Pioniere der Moderne: Gustav Klimt, Josef Hoffmann

30. Okt. 2011 in Ausstellungen

Vierzehn uneheliche Kinder meldeten kurz nach seinem Tod Erbschaftsansprüche an. Drei hatte er zu Lebzeiten anerkannt. Sein Ruf als Verführer war stadtbekannt. Denn Frauen waren für Gustav Klimt, der Zeit seines Lebens bei seiner Mutter lebte, nicht nur Motiv, sondern auch Muse. In seinen Gemälden revolutionierte er das Bild der Frau, schuf den Typus der Femme Fatale, die Eros und Gefahr verbindet, aber auch der modernen Frau, schlank, mondän, selbstbewusst. Mit diesen Bildern wurde er weltberühmt.

Nächstes Jahr wäre er 150 Jahre alt geworden – Anlass genug, Klimt in Wien ausgiebig zu inszenieren. Ab Januar werden sich acht Museen mit Sonderausstellungen an „Klimt 2012“ beteiligen, dazu wird ein „Klimt-Spaziergang“ durch Wien geboten, auch Schmuck mit Klimt-Motiven, ein Klimt-Sekt und selbst in der Pariser U-Bahn werden Reproduktionen aus dem Werk des genialen österreichischen Malers gezeigt. Während die meisten dieser Aktionen nicht mehr als City-Marketing sind, beginnt das Belvedere schon heuer mit einer Ausstellung, die unseren Blick auf Klimt herausfordert.

Denn nicht Klimt als Frauenfreund, auch nicht als Markenname, sondern als Wegbereiter der Moderne steht im Zentrum der Betrachtung. Gemeinsam mit dem Architekten Josef Hoffmann revolutionierte er die künstlerische Formensprache seiner Zeit. Beide glaubten an ein hierarchiefreies Zusammenspiel von angewandter und freier Kunst. So unterschiedlich die beiden Künstler in ihren Charakteren und Lebensentwürfen auch waren – Hoffmann lebte ein bürgerliches Leben, war Freimaurer –  so teilten doch beide die Vision eines Gesamtkunstwerks, einer Kunst, die den gesamten Raum umfasst.

Berühmtestes Beispiel dafür ist die Beethoven-Ausstellung 1902 in der Wiener Secession. Hoffmann hatte rund um eine Skulptur von Max Klinger Werke von 20 Künstlern zur 9. Sinfonie gruppiert, als Höhepunkt darüber Klimts Beethovenfries. „Moderne Raumkunst“ nannte er diese Form einer gezielten Themenausstellung damals. Heute könnte man Hoffmann als ersten ´Kurator´ bezeichnen.

Diese Ausstellung ist jetzt im Belvedere teilweise rekonstruiert und eine von vielen Nachbauten, dank derer wir auf kleine Zeitreisen geschickt werden. Wenige Räume später stehen wir vor dem originalgetreuen Nachbau des Stiegenhauses des Palais Stoclet, dann vor Klimts Atelier. 1903 hatte Hoffmann dieses Atelier mit Möbeln ausgestattet. In der Rekonstruktion zusammen mit dem Portrait von Fritza Riedler sieht Kurator Alfred Weidinger jetzt ein Rätsel gelöst: Das große Rechteck links im Hintergrund ist nicht eine erste abstrakte Form, sondern schlicht der Schrank von Hoffmann. Eine andere kleine Sensation der Ausstellung ist das Portrait von Barbara Flöge, der Mutter seiner langjährigen Freundin Emilie. Das Bild entstand 1915, galt lange als verschollen und ist jetzt erstmals wieder ausgestellt. Direkt daneben hängt die „Sonnenblume“ von 1907 und es wird unübersehbar: diese Blume ist sein Bild der Frau schlechthin.

Es ist eine beeindruckende Ausstellung, die anhand von Gemälden, Architekturplänen, eigens angefertigten Modellen, Teppichen und Deckenlampen, maßstabsgetreuen Rekonstruktionen und historischen Dokumenten eines der spannendsten Kapitel der österreichischen Kunstgeschichte anschaulich macht. Formal erstaunliche Nähen von Klimt zu belgischen Künstlern wie Fernand Khnopff oder Jan Toorop werden überzeugend aufgezeigt und die enorme Bedeutung angewandter Kunst in jener Zeit vor allem in den vielen Entwürfen für Kunsthandwerk von Josef Hofmann für das Palais Stoclet unübersehbar. „Experimentalboote“ nennt Kurator Alfred Weidinger diese Objekte, in denen sich die umfassenden Visionen beider Künstler spielerisch widerspiegeln.

In der Menge der dicht aufeinander folgenden, bühnenhaften Rekonstruktionen allerdings droht der Weg in die Moderne verloren zu gehen. Statt die Entwicklung von den weichen Kurven zu den strengen Linien in Hoffmanns Werk zu betonen, dominiert eine überbordende Üppigkeit der Räume. Das „weniger ist mehr“-Motto der Moderne wird schlicht ignoriert. In diesen Inszenierungen wird Klimts blumenreiche Bildsprache fast zur reinen Dekoration. Aber vielleicht ist der hier inszenierte Kontrast zwischen den materialintensiven Raumbewältigungen und der Suche nach Vereinfachung notwendig, um jene Grundlage zu verstehen, aus der heraus der die beiden Pioniere ihre einzigartigen Positionen entwickelten? Kontraste jedenfalls, das wird in der Ausstellung immer wieder deutlich, sind das Schlüsselwort zu den beiden Pionieren.

Gustav Klimt, Josef Hoffmann. Pioniere der Moderne. Untere Belvedere, Rennweg 6, 25.10.2011-4.3.2012; Eintritt 9,50

veröffentlicht in: Die Presse, 25.10.2011