Museen als Unternehmen

03. Aug. 2015 in Kunstmarkt

Siegerentwurf des Guggenheim Helsinki: die Pariser Architekten Moreau Kusunoki

Als in Abu Dhabi 2007 die große Kooperation mit dem Pariser Louvre bekannt gegeben wurde, war das Konzept neu und spektakulär: Ein großes europäisches Haus vermietet Namen und Teile der Bestände.

Louvre Abu Dhabi, Entwurf v. Jean Nouvel

Gewaltige Gelder flossen dabei, fast eine halbe Milliarde Euro allein zahlte Abu Dhabi für den Namen, eine noch höhere Summe für Beratungen zu den geplanten Ausstellungen, Leihgaben, Expertenwissen. Damals wurde eine Entwicklung unübersehbar, die Ende der 1980er begonnen hatte und heute überall praktiziert wird: Museen agieren nicht als Bildungsanstalten, sondern als Unternehmen. Die Geschäftsfelder heißen Expansion und Vermarktung, die Waren sind die Sammlungen, der Name bzw. das Renomee, das Wissen der Mitarbeiter.

Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts war das anders: Museen traten nur mit ihren Sammlungen und sorgsamen wissenschaftlichen Forschungen an die Öffentlichkeit. Wechselausstellungen fanden kaum statt, zeitgenössische Kunst blieb weitgehend ausgespart, Kooperationen gab es nicht. Aber 1988 übernahm Thomas Krens das New Yorker Guggenheim und veränderte das System unwiederbringlich. Während seiner zwanzigjährigen Direktion brach der studierte Politikwissenschaftler mit zentralen Tabus. So schickte er während der Renovierung des Guggenheims Teile der Sammlung auf eine extensive Wanderung durch die Welt, verkaufte 1990 Werke von Kandinsky, Mondrian und Chagall und richtete im Jahr 2000 einem Modedesigner (Giorgio Armani) eine große Retrospektive aus. Die meisten Ausstellungen im Guggenheim werden bis heute durch die Künstler bzw. ihre Förderer finanziert, Forschung findet kaum statt.

Guggenheim Abu Dhabi, Entwurf v. Gehry & Partners

Vor allem aber setzte Krens von Anfang an auf Expansion: 1997 eröffnete das Guggenheim Bilbao und Deutsche Guggenheim in Berlin. Beidesmal handelte Krens außergewöhnliche Verträge aus: Neben der Bereitstellung von Räumlichkeiten und Infrastruktur, der Übernahme der Betriebskosten mussten aus den Wechselausstellungen Werke der Künstler angekauft und die Hälfte der Ankäufe dem New Yorker Guggenheim ´geschenkt´ werden. So erfolgreich diese beiden Expansionen liefen, so fatal scheiterten andere: 2001 eröffnete das Guggenheim Las Vegas und schloss schon 2003 wieder, Filialen in Mexiko, Salzburg, Rio de Janeiro wurden nie realisiert und obwohl für das Guggenheim Abu Dhabi  noch kein einziger Spatenstich gesetzt wurde, erzeugt es laufend negative Schlagzeilen aufgrund der miserablen Arbeitsbedingungen in dem Emirat. Seit 2011 ist ein Guggenheim Helsinki geplant, jüngst wurde ein Sieger im Architekturwettbewerb gemeldet. Aber ob Moureau Kusunoki Architects Entwurf jemals gebaut wird, ist noch offen. Denn die vom Guggenheim geforderte Lizenzgebühr von 20 Millionen Euro plus einem jährlichen Budget von 7 Millionen Euro sorgen für heftige Kritik in Finnland.

