Kunst am Golf – Wettstreit der Emirate
Stolz fuhr man die Journalisten noch im Dezember 2010 über Saadiyat Island, jene natürliche Insel, die Abu Dhabi vorgelagert ist. Seit 2006 entsteht dort eine gigantische Wohnungs-, Hotel- und Golfidylle. Kernstück sollte einst der Kulturbezirk mit fünf Museen werden, zu dem anfangs noch 19 Biennale-Pavillons gehörten. Die sind allerdings längst wieder von den Baumodellen verschwunden. Nun scheinen auch die geplanten Museen in Frage zu stehen, denn Abu Dhabi hat das Budget für das Riesenprojekt um 25 Prozent gekürzt.
Dabei hatte alles so euphorisch begonnen: 2007 verkündete man den Staatsvertrag mit Frankreich für den Abu Dhabi Louvre, der die Verwendung des Namens und die Ausleihe wichtiger Werke aus Paris garantieren sollte. Allein für dieses Projekt
waren fortan 700 Millionen US-Dollar als Bau- und Betriebsinvestition im Gespräch. Als gemeinsames Eröffnungsjahr aller Museen hatte man 2014 auserkoren. Noch 2010 war allerdings außer der Beton-Plattform für das ebenfalls geplante Abu Dhabi Guggenheim nichts zu sehen. Im März 2011, während der Art Dubai, wusste ein lokaler Bauunternehmer dann im Vertrauen zu berichten, dass das gesamte Projekt stagniere. Seit Oktober ist es offiziell: Das viertgrößte Erdöl produzierende Land der Welt hat sich eine Finanzierungspause verordnet. Die Fertigstellung der Museen wird sich mindestens fünf weitere Jahre hinausziehen, zudem wird deren Anzahl drastisch reduziert. Schon ist nirgendwo mehr die Rede von Zaha Hadids Performing Arts Center und auch um Tadao Andos Maritime Museum ist es still geworden.
Ungewiss auch die Zukunft des von Frank O. Gehry entworfenen Abu Dhabi Guggenheim Museums. Im März 2011 geriet es während der Art Dubai in die Schlagzeilen, weil 130 internationale Künstler – darunter Walid Raad, Harun Farocki und Shirin Neshat – zu einem Boykott des Museums wegen der schlechten Bedingungen der Bauarbeiter aufgerufen hatte. Die wurden zwar daraufhin verbessert, dafür wächst zunehmend die Kritik von lokaler Seite. Immer wieder steht nun sogar öffentlich die Frage im Raum, warum ein im Namen und im Vorstand jüdisch geprägtes Museum in den Israel-kritischen Emiraten entstehen solle.
Die Abu Dhabi Art Fair lockt zwar jedes Jahr namhafte Galerien aus dem Westen wie White Cube, Gagosian und Hauser & Wirth mit dem Versprechen auf millionenschwere Ankäufe für das Guggenheim auf die Kunstmesse. Doch ob wirklich je ein Schwergewicht für die Sammlung gekauft wurde, ist genauso ungewiss wie die Frage, ob dort überhaupt westliche Kunst gezeigt werden soll. Verlässlich hat man bisher nur von Ankäufen einiger Werke arabischer Künstler gehört. Und auch das New Yorker Guggenheim selber wartet schon längst nicht mehr darauf, mit dem vom ehemaligen Direktor Thomas Krens in ganz anderen Zeiten entwickelten Franchising-Modell die Welt zu beglücken.
Vorerst aber steht auf dem Bauplatz des Guggenheim sowieso nur die leere Betonplatte. Langsame Baufortschritte sind lediglich am Zayed National Museum, geplant von Norman Foster, und am Louvre Abu Dhabi, nach Entwürfen von Jean Nouvel, zu erkennen. Die Situation der Ungewissheit wird allerdings noch von ganz unerwarteter Seite verschärft. Bisher stand außer Zweifel, dass die Vereinigten Emirate der kulturelle Führer der arabischen Nationen sein sollen und werden. Konkurrenz fand nur innerhalb dieses Kosmos statt: Zwischen Sharjah mit der renommierten Sharjah Biennale und seinen neun Museen, Dubai mit dem rasant wachsenden Galerienviertel und der international etablierten Kunstmesse Art Dubai, und dem jetzt ausgebremsten Abu Dhabi. Seit kurzem aber beansprucht das kleine Emirat Katar auch seine Führungsrolle. Die kleine Halbinsel, an der Grenze zu Saudi-Arabien gelegen, verdankt seinen Reichtum dem Erdgas. Bei einem Wirtschaftswachstum von 16 Prozent jagt hier ein Großprojekt das nächste. Bis zur Fußball Weltmeisterschaft 2022 soll ein riesiges Kulturareal namens Katara fertig gestellt sein, dazu fünf gekühlte, Hightech -Solar-Fußballstadien, Hotelanlagen – und natürlich jede Menge Museen.
2007 eröffnete bereits das von I.M. Pei entworfene Museum of Islamic Art (MIA), das nach nur drei Jahren schon 700.000 Besucher aufweist. Letztes Jahr kam das Arab Museum of Modern Art, kurz Mathaf, hinzu, in dem gerade eine große Retrospektive von Cai Guo-Qiang läuft. Und nun eröffnet der MIA Park mit Richard Serras 24 Meter hoher, vertikaler Skulptur 7 ein in der arabischen Welt einzigartigen Skulpturenpark. Welche Kunst dort in den nächsten Jahren hinzukommen wird, verrät man noch nicht. Lediglich Homecoming, die 62 Steine aus Cai Guo-Qiangs Ausstellung „saraab“ im Mathaf, werden sicher dabei sein.
Die Strategie Katars ähnelt jener in Abu Dhabi: Eingeladen werden nur die Berühmtesten. Vor dem jüngst eröffneten National Convention Center steht eine riesige Spinne von Louise Bourgeois, nächstes Jahr stellt Takashi Murakami im Mathaf aus und die Qatar Foundation wird Damien Hirsts Ausstellung in der Londoner Tate Gallery sponsern. Wie in Abu Dhabi dient auch hier die Kunst dazu, ein Königreich weltweit bekannt zu machen. Aber anders als Abu Dhabi baut Katar nicht nur eine neue Welt für Touristen auf, sondern mischt sich auch als Vermittler in die von Revolutionen verunsicherte Politik der Nachbarländer ein. Damit macht das Emirat am Persischen Golf nicht nur einen kulturellen, sondern vor allem einen politischen Führungsanspruch geltend. Ein deutlich tiefer greifendes Ziel als nur teure Kunst und Architektur anzusammeln – und letztendlich nicht einzig vom Geld abhängig.
Cai Guo-Qiang: „saraab“ – Mathaf: Arab Museum of Modern Art, Katar. Vom 5. Dezember 2011 bis 26. Mai 2012
Veröffentlich in: www.artnet.de, 27.Dezember 2011
http://www.artnet.de/magazine/kunst-am-golf/