Nackte in der Kunst

04. Apr. 2016 in Kunstmarkt

Goyas "Die schöne Maya" auf einer spanischen Briefmarke 1930

Goyas „Die schöne Maya“ auf einer spanischen Briefmarke 1930

Kaum eine Geschichte des alten Testaments wurde so oft gemalt wie die von Bathsheba: Sie war die Frau von Urjia, der als Offizier im Dienste von König David mit dem israelitischen Heer vor Rabba lagerte – dem heutigen Amman in Jordanien. Eines Tages beobachtete König David die junge Frau beim Bad, schickte ihr einen Brief und befahl sie zu sich. Als der König später erfuhr, dass Bathsheba von ihm schwanger war, wollte er den Ehebruch vertuschen und holte Urjia zurück nach Jerusalem. Der Plan ging nicht auf, denn Urjia hielt sich an den Ehrenkodex, der sexuelle Enthaltsamkeit während eines Feldzuges vorschrieb. Da beauftragte David in einem Brief an den Hauptmann, Urjia im Kampf hinterlistig sterben zu lassen. Nach Urjias Tod ehelichte David die schöne Bathsheba, das Kind allerdings starb kurz nach der Geburt. Bathshebas anderer Sohn, Salomon, wurde später der Thronfolger.

Bathsheba

Salomon Konick, Bathsheba im Bade

Auch wenn die Bibelgeschichte es nicht explizit erklärt, stellten viele Künstler die junge Frau doch als bewusste Verführerin dar. Auch Salomon Koninck (1609-1656, Amsterdam) folgt dieser Auffassung und setzt Bathshebas nackten Körper opulent in Szene. Ihr hoher sozialer Rang wird durch edle Tücher und die anwesende Dienerin angedeutet, die ihr gerade die Haare kämmt. Anders als bei den meisten Malern verzichtet Koninck auf jegliche Darstellung des Königs oder dessen Schloss. Dafür hält Bathsheba den todbringenden Brief in ihrer Hand – eine Darstellung, die auch Rembrandt wählte. Aber anders als bei seinem Lehrer lässt Koninck die junge Frau herausfordernd den Betrachter anschauen – und macht uns damit zu Voyeuren, ja, zu Mitwissern.
Das Werk dieses Meisters der sogenannten Rembrandt-Schule kommt jetzt im Kinsky in der Alte-Meister Auktion am 12.4 unter den Hammer, geschätzt auf 50.000-100.000 Euro. 146 Lose werden versteigert, und immer wieder fällt dabei der nackte weibliche Körper auf – eine kulturelle Konstante in der westlichen Kunstgeschichte, die in der Malerei übrigens mit den Geschichten von Bathsheba und von Susanna im Bade begann. Schon in der Antike wurde die (halb-)öffentliche Nacktheit – allerdings nur jene der Männer – als natürlich empfunden, die Athleten der Olympischen Spiele kämpften ohne Kleidung. Bis in das 19. Jahrhundert badete die einfache Bevölkerung in vielen europäischen Ländern nackt, beim Saunieren ist es bis heute üblich. In der biblischen Schöpfungsgeschichte ist die Nacktheit ein Symbol für Unschuld und Unbewusstheit, die Scham setzte erst mit dem Sündenfall ein, weswegen das Jesuskind in so vielen Bildern nackt dargestellt wird.

Ridolfo

Ridolfo del Ghirlandaios

Im Kinsky steht Ridolfo del Ghirlandaios (1483-1561, Florenz) „Madonna mit Kind und Johannesknaben“ zum Verkauf. Ein schmales Tuch bedeckt ansatzweise den Schritt des Knaben, denn so genau sollte das Geschlecht hier nicht zu sehen sein (50.000-100.000).
In der Kunst ist die Nacktheit nicht wegzudenken, die syrischen Statuetten des 8. Jahrhunderts v. Chr., die ägyptisch beeinflussten, unbekleideten Spiegelträgerinnen aus Lakonien (Griechenland), die heroischen Kouros-Statuen in Griechenland. Von den mythologischen Figuren der Antike bis zu den Engeln der Römer und den Heiligen wie der Hl. Sebastian wird der unbekleidete Körper meist idealisiert dargestellt.