National Gallery Singapore // Foto wikipedia

Aber nicht nur das Guggenheim-Prinzip, vor allem Kooperationen mit anderen Häusern sind ein einträgliches Geschäft. Gerade meldete die National Gallery in Singapur, die erst im November eröffnen wird, zwei Kooperationen: „Reframing Modernism“ findet zusammen mit dem Centre Pompidou, „Artists and Empire“ mit Tate Britain statt. Werden solche Modelle auch in den österreichischen Bundesmuseen praktiziert? „Ich habe in den 15 Jahren meiner Direktion zwei Anfragen zu Kooperationen bekommen – und beide nach reiflicher Überlegung und Prüfung abgelehnt: Die erste kam von Tom Krens mit der Bitte, neben der Ermitage, dem KHM und dem Guggenheim als viertes Museum in das bekannte Projekt in Las Vegas einzusteigen. Ich habe nicht an den Erfolg dieses Projektes geglaubt, keinen Nutzen für die Albertina darin erkannt und daher – nach einer intensiven Besichtigung in Las Vegas abgesagt. Dieses Projekt ist ja dann auch stufenweise – nicht zuletzt durch die Krise von 9/11 – wieder eingestellt worden,“ erklärt Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder. „Die zweite Anfrage kam aus Dubai: hier ist es mir besonders leicht gefallen, eine langfristige Kooperation abzusagen, weil unsere Sammlungsbestände nicht im Geringsten die Erwartungen des Managements für Kultur und Tourismus erfüllt hätten bzw. unsere Vorstellungen von Museumsarbeit zu weit auseinander lagen.“

Im Belvedere gab es bisher keine Franchising-Anfrage, aber es kommen jede Woche ein bis zwei Wünsche nach einer Klimt- und Schiele-Ausstellung herein, erzählt Direktorin Agnes Husslein-Arco. „Das wollen alle haben, aber wir schicken die Werke nicht auf Reisen. Wir kooperieren jedoch bei wissenschaftlichen Forschungen wie jetzt mit Japan.“ Das Belvedere benötigt laut Husslein-Arco keine Einnahmenquelle dank der 60 Prozent Eigendeckung, aber ein Mal im Jahr werde eine Ausstellung zusammen mit einem anderen Museum erarbeitet, in Vorbereitung sind Projekte mit dem niederländischen Van Gogh-Museum und der britischen Tate. Auch das MAK erhält gezielte Anfragen, vor allem für die wertvollsten Teppiche, die Mogulhandschrift „Hamzanama“ oder Klimts Entwurfszeichnungen für den Stoclet-Fries – die nicht mehr reisen dürfen. Direktor Christoph Thun-Hohenstein: „Derzeit sind zwei größere Kooperationsprojekte im asiatischen Raum in Verhandlung, zwei weitere in Form von Ausstellungsübernahmen in Europa.“ MUMOK-Direktorin Karola Kraus berichtet zudem von einem weiteren Modell: Das MUMOK vermietet aktiv einzelne Sammlungsblöcke wie die Aktionisten für temporäre Ausstellungen – was beispielsweise mit der mexikanischen Fondation Jumex vereinbart war. Aber der Direktor wechselte und sagte alles ab.

Adrian Cheng, Gründer der K11 Art Foundation, mit Serge Lasvigne, Centre Pompidou. Foto Artdaily

In einer Praxis aber sind sich alle Häuser einig: die Vermarktung von Ausstellungen. Eine Schau wandert weiter. Solche Kooperationen sind lukrativ und auch interessant, „weil sie zusätzliche Aufmerksamkeit und Geld bringen und den Dialog zwischen den Kulturen vorantreiben,“ erklärt Thun-Hohenstein. Allerdings setzt da auch die Kritik ein: Es bewirke eine weltweite, ästhetische Standardisierung, die Profile der Museen gleichen sich immer mehr an, schreibt Volker Kirchberg in seinem Buch zur „Gesellschaftlichen Funktion von Museen“ (VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005). Das wird als „Museumsimperialismus“ kritisiert, der ein „Austrocknen vormals lebendiger, lokal unterschiedlicher kultureller Öffentlichkeiten“ befürchten lasse. Die Kooperationen der National Gallery in Singapur zeigen aber einen anderen Weg: Dort werden die eingekauften Ausstellungen vor Ort mit regionaler Kunst vermischt. Offenbar geht es um eine Neupositionierung der Region in einer globalen Kunstgeschichte – ein Weg, den auch die chinesische, in Hong Kong ansässige, private K11 Art Foundation mit dem Pompidou einschlägt: K11 finanziert eine dreijährige Recherche chinesischer Kunst in Paris. Was Krens mit dem Guggenheim Prinzip als ein vor allem lukratives Geschäftsmodell begann, ist heute zu einem Werkzeug für eine globalisierte Museumspolitik geworden.