Kunst der Antike

07. Jul. 2015 in Kunstmarkt

 

Amlash weibliches Idol

Während immer mehr Händler in den Markt für zeitgenössische Kunst drängen, geht ein neuer Raum in Wien den umgekehrten Weg. Im April dieses Jahres eröffnete der Journalist und ehemaliges Mitglied der News-Chefredaktion Christoph Bacher in Wien eine Galerie für Archäologie und Historische Kunst.

Palmettenstele

Schon seit dreizehn Jahren sammeln er und seine Frau bildende Kunst, davon gut acht Jahre auch Antikes. Mit der CB-Gallery macht Bacher jetzt sein Hobby zum Beruf. Aber warum wendet er sich ganz von dem Zeitgenössischen ab? „Antike Kunst ist bei weitem nicht so spekulativ, sie ist wertbeständig,“ sagt Bacher. Außerdem sei jedes Stück ein Unikat und erzähle eine faszinierende Geschichten.

In seinem Ladenlokal gleich gegenüber vom MAK bietet er Objekte aus der Zeit von 6000 vor bis ins 6. Jahrhundert nach Christus an, die aus den Regionen des Alten Orients, des antiken Griechenlands und des Römischen Reichs stammen. Aber ist Kunst der Antike nicht ein heikles Feld? Der Umsatz aus dem illegalen Antikenhandel liege an dritter Stelle hinter Drogen- und Waffenhandel, sagte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger. Raubgrabungen und Grabplünderungen seien ein weitverbreitetes Problem überall auf der Welt. Dabei ist die Ausfuhr von archäologischen Kulturgütern aus den meisten Ländern verboten. Obwohl der Handel mit Antiken aus Syrien und dem Irak seit 2003 bzw. 2013 durch internationale Kulturabkommen und EU-Verordnungen verboten ist, verschwanden während des Golfkriegs 2003 mehrere tausend Museumsobjekt aus dem Irak. Jüngster Lieferant von heißer Ware ist die Terrororganisation IS, die laut Eigenaussage aus dem Museum von Deir az-Zor in Syrien Kunstwerke verscherbelt, um ihre Kriegszüge zu finanzieren. Maamoun Abdulkarim, Direktor der Syrischen Antikenverwaltung, allerdings beruhigt: Sämtliche wertvollen Objekte seien bereits seit zwei Jahren in Sicherheit gebracht. Zudem werden gerade die 21867 Objekte fotografisch erfasst, um den Handel zu kontrollieren.

Aber nicht nur aus Syrien, auch aus Griechenland und Italien stammen illegale Objekte, denn gut erhaltene Stücke erzielen Spitzenpreise im Markt. Im Februar 2012 stahlen bewaffnete Männer im Museum des antiken Heiligtums von Olympia mehr als 50 Objekte. Vor wenigen Wochen wurden gestohlene Fresken aus Pompeji in den USA sichergestellt. Die drei Werke seien 1957 in Italien verschwunden und später in der Sammlung eines US-Geschäftsmannes in New York entdeckt worden, teilte die italienische Polizei mit. Und in Basel liegt ein Schatz antiker Götterfiguren, Vasen, Mosaike, Säulenkapitelle. Auch sie könnten aus Pompeji stammen, vielleicht auch aus nordafrikanischen Tempeln – man weiß es nicht genau. Darum können die 1278 antiken Objekte, die aus dem Besitz des italienischen Kunsthändlers Gianfranco Becchina stammen, nicht retourniert werden. In Basel betrieb Becchina die Galerie Palladion, von dort aus verkaufte er das Schmuggelgut in die ganze Welt. Zu seinen Kunden gehörten der Louvre, die großen Auktionshäuser, berühmte Museen in den USA und Sammler im Nahen Osten. Mehr als 5800 Objekte hatte die italienische Spezialbrigade TPC 2001 in Basel beschlagnahmt, letztes Jahr wurden die letzten Stücke im Wert von mehr als 50 Millionen Euro nach Rom gebracht. Aber 1278 Exponate liegen noch in Basel. Niemand weiß, woher die stammen. Was damit tun – verkaufen? Nicht möglich, denn es könnte ebenfalls gestohlene Ware sein.

Partherstein, iranische Seite

Partherstein, römische Seite

Verunsichert ein dermaßen problematisches Umfeld nicht die Kunden antiker Kunst? Wie kann man sichergehen, es nicht mit gestohlener Ware zu tun zu haben? Bacher hat darauf eine klare Antwort: Er bietet nur Objekte mit einer absolut unzweifelhaften Provenienz, also Herkunft an. Seit Eröffnung seiner Galerie „haben sich zahlreiche Sammler oder vielmehr Erben aus aller Welt gemeldet, die gerne verkaufen würden. Wer da illegale antike Werke kauft und sein Geschäft riskiert, ist schlicht dumm.“ Aus einer New Yorker Privatsammlung erhielt er etwa einen Kultbecher aus der Zeit 800 v. Chr. Dieses seltene, dreibeinige Gefäß wurde in Jerusalem gefunden. Bacher bietet es für 1100,- Euro an – eine Preiskategorie, die bei ihm Programm ist. Mit Objekten unter 1000,- Euro will er die Hürde für den Einstieg in dieses Sammelfeld niedrig halten. Faszinierend sind auch die Münzen mit Abbildungen berühmter Herrscher. Da sieht man einen feisten Mann mit harten Gesichtszügen: der römische Kaiser Titus, der aus der in Jerusalem gewonnenen Kriegsbeute das Kolosseum in Rom vollenden ließ (340,- Euro). Eines der teuersten Stücke ist eine Amlash Terrakotta Figurine (13.300,-) aus der Sammlung von Teddy Kollek. Das Stück erinnert an die Venus von Willendorf, verkörpert jedoch in der deutlich phallischen Form Gender-Ambiguität.

Silenus

Wie aber schützt sich Bacher vor Fälschungen? Durch Erfahrungen, antwortet er: „Wenn ich ein Stück in der Hand halte, sein Gewicht spüre und – so ungewöhnlich es klingt – es rieche und vielleicht sogar schmecke, dann kann ich mit Gewissheit sagen, ob es alt ist oder nicht.“ Für Ton und organische Stoffe wie Holz oder Bein gebe es Tests, und bei Steinarbeiten erkenne man es an „Werkzeugspuren, bei Bronze an Gussfehlern.“ Gibt es Wien überhaupt einen Markt für Antikes? Das Geschäft liege über seinen Erwartungen, schwärmt Bacher. Da sei einerseits Laufkundschaft, denn 2000 Jahre alte Halsketten, die man sogar tragen könne, kosten weniger als Neues beim Juwelier. Dann die klassischen Sammler und was ihn besonders freue: „Gut jeder dritte Kunde kauft über meine Homepage oder nach einem Newsletter ein.“ Denn all diese Objekte stammen aus einer Zeit, „von der wir alle Bilder im Kopf haben, aber nur selten im Haus.“

veröffentlicht in: Die Presse, 5.7.2015