Lenny Kravitz als Künstler

12. Aug. 2015 in Kunstmarkt

 

c Benedikt Bauer

Lenny Kravitz schreibt, singt und spielt oft sogar die Instrumente auf seinen Alben selbst. Er hat eine eigene Design-Agentur und tritt jetzt erstmals auch als Künstler auf – er fotografiert zurück.

 Smartphones, professionelle Fotoapparate und Fernsehkameras, fette Objektive, Blitzlichter. Die Welt aus der Perspektive von Lenny Kravitz ist krass, denn offenbar reagieren die Menschen weltweit immer gleich: Sobald der Popstar auf der Straße erkannt wird, ballen sich die Menschen zu Massen zusammen und schießen Bilder. Songs wie „Fly Away“ oder „It Ain´t Over Till It´s Over“ machten den 1964 geborenen US-Amerikaner Anfang der 1990er Jahre berühmt. Seither versperren  Fotografierwütige seinen Weg. Iirgendwann wurde ihm das Getümmel zu viel. Damals wollte er an seinem freien Tag in Italien durch die Stadt schlendern und mit seiner Leica einige Aufnahmen machen. Aber wo immer er stehenblieb, umringten ihn Menschen mit ihren Kameras. Er flüchtete in ein Lederwarengeschäft, die Meute blieb dran, formierte sich vor der Fensterscheibe – und fotografierte weiter. Da drehte er den Spieß um und schoss zurück. Damit begann seine Serie, mit der er jetzt eine neue Rolle einnimmt: Lenny Kravitz als Künstler.

 

Popmusiker als Künstler sind keine Seltenheit. Jimi Hendrix malte drogengeprägte Impressionen, der Sänger von Kiss, Paul Stanley, versuchte sich in Abstraktionen, Marilyn Manson war vor fünf Jahren mit seinen düsteren Bildern sogar in der Kunsthalle Wien zu sehen. Für manche ist die Fotografie zur zweiten Leidenschaft geworden, etwa Lou Reed, der durch Andy Warhol angeregt wurde und Stadtlandschaften, Bilder mit Bewegungsunschärfe und schwarz-weiß-Portraits von alten Menschen aufnahm. Bekannt ist auch Bryan Adams für seine Leica-Fotografien, er gründete sogar eine eigene Zeitschrift (Zoom). Aber kein einziger Popstar hat bisher jemals so direkt sein Leben vor der Kamera gewählt – das wundert Kravitz selbst, erzählt er im Interview mit dieser Zeitung. „Eigentlich liebe ich es, Zufälliges aufzunehmen, Landschaften, Autos, Gebäude. Aber dann kam dieses Bild. Ich hatte gar keine andere Wahl, es hat sich mir angeboten und damit begann dieser spannende Tanz.“ Es sei ein Weg gewesen, nicht mehr so genervt zu sein über die Blitzlichtgewitter und habe ihm enormen Spaß bereitet.

Anfangs sei auch gar keine Ausstellung geplant gewesen. „Ich habe die Bilder einem Freund gezeigt, dem Fotografen Jean-Baptist Mondino. Er meinte, dieses Motiv sei einzigartig und sollte meine erste Ausstellung werden. Dann wurde es zunächst dieser Bildband, ´Flash´.“ Im April folgte die Ausstellung in der Leica-Galerie in Los Angeles, dann im Firmensitz in Deutschland und am Ende seiner Europa-Tournee mit nur zwei Wochen Vorbereitungszeit ist der in Paris lebende Musiker jetzt in Wien zu Gast. Alle 51 Abzüge wurden in Wien produziert und sind für Preise ab 1.500,- Euro in einer Edition von 15 zu kaufen.

 

c Benedikt Bauer

Wie kam Kravitz überhaupt zur Fotografie? „Mein Vater hat mir als Kind seine Leica geschenkt, als er aus Vietnam zurückkam – er war dort Pressekorrespondent. Erst fand ich mehr das Design interessant, die vielen Gebrauchsspuren aus seiner Zeit an der Front. Viele Jahre später habe ich dann mit dem Fotografien begonnen.“ Freunde hätten ihn unterrichtet und er habe viel ausprobiert. Auch diese Serie bestehe aus über 1000 Bildern, nur ein Bruchteil davon hat Eingang in das Buch gefunden. An der Fotografie interessiere es ihn, einen bestimmten Moment einfangen zu können, erklärt er: „Das ist genauso wie beim Songschreiben, das passiert ganz schnell. Manchmal fällt mir etwas beim Einschlafen ein, das muss ich dann ganz schnell aufnehmen. So ähnlich ist es auch beim Fotografieren.“ So wählt er auch seine Bildmotive aus: „Das geht ungeheuer schnell. Ich versuche weiterzugehen und fotografiere gleichzeitig.“

Wie reagieren denn die Profis, Fans und Paparazzi darauf? „Erst sind sie immer ganz überrascht – aber dann fotografieren sie einfach weiter.“ Sucht er nicht bestimmte Menschen oder Gesichter aus? Nein, erst wenn er die Bilder zuhause in Ruhe anschaue, sei er von den Gesichtern, den Emotionen fasziniert. Warum fotografiert er bei einem derartig spontanen Ablauf ausgerechnet mit einer manuellen Kamera – ist das eine Art Fluchtweg, da er sich dabei auf das Einstellen von Licht und Bildschärfe konzentrieren muss? „Vielleicht, und ich möchte alles unter Kontrolle haben, möchte alles selbst entscheiden, darum nehme ich keine Automatik-Kamera,“ erklärt er. Und warum ist alles nur schwarz-weiß? „Das sieht für mich einerseits viel realistischer aus als Farbfotos und ist zugleich surreal. Außerdem ist es näher an Fellini-Filmen, die ich sehr schätze – in schwarz-weiß wirken die Gesichter charakateristischer.“

 

© Dominik Debert / Galerie OstLicht

Offenbar sucht Kravitz in seinen Fotografien ein spezielles Lebensgefühl, das im Leben eines Popstars leicht verloren geht – etwas Beiläufiges, eine Normalität voller Überraschungen, aber ohne Langeweile. Da verwundert es auch nicht, dass er begeistert ist von den Werken des US-amerikanischen Fotografen William Egglestone – dessen Werke er auch sammelt, betont Kravitz. Der 1939 geborene Egglestone ist für seine schlichten Motive berühmt, die oft wie ein Schnappschuss wirken und aus ungewöhnlicher Perspektive aufgenommen sind. Diese Kriterien gelten auch für Kravitz´ Bilder, mit denen er tatsächlich ein spezielles Lebensgefühl einfängt – was besonders bemerkenswert ist, da alle seine Bilder immer dasselbe Motiv in derselben Komposition zeigen: Genau in der Bildmitte ist eine Kamera, ein besonders großes Objektiv, ein vor Begeisterung verzerrtes Gesicht. Aber trotz dieser Redundanz faszinieren diese Aufnahmen in ihrer Rohheit: Die Bilder zeigen eine ungeschönte, ungeschminkte Realität, das Leben am Rand des roten Teppichs. Jetzt sei diese Serie abgeschlossen, betont Kravitz. Er überlege sich schon ein Konzept für eine neue Ausstellung. Da wird sich dann zeigen, ob „Flash“ ein Glückstreffer ist oder ob Kravitz die Melancholie seiner Songs weiterhin in Bilder übersetzen kann.

 

c Benedikt Bauer

 Galerie Ostlicht, bis 22.8.2015, Absberggasse 27, 1100 Wien

 veröffentlicht in: Die Presse, 11.8.2015