Pietro Liberi, Venus und Amor

Pietro Liberi, Venus und Amor

Und manchmal auch höchst reizvoll wie in Pietro Liberis´ (1605-1687, Italien) „Venus und Amor“ (1658/59). Zwar sehen wir nur den nackten Rücken der Venus, der ist allerdings voller Sinnlichkeit. Liberis lebte 1658/59 in Wien und wurde von Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich gefördert. Eine ähnliche „Venus und Amor“-Darstellung befindet sich im Besitz des Kunsthistorischen Museums Wien. Im Kinsky ist das Bild auf 15.000-30.000 Euro geschätzt.

Jan Brueghel der Jüngere, Die Fünf Sinne

Jan Brueghel der Jüngere, Die Fünf Sinne

Eine ganze Tafelrunde voller nackter Frauen und Putti zeigt Jan Brueghel der Jüngere (1601-1678, Antwerpen) auf seinem Bild „Die fünf Sinne“ (1630-35) – dem Spitzenlos der Auktion, geschätzt auf 150.000-300.000. Vier Frauen sitzen an einem Tisch, der Gehörsinn spielt eine Laute, der Gesichtssinn schaut in einen Spiegel und vorne liegt der Gefühlssinn als nackte Venus, die von Armor liebkost wird, auf dem Boden. Lediglich der Geruchssinn ist bekleidet, was wahrscheinlich kompositorische Gründe hat. Interessant ist hier auch das Bild im Bild, das den Sündenfall im Paradies zeigt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren solche christlichen Darstellungen als Gegengewicht zu weltlich-allegorischen Themen üblich.

Umfeld, Puttenreigen

Cornelis van Cleve, Puttenreigen, 16./17. Jahrhundert

Fröhlich lässt Cornelis van Cleve (1520-nach 1570, Antwerpen) eine ganze Horde von nackten, knabenhaften Putti ausgelassen miteinander tanzen (Puttenreigen, 3.500-7000) und aus dem Umkreis des Italieners Francesco Ruschi stammt die „Allegorie der Malerei“. Die Malkunst wird meistens als Frau mit Pinsel und Palette personifiziert. Hier aber stehen nicht die künstlerischen Utensilien im Zentrum des Bildes, sondern die entblößte Brust und der entrückte Blick (2.500-5000).

Francesco Umkreis, Malkunst

Francesco Ruschi Umkreis, Allegorie der Malerei

Heinrich

Heinrich F. Fügers, Geburt der Venus

Der entkleidete, weibliche Oberkörper scheint weitaus weniger ´nackt´ zu sein als das Geschlecht, dass oft mit Tüchern oder wie bei Heinrich Friedrich Fügers (1751-1818) „Geburt der Venus“ (1815; 35.000-70.000) sogar mit einer Wolke verdeckt wird. Bei der Nacktheit in der Kunst geht um die idealisierte Form, um Jugendlichkeit, Kraft, bei Männern oft auch Kampfwille, manchmal auch Keuschheit – und immer um die Schönheit des Körpers und die künstlerische Herausforderung, Haut zu malen. Aber nicht alle Länder teilen diese Auffassung. Als Francisco Goya Ende des 18. Jahrhunderts „Die nackte Maja“ malte, wurde er vor die Spanische Inquisition zitiert und verlor seinen Titel des königlichen Hofmalers. 1930 gab Spanien zu Ehren des Malers eine Briefmarke mit eben diesem Bild heraus. Das führte in der USA zu hoher Empörung und in der Folge wurde staatlich verhindern, dass Briefe mit dieser Marke in den USA ausgetragen wurden.