Rabbya Naseer erhielt letztes Jahr den Belvedere Art Award 2025. Warum ist jetzt die damit verbundene Ausstelllung kommentarlos aus den Ankündigungen verschwunden?
In wenigen Tagen hätte die erste Personale von Rabbya Naseer im Belvedere 21 eröffnen sollen. 1984 in Pakistan geboren, lebt Naseer seit Mitte 2023 in Wien und unterrichtet als Stipendiatin im Zuge ihres Promotions-Aufenthalts an der Akademie am Schillerplatz.
Im Mai 2024 erhielt sie den Belvedere Art Award, der auch eine Ausstellung beinhaltet – die wortlos aus den Ankündigungen des Museums verschwand. Was ist passiert? Recherchiert man den Namen der Künstlerin, findet man schnell ein Youtube-Video: In feinstem Englisch und herrlich höflich sitzt sie an einem gedeckten Tisch und erklärt wortreich ihre Absage.
Zu viel Pro-Palästina in Rabbya Naseers Konzepten
Dieser Umstand ist Stella Rollig, Direktorin des Belvedere, wichtig: „Rabbya Naseers Absage hat uns überrascht! Wir waren schon weit mit den Ausstellungsvorbereitungen.“ Bei einem Treffen im Cafe Prückel erklärt Naseer die Entwicklung, die in dem Video nur kurz angerissen ist: Sie schlug dem Belvedere vier Konzept vor. Das erste sah einen auf den Boden rund um das 21er Haus quer durch den Schweizer Garten geschriebenen „Brief“ vor – die Produktion war zu schwierig, erklärt Rollig dazu. Bei den Folgenden galt: zu viel Pro-Palästina, zu viel Naher Osten.
Seit dem schrecklichen Terrorangriff der Hamas auf israelischem Gebiet 2023 ist jegliche Palästina-Solidaritätsbekundung in Deutschland und Österreich vermintes Gebiet. Die historische Schuld des Holocaust verbietet es. Seit dem documenta-Debakel 2022, als ein winziges Detail in einem riesigen Wandbild zu einer nicht enden wollenden Antisemitismus-Debatte führte, sind gerade die staatlichen Museen hellwach.
Warum aber wurde dann eine Künstlerin ausgewählt, die einen Konflikt auslösen könnte? Nominiert wurde Naseer von der Jury aufgrund ihrer performativen Arbeiten zu den Parallelen zwischen Kunst und Alltag, zum Thema Gemeinschaft: „Rabbya Naseer beschäftigt sich mit Unsichtbarkeit, um temporäre Strukturen, subversive Momente und Freiräume zu erforschen“, wie es in der Begründung heißt. In ihren Projekten für das Belvedere ging es um das ´Ich´ im Verhältnis zum ´Wir´.
´Dabke´-Tanz lernen
Zuletzt war Rabbya Naseers Vorschlag, einen Tanz zu lernen und diesen Vorgang im Raum zu projizieren. Der Tanz ´Dabke´ ist ursprünglich eine aus dem Gebiet der Levante stammende rurale Tradition – die heute als Artikulation des palästinensischen Widerstands gegen die israelische Besatzung eingesetzt wird, wie Naseer es auch dem Belvedere erklärte. Sie sei keine Aktivistin, betont sie im Gespräch, „aber ich kann vor den Ereignissen in Gaza nicht meine Augen verschließen.“ Ihre Werke würden ihrem kulturellen Interesse folgen.
last exit „Mini-Retrospetive“?
Sie sei aus Pakistan Zensur gewöhnt, betont sie. Sie sei kooperativ gewesen. Aber ihre Vorschläge seien zu „polarisierend/kontroversell/spaltend“, zitiert sie in ihrem Video die Reaktionen des Belvedere. Am Ende haben die Kuratorinnen nur mehr eine „Mini-Retrospektive“ gewollt, „nett und harmlos“, erzählt sie. So entstand ihr Absage-Video – das von der Institution dann sogar ausgestellt werden wollte. Allerdings versehen mit einem Kommentar des Hauses. Gibt es ein solche Vorgehen sonst auch in Ausstellungen? Nein. Kunst wird nicht institutionell kommentiert. Nie. Wir definieren unsere Kultur über künstlerischen Freiheit.
Zensur? Ratlosigkeit!
Die Sorge des Belvedere vor einem Konflikt ist verständlich. Aber wie soll Kunst des gerade so hofierten ´Globalen Süden´ in das Programm integriert werden, wenn ein so bewegendes Thema zwangsweise ausgespart werden muss? Wie wollen unsere Institutionen die von unseren Ländern so programmatische Fahne für die Freiheit der Kunst weiterhin hochhalten? Können wir vielleicht in unseren Museen nicht mehr jede Position ausstellen?
„Das fände ich schlimm!“ kommentiert Rollig die Konsequenz daraus. Aber sie sagt auch klar: „Wir möchten in dieser disparaten, leidvollen Situation nicht eine Ausstellung präsentieren, die nur eine Seite der Konfliktparteien ausdrückt“ – ein interessanter Anspruch an Kunst! Handelt es sich dabei um Zensur? Das komme auf die Definition an. „Sieht man es als Nicht-Zulassen einer bestimmten Äußerung: ja.“ Sie hätten stundenlang diskutiert, aber: „Ausstellungen im Museum sind immer mit dem Künstlern gemeinsame Unternehmen, wo man sich einig sein muss“ – und sie seien sich nicht einig gewesen. Sie gibt aber auch eine „Ratlosigkeit“ zu, „wir müssen alle unsere Umgangsweisen dazu finden.“ Die Jurymitglieder Rollig, Andrea Bellini, Fatima Hellberg, Andreja Hribernik, Felicitas Thun-Hohenstein haben übrigens das abrupte Ende wortlos zur Kenntnis genommen.
veröffentlicht in: Die Presse, 25.2.2025