Gleich neben der Albertina, versteckt in einem Hinterhof und doch mitten im Herzen von Wien, entsteht bald ein neues Museum. Zieht hier Albertina Modern ein? Unter diesem Namen wird die für ihre graphische Sammlung berühmte Albertina ab März 2020 zeitgenössische Kunst durch alle Medien präsentieren – allerdings im Erdgeschoß des Wiener Künstlerhauses am Karlsplatz. Das „Stöckl“-Gebäude im Hanuschhof dagegen wird zum Privatmuseum der Heidi Horten Sammlung. Bisher verteilen sich ihre rund 700 hochkarätigen Werke auf ihre Domizile in New York, London, Kitzbühel und am Wörthersee. Bald soll also ein Teil dauerhaft in Wien ausgestellt werden. Rund 20 Millionen Euro soll die Milliardärin für das historische Haus bezahlt haben, dass sich hinter der langen Toreinfahrt, umringt von einer geschlossenen Häuserfront in den engen Innenhof einschmiegt. Eigentlich hätte es Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder gerne gekauft, da das Gründerzeitgebäude früher zur Albertina gehörte und über eine Brücke verbunden war. Schröder konnte jedoch die nötige Summe nicht aufbringen und der damalige, für die Veräußerung zuständige Kulturminister blieb gnadenlos. Also erwarb es ein Investor, der es später Heidi Goëss-Horten verkaufte.
Noch wird das Haus vom Bundestheater benutzt, aber Ende des Jahr soll bereits der Umbau beginnen, 2022 ist die Eröffnung geplant. Drei Architekturbüros waren dafür eingeladen worden: Ortner & Ortner, Kuehn Malvezzi und the next ENTERprise. Als klarer Sieger gewann Next Enterprise. Sie planen eine komplette Entkernung, 13 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. „Museumsarchitektur mit WOW!-Effekt“ nennt Agnes Husslein den „abwechslungsreichen Entwurf“ mit dem an die Seite versetzten Eingang, den zwei schwebenden, offenen Ebenen, dem kleinen Skulpturengarten an der Seite und der Fassadenbegrünung. Die ehemalige Belvedere-Direktorin berät Heide Horten seit den 1990er Jahren bei Ankäufen und kuratierte 2018 die „Wow!“ betitelte Ausstellung im Leopold Museum. Damals waren 175 Werken aus Hortens Sammlung zu sehen, darunter Andy Warhol, Paul Klee, Joan Miro, Pablo Picasso, einige deutsche Expressionisten, Mark Rothko, Cy Twombly, Jean-Michel Basquiat, Damien Hirst – Trophäenkunst, großteils gekauft auf Auktionen. Die Schau brach alle Besucherrekorde des Hauses. Zwar hatte es auch Kritik gehagelt, da die Grundlage von Heidi Goëss-Hortens Vermögen aus einer NS-Arisierung ihres ersten Ehemanns Helmut Horten stammt. Aber das überwältigende Besucherinteresse motivierte die Sammlerin zu einer dauerhaften Aufstellung.
So sollen zukünftig also auf 1200 Quadratmeter in dem als ´Palais Goëss-Horten´ umbenannten, historischen Hauses vor allem Werke zu sehen sein, die es in den Wiener Museen nicht gibt. Dazu gehören aber auch Werke von Monet oder Picasso – eine Herausforderung an die Albertina, die mit dem Slogan „Von Monet bis Picasso“ bisher das gesamte Touristeninteresse an Meistern der Moderne abseits von Klimt auf sich zieht? „Wir planen neben der Daueraufstellung kleine, feine Spezialausstellungen, aber keine Blockbuster“, wiegelt Husslein ab, das Heidi Horten Museum werde ein „kleines Juwel, ich will keine Besuchermassen“. Aber werden die Besucher das versteckt im Innenhof gelegene Museum überhaupt entdecken? „Die Peggy Guggenheim Collection in Venedig hat auch keine Leuchtreklame. Wir sind sicher leicht zu finden, da mache ich mir keine Sorgen.“ Es werde ein „sehr spezielles Museum“, das es in Wien so noch nicht gibt: Der gezielte Kontrast zwischen der Gründerzeit-Fassade und dem modernen Innenausbau werde historische Architektur mit moderner Kunst verbinden.
veröffentlicht in: NZZ, 10.1.2020