Prag Biennale 2005

03. Jun. 2005 in Biennalen

Prager Doppel No. 1 – Prag Biennale 2005

Warum nicht auch eine Biennale in Prag? Das dachte sich wohl Giancarlo Politi, Herausgeber von der italienischen Kunstzeitschrift Flashart, und Helena Kontova, gebürtige Tschechin und Chefredakteurin von Flashart. Beide hatten bereits zusammen 2001 die Tirana Biennale in Albanien initiiert. Also gründeten sie vor 2003 eine weitere, die Prag Biennale, die in Zusammenarbeit mit Milan Knizak, Direktor der National Gallery, im Museum stattfand.

Die Premiere ist vor allem als Desaster überliefert: wenn überhaupt, dann gab es nur minimales Transport- oder Produktionsbudget, Hotels weit draußen an der Stadtperipherie, willkürlich gekürzte Katalogtexte: Die Liste der organisatorischen Mängel ist lang, die Leitung zerstritten.

Die Konsequenz: Jetzt gibt es zwei Prag Biennalen. Die eine, von Politi und Kontova, eröffnete am 26. Mai. Die andere, von Milan Knizak und Chefkurator Tomas Vicek,  wird am 13. Juni eröffnen und heißt offiziell IBCA 2005, International Biennale Of Contemporary Art.
So absurd es ist, aber diese Verdoppelung hat natürlich auch wunderbare Seiten. In der Flashart-Variante stellen gut 350, vorwiegend osteuropäische  KünstlerInnen aus. Im Juni folgen dann noch einmal dreißig KuratorInnen mit Werken von 400 KünstlerInnen! Zweimal Riesenangebot in einer Stadt. Die Mai-Biennale konzentriert sich auf Malerei, die Juni-Biennale stellt die Werke von drei tschechischen Künstlern in den Mittelpunkt: Jana Sterbak, Jiri Georg Dokoupil, Vaclav Pozaraek. Dazu werden thematische Gruppenausstellungen in verschiedenen Häusern der Stadt gezeigt, vom Palais Kinsky bis zur National Gallery. Die Mai-Biennale dagegen zog in eine ehemalige Stahlgießerei im Kalina-Viertel ein, ein ehemaliges Industrieviertel, das gerade abgebrochen und neu bewertet wird.
Der Ort erinnert an 1980er Jahre-Ausstellungen in alten Fabrikhallen. Allerdings werden jetzt keine großformatigen Skulpturen gezeigt, sondern kunstmarktkonforme, vor allem gegenständliche Malerei. Im nahezu identischen Abstand nebeneinandergehängt, ohne Rücksicht auf Unverträglichkeiten, stellt die von Politi und Kontova kuratierte „Expanded painting“-Ausstellung das Grundthema und bildet den räumlichen Rahmen: über 170 Namen, darunter Iris van Dongen, Hans Hemmert, Markus Huemer, Anselm Reyle, Ugo Rondinone, Raqib Shaw, Maja Vukoje. Bei den Bildern von Mauricio Cattelan und Damien Hirst fragt man sich unwillkürlich: Beteiligung der Künstler oder eher Stücke aus einer Privatsammlung? Tatsächlich: Courtesy Trevi Flash Art Museum, Trevi.

 Dazwischen sind mehrere kojenähnliche Räume eingezogen, in denen kleinere Gruppenausstellungen stattfinden: kinetische Kunst (Kurator: Getulio Alviani) über „Outsider Art“ (James Coleman), Überblicke über polnische (Hanna Wroblewska und Anna Jagiello), tschechische (Jiri David) und slowakische Kunst (Juraj Carny), ein bisschen China (Primo Marella, Francesca Jordan) und „new german painting“ (Johannes Schnmidt) mit Tilo Baumgartel, Martin Eder, Tim Eitel, Olaf Holzapfel, Frank Nitsche, Christoph Ruckhäberle. Gemeinsamkeit aller: Flachware an Wänden.

Aus dieser in Präsentation und Auswahl allzu offensichtlichen Orientierung am Kunstmarkt fallen eigentlich nur zwei Kleinaustellung heraus, die das Aneinanderreihungsprinzip durch eine stimmige Gesamtinszenierung durchbrechen: „Definition of Everyday“ (Vit Havranek, Karel Cisaar, Jan Mancuska) und „Action Directa. Latin-american social sphere“ (Marco Scotini). Beide spielen mit dem Charme der unrenovierten Architektur, beziehen Boden, Nischen und Lichtverhältnisse ein.
Es ist eine merkwürdige Biennale, der man die Budgetnöte und Improvisationsoffenheit deutlich ansieht. Die Halle verfügt nur an ausgewählten Stellen über kleine Lichtquellen, die Glasscheiben im Dach sind mit Plastikplanen abgedeckt und die tatsächliche Anzahl der Löcher in der Decke wird der nächste Regenschauer offenbaren. Andererseits herrscht hier eine fröhliche Aufbruchstimmung, die gerade dank des Verzichts auf eine perfekte Präsentation den Blick auf die Werke konzentriert – wenn sie denn der attraktiven Ruinenästhetik der Halle trotzen können. So ist die Prag Biennale in jeder Hinsicht vor allem eins: eine Herausforderung.

Prag Biennale 2, 26. Mai – 15. September, Kalin Hall, Prag
publiziert in: www.artnet.de 3.6.2005