Nachlass-Auktion von Dennis Hopper

15. Okt. 2010 in Kunstmarkt

Er war 27 Jahre alt, als Marcel Duchamp seine erste große Retrospektive in Kalifornien hatte. Damals besuchte Dennis Hopper den Künstler in seinem Hotel in Pasadena. Rückblickend erinnert er sich: „Duchamp meinte, dass der Künstler der Zukunft nur mit dem Finger auf etwas zeigen und es zur Kunst erklären würde, um Kunst daraus zu machen.“ Beim Verlassen nimmt er ein verwittertes Schild mit: „Hotel Green / Entrance“ steht darauf, darunter eine nach rechts weisende Hand. Zur Eröffnung ließ er sich das Stück von Duchamp signieren. Das war 1963. Zwei Jahre zuvor verlor er durch den Brand seines Hauses in Los Angeles den Großteil seiner frühen Bilder. Im selben Jahr begann er zu fotografieren, zunächst Bilder ohne Tiefe, die wie die Oberfläche der Malerei sein sollten – und sofort den ersten Preis bei einem Fotofestival in Australien gewannen. Mit diesen Experimenten reagierte Hopper, der seit „A Rebel Without A Cause“ (1955) zu den bekanntesten jungen Schauspielern der Westküste gehörte, auf die aufdringlichen Fotografen, die ihm auflauerten. Bald folgten Portraitfotos, selten von Schauspiel-Kollegen, vor allem von jungen Künstlern der Pop-Art: das großartige Portrait von Roy Lichtenstein, der lässig im Schneidersitz vor seinem Bild sitzt, Ed Ruscha mit verwegenem Blick oder Robert Rauschenberg mit herausgestreckter Zunge, auf der „This is the Property of Claes Oldenburg“ gestempelt ist.
Nur sechs Jahre fotografierte Hopper. Als er 1967 mit seiner Arbeit an „Easy Rider“ (1969) beginnt, hört er mit dem Fotografieren auf. Aber er bleibt mit den Künstlern befreundet, arbeitet mit ihnen – und gehörte von Anfang an zu ihren Sammlern. Vom jungen Ed Kienholz erstand er die Skulpturen „The Quickie“ und „White on the Side“. Bereits 1962 hatte er um nur 75 $ eines der 32 Campbell Soup-Bilder des jungen Andy Warhol gekauft. 1971 entsteht Andy Warhols „Portrait of Dennis Hopper“, das jetzt in der Auktion von Hoppers Nachlass auf 800.000-1.200.000 $ geschätzt ist.
„Ich gehörte mit Wallace Berman, George Herms, Edward Kienholzu, Llyn Foulkes, Bruce Connor und Edward Ruscha zur Gruppe der kalifornischen Assemblagekünstler und des New Realism und war mit Proof (1963) und Willhold the Mirror Up (1961) einer der Begründer der Konzeptkunst“, schreibt Hopper anlässlich seiner ersten umfassenden Ausstellung im MAK in Wien 2001 im Katalog. Anfang der 1980er Jahre – „Ich war isoliert und konnte nicht mehr beim Film arbeiten,“ beschreibt er die Situation – hatte er zurück zur Malerei gefunden. „Ich brauchte eine Art kreatives Ventil, weil ich am Durchdrehen war.“ Fast dreißig Jahre später kann er seine Werke in der großartig inszenierten Wiener Ausstellung „A System of Moments“ zeigen. „Wer die Ausstellung betritt, stößt auf Maschendrahtzäune und Stacheldraht, auf ein Labyrinth von Reklameflächen – auf eine feindliche Welt: Los Angeles,“ beschreibt Hopper seine Inszenierung, die all seine künstlerischen Leidenschaften eindringlich verband.
Damals wurde die Schau in Wien heftig kritisiert, in den Assemblagen der 1980er Jahre und den abstrakten Bildern der 1990er wurden nur formale Nähen zu berühmten Künstlerkollegen gesucht – und dabei völlig übersehen, wie wegweisend „A System of Moments“ für das Verständnis von Hopper als Schauspieler, Regisseur, Künstler und Sammler war und ist. In den Interviews im Katalog spricht er immer wieder von der „Rückkehr zur Realität“, als Anspruch an die Kunst nach dem Abstrakten Expressionismus, als Thema der Pop-Art. Dass dies weit mehr ist, zeigte die MAK-Ausstellung eindringlich. Raum für Raum inszenierte er sein „System der Augenblicke“, über denen immer wieder die „Rückkehr zur Realität“ als Versprechen und Hoffnung steht.
Sein Erfolg als Schauspieler und Regisseur, als Fotograf und als Maler – alles war heftigen Veränderungen unterworfen. Und das gilt auch für seine Kunstsammlungen. So ging ein großer Teil der frühen Ankäufe nach der Scheidung 1969 an seine erste Exfrau Brooke Hayward. Vier weitere Ehefrauen folgten, jede weitere Scheidung wirkte sich auch auf die Sammlung aus. Wenn jetzt am 10. und 11. November 2010 und am 11. Januar 2011 250 Werke aus seinem Nachlass in der Post-War and Contemporary-Auktion bei Christie´s in New York zur Versteigerung kommen, stehen ein letztes Mal die ´Augenblicke´ seines Leben im Mittelpunkt. Denn ob Robert Rauschenbergs „Lemon Junction Late Summer Glut“ von 1987 ($ 300.00-400.000), Keith Harings „Moses and the Burning Bush“ von 1985 ($ 400.000-600.000), Jean-Michel Basquiats „Untitled“ von 1987 ($ 5-7 Mio.), Julian Schnabels Portrait mit zerbrochenem Porzellan, das er 1999 von seinem Freund anfertigte ($ 150.000-200.000) oder die 18 Werke vom ultimativen Avantgardisten Bruce Conner (Mirror Collage, 1960, $ 20.000-30.000) – all diese Arbeiten erstand Hopper nicht als Geldanlage. Sie waren zum Zeitpunkt des Kaufs eng mit seinem Leben verbunden. Und wie die Entstehungsgeschichte des gestohlenen Hotel-Schilds, das jetzt als „Hotel Green (Entrance)“ von Marcel Duchamp in der Auktion auf $ 40.000-60.000 geschätzt ist, erzählen die Werke immer auch von Hoppers Verständnis des Künstlers: Es ging ihm um das Rebellische.

veröffentlicht in: Weltkunst Nr. 12 2010, 80. Jg.