Jun Yang „HERO – this is WE“ auf der 51. Biennale Venedig 2005

28. Nov. 2005 in Ausstellungen

Jun_YangJun Yang, geboren 1975 in China, kam mit seiner Familie 1979 nach Wien. Seine Eltern eröffneten ein Chinarestaurant – „Was konnten sie machen?“ fragt er lakonisch in „Daily Structure of Life. Coming Home“ (2000, 15 min.). In dieser eindringlichen Installation erzählt Jun Yang von seiner Kindheit in Wien, davon, dass sie „chinesischer als die Chinesen“ waren und von den kleinen, aber wesentlichen Unterschieden zum Alltag seiner westlichen Freunde. Außer wenigen, sekundenkurzen Szenen aus Hollywoodfilmen, die in Chinarestaurants spielen, bleibt der Bildschirm schwarz – eine perfekte Methode, um die eigenen Klischees im Kopf hinzuzufügen.
Welche Bilder prägen unsere Vorstellung von China? Diese Frage taucht immer wieder in Jun Yangs Videos auf. Zur Untersuchung kombiniert er found footage mit eigenem Filmmaterial, durchmischt Fakten mit Fiktion, vermengt Dokumentationen mit Szenen aus Hollywood-Filmen. Es ist der Blick auf die Macht medialer Konstruktionen, in denen Yang auch immer seine eigene kulturelle Identität sucht.
So sind es meist autobiographische Details, mit dem Jun Yang beginnt, um dann über komplexe, kulturgeschichtliche Zusammenhänge zu reflektieren. In seiner frühen Foto-Serie von 1998 fotografierte sich Yang immer wieder in einem Passbild-Automaten: In den jeweils vier Fotos verwandelt er sich in ´Superman´. „Es ist der Versuch, einem Bild gerecht zu werden, in die Struktur hineinzupassen, ein Bild und gleichzeitig die Person Superman als westlicher, amerikanischer Held mit all den Attributen zu verinnerlichen. Dazu gehört natürlich auch der Doppelcharakter, der tolpatschige Clark Cent auf dem Weg der Perfektion.“ (J. Y., Kunstbulletin 1/2, 2003)
In „Jun Yang and Soldier Woods“ (2002, 9 min.) konzentriert er sich auf seinen Vornamen, auf die Aussprache in unterschiedlichen Dialekten, sucht den Namen im Internet und gelangt nach mehreren Übersetzungen zu der absurden und unerwarteten Version seines Namens als ´Soldier Woods´. In „Camouflage. Look like them, talk like them“ (2003) erzählt Yang von einem illegalen chinesischen Immigranten namens „X“ in New York. Basierend auf US-amerikanischen Zeitungsausschnitten im Anschluss an den Terroranschlag vom 9. September erzählt die Stimme aus dem Off über legales und illegales Fremdsein.
In dieser Kombination aus Fakten, Fiktion und Tipps für ein unauffälliges Leben wird besonders deutlich, dass Jun Yang Dokumentation als ein stilistisches Mittel unter mehreren einsetzt, um unseren Vorstellungen von China bzw. ´eines Chinesen´ nachzuspüren. Dabei steht auch immer die Frage nach ´Authentizität´ zur Debatte. ´Authentizität´ ist eine Sehnsucht nach Unmittelbarkeit, nach Wahrheit. Mit Authentizität kann allerdings keine Wahrheit zur Erscheinung gebracht werden, denn Authentizität ist keine Wesenheit oder Qualität, die von der Darstellungsform abtrennbar wäre. Authentizität wird medial erzeugt.
Diese Kraft medialer Konstruktionen in den täglichen Nachrichten bis zum Hollywood-Kino spiegelt auch Jun Yangs neueste Arbeit „HERO – this is WE“. Yang beginnt mit seiner Beobachtung der Allgegenwart der nationalen Flaggen in den USA. Die Bilder sind allerdings keine authentischen Originalaufnahmen aus den Staaten, sondern in Österreich nachgestellt. Im nächsten Schritt sehen wir Flaggen im Zusammenhang mit olympischen Spielen, Demonstrationen und Jubelszenen. Die Flaggen und Transparente sind allerdings allesamt weiß retouchiert, keiner Nation, keinem konkreten Anlass mehr zuzuordnen.
„Hero – this is WE“ besteht aus zwei Videoprojektionen. Während diese erste das TV-Dokumentationsmaterial manipuliert und ohne Ton für sich selbst sprechen lässt, führt uns Yang mit der zweiten Projektion anhand von Text und found footage-Bildern in eine bemerkenswerte Kulturgeschichte der Flagge. Ausgehend von diesem Symbol nationalen Selbstbewusstseins zeigt Yang, wie sehr sich beispielsweise die politische und ökonomische Entwicklung Chinas in der internationalen Präsenz der nationalen Flagge spiegelt. So gewann China 1984 die erste und einzige Goldmedaille bei den olympischen Spielen. Zwanzig Jahre später sammelt China mit die meisten Goldmedaillen. Jetzt beherrscht die chinesische Flagge die Jubelszenen.
Anhand von Massenszenen führt uns Yang durch Geschichten über Helden, von großen Gruppen bis zu Individuen, etwa der Chinese Yao Ming, Basketballspieler in der NBA in den USA, ein „Supersportstar“, der das medial geprägte Klischee ´des Chinesen´ als kleiner, gelber Kämpfer a la Bruce Lee jetzt nachhaltig verändert. Und immer jubeln oder protestieren diesen Szenen die Menschen von der gegenüberliegenden Projektion zu, durch slow motion wie in Trance.
„HERO – this is we“ ist fast wie eine Fortsetzung von „Coming home“: Während Yang in dem früheren Werk von der Emigration einer chinesischen Familie erzählt, von Verlust und Verunsicherung der nationalen Identität, wird hier nachgezeichnet, wie sich die Identität einer Nation ändert. China manifestiert jetzt seine Identität als selbstbewußte ´Supermacht´, mit ´authentischen´ Helden und medial abzulesen an der Omnipräsenz der nationalen Flagge.

Sabine B. Vogel, Katalog der 51. Biennale Venedig 2005