Ritter aus Ost und West im Louvre Abu Dhabi

05. Mrz. 2020 in Ausstellungen

Furu, Louvre Abu Dhabi, Installationsfoto Ismail Noor, © Department of Culture and tourisms Abu Dhabi

Furusiyya, Louvre Abu Dhabi, Ritter in Ost und West. Installationsfoto Ismail Noor, © Department of Culture and tourisms Abu Dhabi

Die Kreuzzüge im Mittelalter sind kein rühmliches Kapitel des Christentums. 1095 hatte Papst Urban II zu einer bewaffneten Pilgerfahrt in den Nahen Osten aufgerufen, um Jerusalem zu erobern. Ritter und Laien aus Frankreich, Deutschland und Italien zogen daraufhin insgesamt vier Mal plündern und mordend im Namen Gottes los. Über diese Kriege hatten wir lange Zeit nur ein Wissen aus westlichen Quellen. Seit einigen Jahren werden auch islamische Schriften über die als „Frankenkriege“ bezeichneten Überfälle ausgewertet. Jetzt versucht erstmals ein Museum einen weiteren Schritt: Mit „Furusiyya: Die Kunst der Ritterlichkeit“ bringt das Louvre Abu Dhabi beide Seiten zusammen, um anhand von 160 Objekten von 260 n. Chr. bis zum 16. Jahrhundert die Gemeinsamkeiten und gegenseitigen Einflüsse zu betonen.

Louvre Abu Dhabi’s exterior with Abu Dhabi’s skyline (night) © Louvre Abu Dhabi, Photography: Mohamed Somji

Louvre Abu Dhabi’s exterior with Abu Dhabi’s skyline (night) © Louvre Abu Dhabi, Photography: Mohamed Somji

Das Louvre Abu Dhabi entstand im Staatsvertrag mit Frankreich. Ende 2017 eröffnet, basiert die auf dreißig Jahre angelegte Kooperation auf Wissenstransfer und Ausleihen. Für „Furusiyya“ ist ein Team französischer Museumskuratoren verantwortlich – aber kann das gutgehen, das hier in den Vereinigten Arabischen Emiraten westliche Akademiker die Definitionshoheit übernehmen, über eben jene Region, die im Fokus steht? Um es gleich vorwegzunehmen: Ja, das Experiment gelingt. Aber dafür werden die düsteren Seiten des Themas ausgeblendet. Zwar gibt Eingangs eine Zeittafel den Ablauf der Ereignisse an. Aber weder kommt die Brutalität der Kriege zur Sprache, noch etwa das Entsetzen der Muslime angesichts der barbarischen Kreuzritter, die den Einheimischen in Fragen des Rechts, der Hygiene und der Medizin weit unterlegen waren.

Department of Culture and Tourism - Abu Dhabi Photo by Seeing Things - Ismail Noor

Department of Culture and Tourism – Abu Dhabi Photo by Seeing Things – Ismail Noor

Stattdessen konzentriert sich die Ausstellung gänzlich auf einen einzigen Aspekt, der die große Gemeinsamkeit aufweist: berittene Kämpfer. Im Westen als Ritterkultur bezeichnet, kommt dem im Osten der Begriff „Furusiyya“ nahe. Gemeinsamer Ursprung der berittenen Elitekämpfer sind die zentralasiatischen Reitervölkern, die vom Pferd aus jagten und kämpften – wie Darstellungen auf einem frühen Medaillon, einem Teller und einem Relief in der Ausstellung zeigen. Gemeinsam ist beiden Seiten auch die Betonung hoher Werte: Mut, Ehre, Loyalität und Großzügigkeit. Die westlichen Ritter allerdings waren eine eingeschworene, durch strenge Zeremonien – wir kennen heute noch den Ritterschlag – geregelte Gemeinschaft. Nicht jeder kämpfende Reiter war ein Ritter: Im 14. Jahrhundert gab es in Frankreich rund 10.000 Reiter, aber nur 3000 davon waren Ritter, betont Michel Huynh vom Pariser Musée de Cluny, aus dem der Großteil der Leihgaben kommt. Ritter war ein hoch geschätzter Beruf und ein der Aristokratie nahestehender, gesellschaftlicher Stand mit eigenen Ritualen wie den Ritterspielen – und hohen finanziellen Anforderungen: Der Preis einer Kampfausrüstung entsprach den Kosten heute für einen Porsche.

Department of Culture and Tourism – Abu Dhabi Photo Thierry Ollivier

Department of Culture and Tourism – Abu Dhabi Photo Thierry Ollivier

Im Osten dagegen formierte sich weder ein Beruf noch eine eigene Gesellschaftsschicht. Es gab zwar auch Training als Unterhaltung, etwa die Polospiele, aber kein Muslim durfte gegen Glaubensbrüder kämpfen. Im Osten wurden übrigens Stuten für die Kämpfe bevorzugt, da sie bei Blitzangriffen leiser waren. Im Westen mussten es Hengste sein – als Symbol für Stärke. Gemeinsam waren beiden die Waffen und die Rüstungen. Im Osten kamen neben Lanze und Schwert auch Pfeil und Bogen zum Einsatz. In nur drei Sekunden schossen sie zwei, drei Pfeile in alle Richtungen ab – der Kampf zielte auf schnelle Tötung. Für solche Manöver mussten die Rüstungen weitaus beweglicher angelegt sein als für die mit einer Lanze nach vorne agierenden, schwerfälligen Ritter.
Solche Details können die Ausstellungsobjekte gut veranschaulichen, etwa mit den beiden lebensgroßen Reitern gleich zu Beginn: Eine nahezu geschlossene Rüstung mit Federschmuck für den Reiter, ein steifer Lederanzug für das Pferd beim Christen. Daneben der perfekte Helm- und Pferdschutz durch die enorm vielteiligen Metallplättchen und Kettenglieder beim Muslim. Anschaulich sind auch solche Objekte wie der Krug zum Wassereichen, die vom Leben der Ritter erzählen: Im Mittelalter gaben Ritter ihren Besuchern das damals sehr wertvolle Wasser zum Händewaschen – so bewiesen die Gäste, das sie in friedlicher Absicht kamen. Amüsant ist das Gewand für ein Pferd, dass Napoleon Bonaparte für seine Expedition nach Ägypten 1798 in Anlehnung an arabische Pferdeausrüstungen entwerfen ließ, eine seltsam-exotische Mischung verschiedener Einflüsse.

© Department of Culture and Tourism - Abu Dhabi Photo by Seeing Things - Ismail Noor

© Department of Culture and Tourism – Abu Dhabi Photo by Seeing Things – Ismail Noor

Am Ende der Ausstellung hat man die Kreuzzüge als ursprünglichen Zusammenhang des Aufeinandertreffens berittener Krieger aus West und Ost völlig vergessen – und das ist sicherlich Absicht. Ein großer Teil der rund 2 Millionen Besucher des Louvre Abu Dhabi seit der Eröffnung Ende 2017 sind Touristen aus Asien, darunter viele aus China und Indien. Wieviel Wissen und Interesse bringen sie am Thema der Kreuzzüge mit? Die Faszination am Kampf und Leben reitender Helden dagegen ist zeit- und ortlos.

veröffentlicht in: Presse, ….

(Louvre Abu Dhabi, Furusiyya: Die Kunst des Rittertums zwischen Ost und West, 19.2.-30.5.2020)