Letztes Jahr im April hatte Nicolaus Schafhausen in der Kunsthalle Wien zur Gesprächsrunde mit u.a. Eugen Radescu und Razvan Ion geladen, beide Herausgeber der Zeitschrift Pavilion und Direktoren der Bukarest Biennal . Thema war die Bukarest Biennale, deren Leitung Schafhausen bereits 2012 angetragen worden war. Sehr viel wollte er bei der Diskussion nicht verraten, lediglich sein Konzept, betont rumänische KünstlerInnen zu zeigen.
Nebenbei bemerkte er, dass es keinerlei Budget gibt und sprach von „spotlight politics“: „Selbst wenn die Biennale nie stattfindet, diskutieren wir die Bukarest Biennale ja jetzt bereits.“ Er habe der Anfrage damals zugestimmt, weil ihn die Region interessiere, erklärte er. Sein Titel „Longing and Belonging“ sei ein zentrales Thema heute und es sei eine intensive Zusammenarbeit zwischen der Kunsthalle Wien und der Biennale „für einige Monate“ geplant. „Wir werden kein Geld investieren können, aber Verantwortung“. Er erzählte von seinen Recherchen und seiner Beobachtung von Künstlern in Rumänien, die zwar Ideen produzieren, jedoch keine Werke. Moderatorin Andrea Schurian: „Aber Sie werden Kunstwerke auf der Biennale zeigen?“ Schafhausen: „Das ist noch nicht entschieden.“
Jetzt ist etwas anderes entschieden: Nicolaus Schafhausen hat die Leitung niedergelegt. In der Presse-Aussendung der BB6 am 29.1.2014 war bereits weder der Kurator noch der Titel erwähnt – nicht einmal die Kunsthalle Wien als Partner. Aber: „A great Biennale is on the way. The Grand Opening with the Press Conference will be on 22nd of May 2014 at InterContinental Hotel. The opening party at Club Control.“ Berichtet wird, dass Schafhausen mit Listen zu kämpfen hatte, die ihm westeuropäische KünstlerInnen vorschreiben und umgekehrt rumänische nicht erlauben wollten, was von den Organisatoren in Abrede gestellt wird, auf ARTLEAKS.org jedoch nachzulesen ist. Erzählt wird auch, hinter diesen Listen stehe eine lange und intransparente Kette von Verwicklungen und Abhängigkeiten von Sponsoren bis hin zu unscharfen Verbindungen, erklärte mir eine Sponsorbeauftrage aus Wien. Noch liegt kein offizielles Statement von Seiten der Biennale vor, die bis zur Eröffnung mit einer Stellungsnahme warten wollen.
Anfang Februar dann wurden die neuen, sehr jungen Kuratoren bekannt gegeben: Gergő Horváth (RO/HU) and Ștefan Voicu (RO/IT) . Der Titel: „Apprehension. Understanding Through Fear of Understanding“. Nichts mehr vom lokalen Fokus, wie es Schafhausen vorsah, stattdessen: „Bucharest Biennale promotes awareness and dissemination of the culture, particularly in the fields of the arts, by means of exchanges and cultural cooperation within Europe and beyond, at the same time developing strategies that would encourage mutual understanding and offer insights from different perspectives. Bucharest Biennale is interested in the connection between creative practice and social development, and between the local, European and global contexts.“ Mitgeteilt wurden jetzt auch erste Teilnehmer: Erwin Wurm (AT), Chiara Fumai (IT), János Sugár (HU), Adrian Dan (RO), Dan Beudean (RO), Matei Arnăutu (RO), Zoltán Béla (RO). Zum Titel: „Apprehension. Understanding Through Fear of Understanding, which attempts to question the possible tacit relations between fear and understanding that evade governance, in the everyday life and beyond it. Fear as an epistemic method and fear of understanding as a political strategy.“
Bukarest Biennale 6, 23.Mai – 24. Juli 2014
hier die OTS-Originaltext Presseaussendung zum Rücktritt:
Nicolaus Schafhausen, Direktor der Kunsthalle Wien, legt mit sofortiger Wirkung seine Funktion als Kurator der 6. Bukarest Biennale 2014 (BB6) nieder. Die Vorstellungen der Organisatoren (PAVILION) der Bukarest Biennale vor Ort haben sich als unvereinbar mit denen der kuratorischen Leitung erwiesen.
Im Sommer 2012 war Nicolaus Schafhausen offiziell zum Kurator der BB6 ernannt worden. Sein Konzept beruhte von Beginn an auf einer engen Kooperation zwischen den Hauptstädten Bukarest und Wien. Die BB6 sollte außerdem in enger Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Wien stattfinden. Zusammen mit dem „Office for Art“ in Berlin hat Nicolaus Schafhausen ein kuratorisches Gesamtkonzept für die Biennale mit dem Titel „Longing and Belonging“ entwickelt. Der Fokus dieses Konzepts lag auf der Einbeziehung zahlreicher internationaler Künstlerinnen und Künstler, die in Rumänien geboren sind. Die Organisatoren der BB6 standen ursprünglich hinter diesem Konzept und waren wie Nicolaus Schafhausen interessiert daran, die Spannungsfelder zwischen (nationaler) Identität und (persönlicher) Individualität auszuloten, sowie die künstlerische Auseinandersetzung mit dem philosophischen Konzept des „Anderen“ und des „Selbst“ zur Diskussion zu stellen.
Neben der Ausstellung in Bukarest waren umfangreiche Symposien in Bukarest und Wien geplant. Zudem war Nicolaus Schafhausen in direktem Kontakt mit zahlreichen Sponsoren, sowie institutionellen und privaten Partnern, die daran interessiert waren, die BB6 auf Grundlage des kuratorischen Konzepts zu unterstützen. Nachdem an diesem Konzept mehr als anderthalb Jahre gearbeitete worden war, haben sich zahlreiche inhaltliche Differenzen zwischen den Organisatoren der BB6 und dem kuratorischen Team ergeben. Dabei haben sich die unterschiedlichen Auffassungen über kuratorische Unabhängigkeit als unüberbrückbar herausgestellt.
Aus diesem Grund zieht Nicolaus Schafhausen sein Engagement für die BB6/PAVILION zurück. Diese Entscheidung zielt ausdrücklich nicht darauf ab, irgendeine der involvierten Parteien zu diskreditieren, vielmehr geht es ihm darum, Schaden von den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern, sowie den involvierten Organisationen abzuwenden.