Teamwork, Kollektive, Kollaboratonen – andere Namen, ähnliche Strukturen. Jetzt im MUMOK.
Sammlungsausstellungen in Museen sind eine Notwendigkeit – und eine enorme Herausforderung: Wie können die Lagerbestände in ein neues Licht gerückt, wie andere Verbindungen, unerwartete Perspektiven auf Bekanntes geboten werden? Im MUMOK werden dafür alternative Wege gesucht. 2017 gestaltete Jakob Lena Knebl mit der Sammlung „atmosphärische Begehrensräume“, wie es damals hieß. Jetzt spürt das Kurator:innenduo Heike Eipeldauer und Franz Thalmaier „Strategien kollektiver Autor:innenschaft“ nach. „Kollaborationen“ betiteln sie ihren Gang durch die Sammlung.
Damit konnotieren sie einen negativ besetzten Begriff um, denn aus den Geschichtsbüchern kennen wir diesen Begriff als ´Zusammenarbeit mit dem Feind´. Die im MUMOK ausgestellten Künstler sind allerdings keine Kollaborateure, sondern wertfreie Mitarbeiter – ganz im Sinne des heutigen Projektmanagement: Zusammenarbeit auf Augenhöhe?
Bei aller Begriffsspielerei: Das Thema ist nicht neu. In den 1990er Jahren sprach man von Netzwerke, dann von Teamarbeit, seit einiger Zeit gerne von Kollektiven, was gerade in der documenta fifteen zu üppiger Blüte gereift ist. Aber nicht erst in jüngster Zeit, schon immer werden in der Kunst Formen gemeinschaftlichen Arbeitens thematisiert und praktiziert. Eigentlich auf Individualität und Einzigartigkeit erpicht, vereinigten sich Künstler:innen zu allen Zeiten gerne in losen bis strengsten geregelten Verbänden. Manche riefen gemeinsam eine neue Stilrichtung aus, veröffentlichten Manifeste oder bildeten einen engen Club. Andere gründeten fixe Gruppen mit gemeinsamen Namen. Der große Vorteil solcher gemeinschaftlicher Formen ist der Arbeitsprozess: Das Ziel ist nicht nur das zu vollendende Kunstwerk, sondern gleichermaßen der Austausch miteinander, über den Prozess, über Entwicklungsschritte, Ziele und Potentiale. Anders als in der Betriebswirtschaft such(t)en Künstler:innengruppen dabei keine Produktivitätssteigerung, sondern eine Stärkung ihrer individuellen Position. Daher ist die Gemeinsamkeit auch in den meisten Fällen temporär.
Aber solche Themen stehen im MUMOK nicht zur Debatte. Hier wird gefragt, wie „künstlerische Modellformen eines Wir“ für ein gesellschaftliches Zusammenleben „fruchtbar gemacht werden können“ (Katalog)- eine Frage übrigens, die seit einigen Jahren alle Biennalen dominiert: Wie wollen und können wir zukünftig zusammen leben. Aber Sie ahnen es sicher schon: Diese Frage wird nicht beantwortet. Stattdessen können wir in den Werken aus der MUMOK Sammlung verschiedene Formen von Gemeinschaftsarbeit studieren, von Paar-Verbundenheit über lose Netzwerke bis zur „All-Verbundenheit“, wie es das Kurator:innenduo nennt. Der klare Schwerpunkt liegt auf den 1960er und 1970er Jahren: Wiener Aktionismus, Wiener Gruppe, Fluxus – kurz: die im MUMOK beheimatete Sammlung Hahn, die jene Zeit umspannt, in der Konsens über den Wunsch und das Ziel herrschte, die Gesellschaft zu revolutionieren. Es bildeten sich lose, offene Gruppierungen, deren Idee eines ´wir´ so individuell wie fluid war. Das ´wir´ der Künstler:innen basierte dabei auf dem von heute aus gesehen naiven Glauben, außerhalb der Gesellschaft zu stehen.
In den 1980er Jahren, nicht zuletzt dank der Schriften des Soziologen Niklas Luhmann, zerfiel dieses Lebenskonstrukt. Es gibt kein ´außerhalb´. Damit beginnt eine Phase, in der über Gemeinsamkeit nachgedacht wird – und sei es auch in Ablehnung wie der auf den zwei Stockwerken sich wiederholende, traurig-zynische Slogan von Jörg Schlick „Keiner hilft keinem“. Oder kryptisch-kritisch wie in Hubert Schmalix´ Bild „Die Freunde – Zentrifugal“ von 1980, wo sieben Köpfe mit langen Hälsen sich um einen Tisch drehen. „Kollaborationen“ umfasst auch performative Selbstinszenierung von Paaren wie Abramovic & Ulay oder Gilbert & George – mehr als eine:r ist offenbar schon viele, oder, wie es im Katalog heißt: das Künstlerpaar bildet „die kleinste kollektive Einheit“. Manche der jüngeren Werke zeugen sogar von ganz anderen Gemeinsamkeiten: In kaum einer MUMOK-Ausstellung fehlen Heimo Zobernig und Martin Beck, irgendwie kann man deren Arbeiten immer hineinreden. Hier: Beck recherchierte Überschriften eines US-Kommunen-Newsletters und verteilt die Worte lose auf schwarzen Blättern. Wieder andere Werke sind auf „einer metareflexiven Ebene aktiv“, wie das Kurator:innenduo es nennt, also Werke, die gemeinsam über Gemeinsamkeit nachdenken, wozu die gesammelten „lumbung calling“-ZOOM-Mitschnitte des documenta-Teams ruangrupa gehören. Und dann hat das Kurator:innenduo am Ende doch noch eine mögliche Antwort parat: Ein zukünftiges Wir möge ganz im Sinne all dieser Kunst-Kollaborationen individuelle Unterschiede zum Vorteil aller nutzen. Eh.