Gefühlte 70 Stufen im Zickzack nahezu senkrecht hoch, entlang der am Felsen klebenden Stapelhäuschen, die an Schlumpfstädte erinnern – dies ist einer der Wege, die man auf der Tour durch „Panorama – Procida“ zurücklegen muss. „Panorama“ ist ein dreitägiges Kunstfestival auf der Insel Procida, veranstaltet von ITALICS. Damit ist die Initiative von 63 italienischen Galerist*innen inklusiv Antiquitätenhandel betitelt, die sich letztes Jahr im Lockdown zusammentaten. Ihr Ziel: eine (Wieder-)Belebung der italienischen Kulturszene. Jetzt ist neben der ständig aktualisierten Internetseite geplant, einmal im Jahr ein gemeinsames Ausstellungsprojekt zu organisieren. Zum Auftakt lud Italics zu einem dreitägigen Kunstfestival auf die italienische Insel Procida. Nahe Neapel neben Ischia und Capri gelegen, ist die nur 4,1 Quadratmeter große, dicht besiedelte Insel kaum als Touristenort bekannt – die bunt bemalten Häuser im Hafen als Postkartenmotiv allerdings sind weltberühmt.
Dort also fand jetzt Anfang September „Panorama“ statt, kuratiert von Vincenzo de Bellis, mit Werken von 50 Künstler*innen, auf 20 teils spektakuläre Orte quer über die Insel verteilt. Der Weg die vielen Stufen hinauf belohnte mit einem Video hinter einem winzigen Guckloch von Domenico Antonio Mancini. Anderes ist leichter zu finden: Guiseppe Penones „Equivalenze“ oben auf der höchsten Stelle der Insel auf einem kleinen Platz, oder Nicola Samoris beklemmende Figur „Artaud“, die temporär ein historisches Denkmal variiert.
Einiges fügt sich in herausfordernde Kontexte ein wie Giulia Cencis „pissing figures“, die man nur durch ein Guckloch im schweren Eisentor vor dem ehemaligen Gefängnis erspähen kann. Oder Mimmo Paladinos Figur, die hinter dem Eisengittertor wie ein Wächter verlorener Zeiten im Hof des verfallenden Palazzo d´Avalos steht.
Eine fast magische Schönheit erhalten die auf Tücher gedruckten Bilder von Francesco Simeti, die auf den Wäscheleinen in einem Innenhof hängen. Rundherum die farbenkräftigen Fassaden, bunte Geländer, Madonnenfiguren, Fahrräder, Wäsche – Architektur und Kunst verschmelzen hier grandios.
Zu einem sakrale Werk wird Lucio Fontanas grünes Oval von 1963 in der Cappella S. Maria Regina della Purita, kontrastiert durch Guilio Paolinis bizarre Deckenskulptur „Il cielo e dintorni“ (1988) – selten haben die Kontexte unsere Wahrnehmung von Kunstwerken derartig intensiv geprägt wie in dieser inselweiten Ausstellung.
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veröffentlicht in: Kunstforum online, 8.9.2021