erst 2014, ein Jahr nach dem Tod der 1919 geborenen Kärntner Malerin. Von Anfang an hatte sie entschieden, dass Galeristen im Stiftungsrat sitzen sollten, um zu garantieren, dass ihr Werk auch weiterhin ausgestellt wird – und sie hat damit Recht behalten damit. „Ohne Iwan Wirth hätte Lassnig keine Ausstellung in der Londoner Serpentine Gallery bekommen“, betont Peter Pakesch, „er hat die Kontakte hergestellt.“ Pakesch ist Vorsitzender des Stiftungsvorstandes. „Aber“, betont er, „die Galeristen dürfen nichts bestimmen.“ Für die zentralen Entscheidungen ist nur er zuständig, und dazu gehört vor allem die Frage, welche Werke verkauft werden dürfen. Als „Jahrhundertmalerin“ bezeichnet Pakesch sie, „wir sehen ein riesiges Potenzial in dem Werk“, und das müsse strategisch angegangen werden. Darum zeigen jetzt zeitgleich zwei Galerien in der USA Personalen von Lassnig.
Beide sind gezielt auf den amerikanischen Markt ausgerichtet. „Women Power: Maria Lassnig in New York 1968-1980“ überschreibt Galerist Friedrich Petzel seine Auswahl, die auf jene Jahre eingegrenzt ist, als die Österreicherin an der Ostküste lebte. Es ist bereits die fünfte Ausstellung in seiner Galerie. Petzel holte ihr Werk erstmals 2002 nach New York. Damals habe er sich ein wenig vor der Künstlerin gefürchtet, sie habe ihn auch zunächst mehrmals sitzen lassen, bevor die Zusammenarbeit begann, erzählt der gebürtige Kölner. Schon die erste Schau habe „eingeschlagen wie eine Bombe“, die Presse, vor allem aber Künstler seien begeistert gewesen. Damals wollte er auch bald die New Yorker Jahre zeigen. Aber die Künstlerin war sehr eigen. Sie beharrte darauf, nur Neues auszustellen.
Jetzt also endlich die New Yorker Jahre: Lassnig kam als 49jährige nach New York, in die „Stadt der starken Frauen“, wie sie einmal in ihr Tagebuch schrieb. Es entstanden die faszinierenden Straßen-Aquarelle, Portraits von ihren Freundinnen, wichtige Körperbewusstseinsbilder und jenes Großformat, auf dem sie wie King Kong riesig groß und nackt durch die Stadt geht. Das Werk gehört der Sammlung Essl. Wie so vieles hier ist es nicht zu verkaufen, denn vor allem dient die Schau dazu, den amerikanischen Markt aufzubauen – in Österreich sind keine großen Preissteigerungen möglich, in den USA sehr wohl. Aber sie wollen auch mehr über diese Jahre herausfinden, betont Petzel. Darum zeigen sie Archivmaterial in zwei Vitrinen, führten viele Gespräche mit den portraitierten Frauen und suchen nach mehr Informationen über die New Yorker Jahre. Besonders ein Bild gibt ihnen noch immer Rätsel auf: „Wir wissen nicht, wer der Flötenspieler auf dem Bild ist. Aber es hing immer in ihrer Nähe“, erklärt Petzel. Sie nahm es vom Keilrahmen, rollte es ein und hing es mal in Wien, mal in Kärnten auf. Vielleicht erkennt ihn ja jemand in New York.
Gut die Hälfte der Werke ist von der Stiftung ausgeliehen, und das gilt auch für die große Schau in Los Angeles in der Galerie Hauser Wirth & Schimmel. Vieles ist unverkäuflich, anderes darf nur an Museen gehen. „Welche Werke verkauft werden dürfen, bestimmt Pakesch“, erklärt Paul Schimmel. Er hat die Schau für die erst im März eröffneten, neuen Räume zusammengestellt. Die Galerie residiert in einer ehemaligen Mühle im Arts Destrict. Mehr als 10.000 Quadratmeter stehen zur Verfügung, im großen Innenhof ist ein eigenes Restaurant mit sternenverdächtiger Küche und einem riesigen Wandgemälde von Raymond Pettibon eingerichtet. Im kleinen Garten werden Hühner gehalten und Gemüse angebaut, auch eine Buchhandlung gehört zu dem Komplex. Die Ausstellungsräume sind mit „Hesse Wing“ und „Kaprow Wing“ bezeichnet – das deutet schon die Dimensionen an: Diese Galerie macht jedem Museum Konkurrenz. Und das nicht nur in der Größe und perfekten Ausstattung der Räume. Auch die Auswahl von Lassnigs Werken ist museumsreif – und in einer Weise angelegt, wie es in Österreich sicherlich nicht praktiziert würde. Denn der ehemalige Chefkurator des Museum of Contemporary Art Los Angeles legt bewusst keinen Schwerpunkt auf die Selbstbildnisse. Auch nicht auf die Ebene des Psychischen und Surrealen. Er möchte neue Narrative für ihr Werk entwickeln. Daher beginnt „A Painting Survey 1950-2007“ in den 1950er Jahren mit abstrakter Malerei. Damit bettet Schimmel die Malerin in die US-Kunstgeschichte ein – ein strategisch kluger Schachzug, ist es doch Lassnigs erster Auftritt an der Westküste. „Sie schaute sich die New York School an, fand aber schnell ihre eigene malerische Sprache“, erklärt Schimmel seinen Blick auf das Frühwerk. Darin sei schon alles Spätere angelegt, ihre sehr eigene Farbpalette, die malerische Geste, „ihre langsame, organische Abstraktion“, erklärt Schimmel. Manches erinnert ihn an Willem de Koonings malerische Auflösung des Körpers, anderes an Mark Rothkos Farbfeldmalerei. Bei Lassnig sei es aber durchbrochen mit einer starken Gestik und klaren Formen. Die Reaktionen auf die Ausstellung seien großartig, schwärmt er. Gerade Künstler erkennen und studieren die enorme Qualität. Es ist der Blick eines Museumsmannes auf ein Werk, dessen internationale Beachtung erst am Beginn steht – und das gilt auch für die Verkaufspreise, die die Millionengrenze bereits durchbrochen haben. Und da ist noch ein großer Spielraum nach oben.
Petzel Gallery, New York, bis 29.10.
Hauser Wirth & Schimmel, Los Angelegs, bis 31.12.
Galerie Ullyses, Wien, „Landleben“, Eröffnung am 9.11.
veröffentlicht in: Die Presse, 29.10.2016