Ohne Schenkungen kommt kaum noch ein Museum aus, und ganz besonders die Wiener Albertina ist darauf angewiesen. Immer wieder meldet das historische Museum neue Akquisitionen, und eine verwundert mehr als die nächste. Gerade kam die Meldung, dass der polnisch-deutsche Ex-Galerist Rafael Jablonka einen Teil seiner Sammlung Jablonka der Albertina übergibt. 400 Werke gehen nach Wien, gebündelt in einer Stiftung. Es ist also weder eine Schenkung noch eine Leihgabe, eher ein Andocken: „Eine Stiftung gehört sich selbst“, erklärt es Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder im Gespräch – je nach Regelung und auch erst, wenn der Stifter nicht mehr lebt, muss man hinzufügen.
Aber ist die Albertina nicht eigentlich das Museum für Erzherzog Alberts graphische Sammlung? Das gelte schon lange nicht mehr, belehrt Schröder, der das Haus mit seinem Amtsantritt 1999 komplett neu aufstellte. „Die Achillesferse der Albertina war nicht nur das Klumpenrisiko einer einzigen Sammlung, sondern auch das Problem, dass es zwar mit Albrecht Dürers Werken Ikonen der Kunstgeschichte besitzt, die aber nur alle 10, 15 Jahre zu sehen sein können.“ Zentrum der neuen Identität ist die Sammlung Batliner. Der Liechtensteiner Anwalt stiftete 2000 eine neue Ausstellungshalle, in der seit 2007 dessen gesamte Sammlung Klassischer Moderne zu sehen ist. Seither ist die Albertina von Slogan „Von Monet bis Picasso“ nicht mehr zu trennen. Aber es blieb nicht bei den Meistern der Moderne. Immer wieder kaufte der im Juni verstorbene Mäzen Werke für die Albertina an, darunter Arnulf Rainer, Maria Lassnig und Alex Katz. Der nächste Schritt in die Gegenwart erfolgte mit der Schenkung von 1323 Werke aus der Sammlung Essl, der jetzt im finalen Projekt gipfelt: Im März 2020 wird „Albertina Modern“ eröffnen. Untergebracht im Untergeschoß des Künstlerhaus Wien am Karlsplatz, dem Stammsitz von Österreichs ältester Künstlervereinigung, werden hier Wechselausstellungen der Albertina stattfinden, darunter ab September 2020 einige Monate lang die Sammlung Essl. Zeitgleich wird im Haupthaus die Sammlung Jablonka zu sehen sein.
Sicherlich, aus Sicht der Albertina ist diese Akquisition perfekt, denn ohne solche Gaben gäbe es die Albertina als Museum für Malerei bis zur Gegenwart nicht. Aber wieso entschied sich der 1952 in Polen geborene, in Innsbruck lebende Jablonka für die Albertina? 1988 eröffnete er in Köln eine Galerie mit dem damals aktuellen Schwerpunkt eines transatlantischen Austauschs. Von dieser Zeit ist seine Sammlung Jablonka geprägt, auch die Gaben für Wien. Darunter seien laut Schröder von Sherrie Levine 40 Werke, von Mike Kelley 20, von Ross Bleckner an die 20 Arbeiten, von Philippe Taaffe 25-30 Gemälde, aber auch Werke von Andreas Slominski und Damien Hirst. Dazu kommt ein Konvolut von 220 Fotografien Nobiyoshi Arakis, der in den 1990er Jahren berühmt wurde für seine erotischen Bondage-Inszenierungen. Letztes Jahr schloss Jablonka seine Galerie und entschied im selben Jahr wohl über den Verbleib eines Teils seiner Sammlung. „Die größte Überraschung meines Lebens“ nennt Schröder Jablonkas Schritt, „wir kannten einander vorher gar nicht persönlich“. Der Kunsthändler habe ihn vor über einem Jahr besucht und vorgeschlagen, seine Stiftung der Albertina anzuvertrauen – und Schröder war sofort begeistert. Denn gerade mit der Appropriation Art der 1980er Jahre würde eine „bedeutende Lücke“ in der Sammlung geschlossen.
Daran verwundert gleich zwei Behauptungen: Ersten hört man immer wieder, dass Schröder den großzügigen Geber direkt angesprochen habe. Auf konkrete Nachfrage bei Jablonka – folgt Schweigen! Es wäre sicher nicht das erste Mal, dass Direktor Schröder offensiv auf Sammler zugeht, jüngst ergatterte er auf dem direkten Weg von einer Gruppe junger deutscher Kunstkäufer einen Baselitz für sein Haus. Zweitens existiert diese Lücke gar nicht, denn das Haus definiert sich über die graphische Sammlung und neuerdings eben Monet bis Picasso – für die Kunst der Gegenwart sind andere Häuser zuständig. Daher fragt man sich auch, ob diese vornehmlich US-amerikanische Kunst nicht viel eher ein perfekter Lückenfüller für das MUMOK sei? Sicherlich, bestätigt Schröder, „und genauso für alle anderen Häuser fast in ganz Europa. Aber da ist der Stifter frei in seiner Entscheidung“. Im Telefongespräch erklärt Jablonka, dass er zum einen zu Wien eine enge Beziehung habe, „und es liegt verkehrstechnisch günstig zwischen Innsbruck und Krakau“ – denn Sammler wollen ihre Sammlung immer wieder einmal besuchen. Zum anderen wolle er „für die Künstler, von denen ich hoffe, dass sie in 30 oder 50 Jahren für die Menschen ebenso wichtig sein werden wie heute Picasso, das beste Museum, jedenfalls das richtige haben.“ Entscheidend sei dafür die Ausrichtung der Albertina von Alten Meistern bis zu Zeitgenossen. Er hält das Modell eines Museums nur für moderne Kunst für gestrig, denn heute interessieren sich die Künstler für Werke aller Epochen. Und in der Albertina sei der neue Teil erst im Entstehen, „da kann man noch etwas Wichtiges beisteuern“.
in kürzerer Form veröffentlicht in: Welt, 3.August 2019