Wiener Kunstmessen-Chaos: Vienna Contemporary + Viennafair

03. Mrz. 2015 in Kunstmesse

Viennafair 2005 // SBV

Viennafair 2005 // SBV

Kunstmessen sind ein hartes Geschäft. Wird sich die Vienna Contemporary unter ihrem neuem Namen ohne ein neues Konzept weiterhin etablieren können?
Die letzte Viennafair 2014 sei in der Zahl der Besucher und auch der Verkäufe die bisher erfolgreichste Messe gewesen. Darum haben sie beschlossen, nichts zu ändern – nur den Namen, das Datum und den Standort, erklärte das Team der Vienna Contemporary bei einem Pressegespräch.
Das klingt wie ein Widerspruch, ist aber keiner. Denn um weiterhin eine internationale Messe in Wien zu veranstalten, seien diese Schritte notwendig geworden, betont Geschäftsführer Renger van den Heuvel. Jahr für Jahr hatten Galerien als Absagegrund den unstetigen und noch dazu ungünstig nah an der großen Kunstmesse Frieze (London) gelegenen Termin genannt. Die Messegesellschaft Reed konnte der Viennafair keinen Ausweichtermin anbieten und gab den alten Namen nicht heraus. Die eine Entscheidung zog die anderen nach sich.
Sie machen also alles neu und irgendwie auch weiter wie bisher – aber kann das funktionieren? Gibt es kein neues Konzept für die Marxhalle, immerhin ist der Bau eine außergewöhnliche Architektur mit dem Charme von Gestern. Wie soll da das Käuferpotential auf die VC eingeschworen werden, die ja wieder neu auf dem Markt verankert werden muss?
Beobachtet man Kunstmessen weltweit, ist oft die Entwicklung neuer Sektion zu sehen, „Masters“ oder auch „Modern“ genannt. Damit wird die Kunst der 1960er und 70er Jahren bezeichnet.
Auf der Art Cologne und der Art Basel gibt es schon lange eine eigene Abteilung für Klassiker. Lange lag dort der Schwerpunkt auf der Klassischen Moderne. Das große Kaufinteresse und vor allem die steil gestiegenen Preise auf Kunstmessen an den strengen Kuben von Donald Judd, den Neonskulpturen von Dan Flavin und anderen Minimal Art-Künstlern verdrängte dort zuletzt die Malerei des Expressionismus bis Informel. Parallel dazu entdeckten auch die jüngeren Kunstmessen dieses Geschäftsfeld. Auf der Art Dubai oder Art Stage Singapur ist die Modern-Abteilung ein blühender Markt und zudem kulturell enorm wichtig. Denn der Blick zurück in die nahe Vergangenheit dient der Selbstvergewisserung der eigenen Kultur und betont eine gemeinsame, weltweite Moderne – wenn auch erst in der Spätphase. Zugleich wird mit den ´Masters´ in Indien, im Nahen Osten und in Lateinamerika auch die kulturelle Vormachtstellung des Westens angegriffen, was auf dem Kunstmarkt ganz schmerzfrei und unwidersprochen vollzogen wird. In keinem anderen Segment sind gerade derartige Preissteigerung zu verzeichnen wie bei den Modern oder Masters. Was also läge näher, als auch in Wien auf der VC gerade in dem Retro-Schick der Marxhalle eben diese Zone einzuführen? Noch gebe es keine Überlegungen in diese Richtung, antwortet künstlerische Leiterin Christina Steinbrecher-Pfandt.
