Seine Winterlandschaften erzielen auf Auktionen Höchstpreise, seine Szenen der bäuerlichen Bevölkerung Tirols gehören zu den bekanntesten Motiven der österreichischen Malerei. Wer aber kennt Alfons Waldes Aktfotografie?
Nahezu niemand, denn Walde (1981-1958) zeigte diese Sparte seines Werkes nur ein einziges Mal. Das war 1921 in der Kunsthandlung Unterberger in Innsbruck. Das Publikum und die Presse reagierten entrüstet und der Tiroler Maler zog dieses Werk gänzlich aus der Öffentlichkeit zurück. Stattdessen konzentrierte er sich auf seine Postkarten, später auch Kunstdrucke, für die er einen eigenen Kunstverlag gründete und die ihn enorm populär machten.
Im Privaten arbeitete er aber weiter mit erotischen Motiven. Anfang der 1930er Jahre erwarb Walde eine Leica und begann die damals noch unübliche Farbfotografie. Hier beginnt auch jene Geschichte, die jetzt unter dem Titel „Schaulust“ im Westlicht erzählt wird. Vor acht Jahren habe er Michael Walde-Berger, Enkel des Malers und dessen Nachlassverwalter, kennengelernt, erzählt Peter Coeln, Inhaber von der Wiener Fotografie-Galerie Westlicht. Der zeigte ihm eine Kiste mit über 2000 Farb-Dias Waldes aus den 1930er Jahre, dazu Kontaktbögen und mehrere 100 schwarz-weiß-Abzüge. Er habe sofort die kulturgeschichtliche Qualität erkannt, erinnert sich Coeln. Aber es dauerte Jahre, bis die Ausstellung zustande kam. Die Dias wurden eingescannt und sie experimentieren mit den Ausdrucken auf Inkjet, um möglichst „nah am aktuellen Zustand zu bleiben, wir möchten nichts beschönigen“, erklärt Coeln (Modern Prints für 600,- bis 900,- Euro in einer Auflage von 5; Edition mit zwölf Fotografien in einer Auflage von 24 für 6000,- Euro inkl. Mehrwertsteuer).
Zusammen mit dem ehemaligen Museumsdirektor Peter Weiermair, ein Spezialist für Körperfotografie, wählten sie schließlich 120 Werke aus, darunter auch Skizzen, Zeichnungen und sogar einige Vintage Prints, also Original-Abzüge, die Walde-Berger erst 10 Tage vor der Eröffnung fand. Waldes Lieblingsmotiv ist der nackte Po, gerne von hinten. Das Gesäß, kommentiert Weiermaier, „ist ein sehr zweideutiges Motiv. Es kann sowohl männlich als auch weiblich sein, es erinnert an eine Frucht, die man öffnen möchte und es spielt mit den beiden Polen ästhetisch/unästhetisch.“ Tatsächlich sind viele der nackten Hinterteile keineswegs in Idealform eingefangen, sondern von Cellulitis verbeult und der Schwerkraft nachgebend. Aber solche Details interessierten Walde ganz offensichtlich nicht. Er suchte nicht den perfekten Körper, sondern spannende Bilder. Oft stehen die nackten Frauen im Schnee, mal mit Hut, oft mit Socken oder Schuhen – Schnee ist kalt. Auf einem Selbstportrait posiert Walde mit heruntergelassener Hose, roter Zipfelmütze, heroischem Blick in die Weite und von der Kälte deutlich geschrumpften Gemächt – ein wunderbar humorvolles Bild. Diese heiter-lustvolle Grundstimmung herrscht in nahezu allen Fotografien, Maler und Modelle hatten ganz offensichtlich einen großen Spaß bei den Aufnahmen.
Die häufigen Rückenakte waren nicht nur ein bildnerische Entscheidung. Sie garantierten zudem die Anonymität der Modelle. Walde war drei Mal verheiratet, seine Ehefrauen standen häufig vor der Kamera. Aber auch junge Bauern-Töchter der Umgebung ließen sich ablichten, und das offen lustvoll. Im Halbstock der Galerie ist auch eine „für unter 18jährige verbotene Zone“, wie es Coeln nennt: Hier werden die pornografischen Paar-Fotografien gezeigt, auf denen der Mann lange, weiße Kniestrümpfe trägt – ganz offensichtlich konzentrierte sich die Inszenierung nur auf die Posen und nicht auf die Körper. Denn Walde bleibt in all seinen Fotografien, seien es die Landschaften, die wenigen Stilleben oder die Akte, vor allem ein Maler, der motivische Studien betreibt. Und das wird in „Schaulust“ durch das Nebeneinanderstellen von Fotografien und Bildern hervorragend herausgearbeitet. In den besten Werken überträgt Walde die Spannung des weiblichen Körpers auf die Landschaft, was in jener großartigen Zeichnung gipfelt, in der ein einsamer Skifahrer im Schnee unterwegs ist und geradewegs auf Berge zusteuert, die aus ineinander verschlungenen, nackten weiblichen Körper bestehen – Skifahren als erotischer Akt.
alle Fotografien: c Alfons Walde / Bildrecht, 2014, Wien
Schaulust – Die erotische Fotografie von Alfons Walde, Westlicht, bis 8.2.2015
veröffentlicht in: Die Presse, 7.12.2014