Diese Distanzierung ist erstaunlich. Nicht nur in der Ferne, auch in Europa ist die Kunst der 1960er und 1970er Jahre auf Kunstmessen ein Erfolgsgarant. Frieze Masters konnte 2012 auf Anhieb hohe Umsätze verbuchen, und jede wichtige Kunstmesse, Auktionshaus und sogar Antiquitätenmesse setzt darauf. Das führt dazu, dass manche Namen schlicht überall zu finden sind, etwa Marc Chagall, Andy Warhol, Gerhard Richter. In Österreich ist der 1923 geborene Hans Staudacher eine solche Konstante. Er ist bekannt für seine abstrakten, stark gestischen Werke – ein Stil, der weltweit außerordentlich beliebt ist. Denn Abstraktion ist nicht eindeutig einer speziellen Kultur zuzuordnen, jede Region kann darin eigene Verbindungen sehen, von der asiatischen über die arabische Kalligraphie bis zur radikalen Selbstbefreiung der Malerei aus den Fesseln der Darstellungskunst in der europäischen Moderne. Außerdem ist diese Art der gestischen Abstraktion kunsthistorisch bestens abgesegnet und entspricht der allgemeinen Idee von ´moderner Kunst´. Mit Abstraktion im Wohnzimmer liegt man nie falsch.
Da verwundert es nicht, dass in Wien in nächster Zeit ein frühes Diptychon Hans Staudachers aus dem Jahr 1959 im Kinsky für 35-70.000,- Euro Schätzpreis unter den Hammer (am am 24.3.) kommt. Seine Tuschezeichnungen bieten die Lehner Kunstauktionen für 2-2600 Euro Schätzpreis an (26.3) und in der nächsten Zeitgenossen-Auktion im Dorotheum werden sicher auch wieder Werke des Meisters ausgerufen. Auf der Art Austria (19.-22.3. im Leopold Museum) ist eine Auswahl dieser Abstraktionen gewiss – und selbst auf der Art & Antique in der Hofburg im November gehört Staudacher und andere Künstler der Nachkriegszeit mittlerweile zum festen Angebot. Auf der (alten) Viennafair nahm die Präsenz von Staudachers Werk in den letzten Jahren zwar etwas ab, aber ganz offensichtlich gibt es durchgehend ein starkes Interesse an dieser Kunst. Auch die – neue – Viennafair führt dieses Segment ein, allerdings soll Kunst mit Antiquitäten vermischt werden, was ein gefährlicher Seiltanz ist, allzu leicht rutscht das in Flohmarktatmosphäre ab.
Wieso aber greift die VC dieses Segment nicht auf? „Letztes Jahr brachten einige Galerien aus dem CEE-Schwerpunkt Werke der 2. Avantgarde aus den 1960er und 70er Jahren mit. Sie waren sehr erfolgreich damit. Wir behalten dieses Segment weiterhin im Auge, aber wollen es noch nicht als eigene Zone etablieren,“ erklärt Christina Steinbrecher-Pfandt. Die Frage sei, ob es dafür bereits genügend Kunden gäbe. Für Werke der österreichischen Nachkriegszeit gilt das ganz offensichtlich. Für Masters aus Osteuropa wäre gerade die Vienna Contemporary prädestiniert, diesen Markt aufzubauen – und auch politisch wäre es ein spannendes Konzept, die Jahre des Kalten Kriegs auf einer Kunst undogmatisch aufzuarbeiten. Dann könnten die bisher lose aneinander gereihten Vortrags- und Gesprächsrunden thematisch gebündelt und der CEE-Schwerpunkt neu etabliert werden – aber vielleicht ist diese Ausrichtung ja ohnehin nur eine Frage der Zeit.

Information: Die Vienna Contemporary wird vom 24.-27. September in den Marxhallen stattfinden. Eine Machbarkeitsstudie hat den Standort geprüft, die notwendige Infrastruktur ist vorhanden. Lediglich eine weitere Außenwand wird errichtet. An der Messe sollen 90 Galerien teilnehmen, je ein Drittel national, international und aus Osteuropa. Die Sektion „Reflections“ mit kuratierten Ständen wird beibehalten und es wird weiterhin Solo-Präsentationen von 10 jungen, nationalen und erstmals auch internationalen Künstlern geben.
Die neue Viennafair konnte den bestens eingeführten Namen übernehmen, dazu die Facebookseite, die Web-Adresse und selbst die VIP-Sammlerliste.

veröffentlicht in: Die Presse, 2.3.2015